Interview

Wandel und Weichenstellungen: Das sagt Giengens früherer OB Clemens Stahl zur Kaltenburg bei Giengen

Gründung einer Interessengemeinschaft, Sanierung, Denkmalamt, Finanzierung und mehr: Clemens Stahl hat den Weg der Kaltenburg bei Giengen von der Ruine zum Treffpunkt als langjähriger Vorsitzender der Interessengemeinschaft geprägt. Im Interview blickt er auf das Erreichte zurück ohne an Kritik zu sparen.

Warum macht er das? Diese Frage haben sich 2014 nicht wenige gestellt, als Clemens Stahl, von 2001 bis 2009 Oberbürgermeister in Giengen, begann, sich für den Erhalt und die Sanierung der Kaltenburg zu engagieren. Im Interview spricht er über Beweggründe und benennt Aufgaben für die Zukunft.

Herr Stahl, was war für Sie der ausschlaggebende Moment, in dem Sie gesagt haben: Ich muss mich jetzt für den Erhalt der Kaltenburg engagieren?
Das war im März 2014 der Artikel in der HZ mit der Überschrift „Ruine dem Verfall preisgegeben?“. Ich war noch Mitglied des Kreistags, mir lag der Tourismus in der Region am Herzen und ich war ein Pensionär, der Zeit hatte. Für mich war klar, dass dieses Kleinod nicht vor die Hunde gehen darf. Meine Intention war: da muss was in Bewegung gesetzt werden.

Was hat denn Ihr Umfeld gesagt? Hat man Ihnen nicht geraten, sich das genau zu überlegen?
Der Haupttenor war: Lass die Finger davon. Aber einer hat mich überzeugt, oder besser gesagt zwei. Das waren Peter Hahnel und Eduard Geisser.

Beide aus Hürben und lange Mitglieder des Gemeinderats in Giengen.
Die beiden waren so eine Art Triebfeder und schon immer der Kaltenburg verbunden.

Jetzt liegt das Höhlenhaus ja auf Gemarkung Giengen und man muss wissen, dass die Kaltenburg zu Niederstotzingen gehört. War das ein Problem?
Für mich und für die Gründung dieses Vereins eigentlich nicht. In der Tat zeigte sich aber, dass die Gemeindegrenze eine Art Demarkationslinie ist, auch heute noch. Die Giengener sagten, die Kaltenburg geht uns eigentlich nichts an und die Stotzinger zeigten auch kein reges Interesse an der weiteren Entwicklung der Burg. Auch juristische Probleme im „Grenzgebiet“ zeigten uns auf, dass wohl nicht alles machbar ist. Allein bei der Thematik Stromversorgung hätten wir einen Konzessionsvertrag ändern müssen. Das wäre ein großer Akt gewesen, von dem wir dann Abstand nahmen. Da sieht man, was eine Grenze ausmachen kann.

Von der Charlottenhöhle ist man eigentlich in ein paar Minuten zur Kaltenburg gelaufen.
So ist es! Deswegen ist dieses Kirchturmdenken auch nicht zu verstehen, beides gehört meiner Meinung zusammen.

Waren Sie dann trotzdem überrascht, als der Saal voll war im Höhlenhaus? Und dass anschließend viele gesagt haben, sie möchten sich beteiligen?
Mit der Menge an Besuchern hatte ich sicher nicht gerechnet. Ich wusste aber, dass die OG des Schwäbischen Albverein Hürben noch sehr tief in das Thema involviert war und auch, dass man in Stetten und Lontal enge Beziehungen zur Burg hatte. Dass sich daraus nun etwas Positives entwickelte, war natürlich super.

Clemens Stahl war lange Vorsitzender der IG Kaltenburg und ist jetzt Vorstandsmitglied. Christian Thumm

Es ging dann relativ schnell: Die Interessengemeinschaft wurde gegründet, dann Verhandlungen mit dem Eigentümer geführt. Wie war das erste Jahr? Das muss spannend gewesen sein.
Wir hatten die beachtliche Zahl von 34 motivierten Gründungsmitgliedern und schnell einen Vorstand gebildet, der auch arbeiten wollte. Im Vorstand haben wir dann lange darüber diskutiert, wie man es hinbekommt, Eigentumsverhältnisse auf der einen Seite und Ehrenamt andererseits zu vereinbaren. Die einzige machbare Lösung für uns hieß: Die Burg muss in das Eigentum des Vereins übergehen. Das war der Gordische Knoten, den es durchzuschlagen galt. In den Verhandlungen stießen wir beim Eigentümer, dem Schwenk-Chef Eduard Schleicher, mit unseren Vorstellungen auf offene Ohren – vielleicht auch deshalb, weil wir einen für beide Seiten tragbaren Kompromiss angestrebt haben. Ich glaube, das hat das ganze Verfahren beschleunigt und es kam dann zum Verkauf für einen Euro und zu einer angemessenen Mitgift plus Wegebau.

War Ihnen damals schon klar, was aus dieser Burg entstehen könnte? Hatten Sie schon diese Vorstellung, dass Leute kommen und sich aufhalten, Hochzeitsbilder gemacht werden, dass es Konzerte gibt?
Wir haben die Mitglieder einbezogen und in verschiedenen Veranstaltungen überlegt, wie wir die Kaltenburg nach der Sanierung positionieren können. Klar war: Es muss Leben auf die Burg. Das Thema Kultur stand sehr zentral im Mittelpunkt, ohne damals zu wissen, wie schwierig das ohne notwendige Infrastruktur wie Wasser, Abwasser oder Strom ist.

Wie war die Zusammenarbeit mit dem Denkmalamt? Es sind bekanntermaßen schon andere Vorhaben an Auflagen gescheitert.
Mit unserem Förderantrag hat das Denkmalamt sein Mitspracherecht eingefordert. Das ist voll in Ordnung. Ich kann mich an ein gutes Gespräch mit dem damaligen Landeskonservator, Prof. Dr. Goer erinnern, der die Kaltenburg zwar nicht kannte, uns von Anfang an aber unterstützte. Seitdem gibt es eigentlich eine sehr konstruktive Zusammenarbeit mit dem Landratsamt als untere Denkmalbehörde und aber auch mit der Oberen Denkmalbehörde beim Regierungspräsidium.

Die Interessengemeinschaft ist ein Verein, aber kein Bauunternehmen. Wie haben Sie das alles unter einen Hut bekommen? Hat Ihnen die Erfahrung als Oberbürgermeister geholfen?
Die Erfahrung aus der Amtszeit hat schon geholfen, denn ein solches Projekt kann man ohne fachliche Unterstützung nicht bewegen. Wir hatten Glück mit dem Ingenieurbüro, das auch hohe Anerkennung im Denkmalamt hatte. Auch die Firma bauausführende Firma war sehr gut.

Nach dem zweiten Sanierungsabschnitt war Ebbe in der Kasse

Clemens Stahl, IG Kaltenburg

Der Bau an sich ist die eine Sache, die Finanzierung die andere? Haben Sie nächtelang wach gelegen und gedacht: wo bekommen wir das Geld her? Es ging schließlich nicht um 2,50 Euro, sondern um Hunderttausende.
Allein schon die Kostenschätzung für die eingebrochene Burgmauer lag bei rund 600.000 Euro. Das musste man gut kalkulieren: Was sind die Anteile an Zuschüssen, was gibt vielleicht die Denkmalstiftung dazu, was können wir an Spenden generieren und was bleibt für den Verein übrig? Und so hat sich das von Abschnitt zu Abschnitt hingezogen, solange wir diese vierhundert Tausend Euro Mitgift als Eigenkapital zur Verfügung hatten. Kritischer wurde es natürlich, als das Geld ausging. Nach dem zweiten Sanierungsabschnitt war Ebbe in der Vereinskasse. Etwa eine Million Euro wurden verbaut.

Wer ein Haus hat, weiß, es ist nie fertig, bei einer Burg ist es wahrscheinlich noch schlimmer. Die Burg steht super da. Sie wird auf unterschiedliche Weise genutzt. Aber es gibt noch was zu tun.
Dass die Kaltenburg super dasteht, ist zunächst eine optische Wahrnehmung. Nach unserer Satzung haben wir die Aufgabe, die Burgruine zu erhalten. Und der Zahn der Zeit arbeitet immer gegen uns. Aktuell gibt es zwei kritische Punkte, die unser Handeln erfordern:  da ist die mittlere Schildmauer, die im nördlichen Bereich erodiert. Im Jagdhaus ist die Wand an der Nordseite ziemlich marode. Vorstand und Mitgliederversammlung haben sich 2023 dafür ausgesprochen, diese Schäden anzugehen. Wir haben jetzt eine Befliegung mit Drohnen zur Schadensbilanzierung vorgenommen und gehen davon aus, dass die Ergebnisse in den nächsten Wochen auf den Tisch kommen. Erst dann können wir entscheiden, was für einen Sanierungsweg wir einschlagen. Das richtet sich nach der baulichen Priorität und den Finanzen. Ich gehe aber davon aus, wir mit einem sechsstelligen Sanierungsbetrag rechnen müssen.

Gehen so weitreichende Entscheidungen alle mit?
Es gibt schon gelegentlich Diskussionen, weil immer die Frage im Raum steht, wie wir das finanzieren sollen. Aber wo und was ist die Alternative? Persönlich bin ich eigentlich eher der Optimist, der sagt, dann müssen wir wieder den Klingelbeutel herausholen und auf Tour gehen. Die Veranstaltungen, die wir haben, bringen zwar auch was in die Kasse, aber das reicht schlichtweg nicht mehr, auch die 300 Mitglieder, die wir haben, bringen mit den Beiträgen auch nicht die Masse Geld.

Das heißt, man benötigt Kontakte?
Ja, Kontakte und auch das Bewusstsein in der Öffentlichkeit, dass wir diesem Kulturdenkmal auf jeden Fall eine Zukunft geben sollten. Das schafft man nur gemeinsam.

Man braucht auch weiter Zuschüsse. Das dürfte nicht leichter geworden sein, da viele Vereine um Zuschüsse buhlen.
Absolut, ohne Zuschüsse geht es überhaupt nicht. Wir haben zwischenzeitlich Gespräche mit dem Landesdenkmalamt geführt und erfahren, dass die Voraussetzungen für Förderungen besser, zielorientierter geworden sind. Auch werden wir uns wieder bemühen, die Denkmalstiftung Baden-Württemberg mit ins Boot zu holen. Spenden wollen wir natürlich auch sammeln, aber das ist mittlerweile schon schwieriger geworden, weil nahezu überall Spendenkässle eröffnet wurden.

"Wir haben das Problem, dass wir zwischen zwei Betten liegen."

Clemens Stahl, Vorstandsmitglied der IG Kaltenburg

Wenn Sie jetzt auf die vergangenen zehn Jahre zurückblicken, was hat Sie am meisten gefreut, was hat Sie am meisten geärgert?
Am meisten gefreut hat mich das bis heute erkennbare Ergebnis der bürgerschaftlichen Herrschaft über die Burg. Am Anfang war da ein Dschungel mit vielen Steinen, heute ist es ein Treffpunkt für viele Menschen. Es freut einen immer, wenn die Besucherinnen und Besucher begeistert sind und uns auf die Schulter klopfen. Da muss ich aber immer wieder sagen, dass dies alles nur möglich war und ist, weil wir ein sehr engagiertes Team haben, welches sich über 1.000 Stunden im Jahr um die Burg kümmert. Das ist einfach nur toll. Wir haben eine gute Nachfolge des Schwäbischen Albvereins angetreten und heißen jeden willkommen, der mitmachen will.

Geärgert hat mich eigentlich relativ wenig, vielmehr war ich öfter mal frustriert. Wir haben heute noch das Problem, dass wir gewissermaßen zwischen zwei Betten liegen, Giengen hier und Niederstotzingen da. Ein wenig mehr Anerkennung und Unterstützung würde guttun. Ein weiterer kritischer Punkt, der mich bewegt ist, dass die touristische Zusammenarbeit besser laufen könnte. Charlottenhöhle, Mahlmühle, Kaltenburg und Archäopark bilden ein einmaliges Ensemble und erfreuen sich hoher und zunehmender Beliebtheit. Aus welchen Gründen hier die gemeinsame Ausrichtung der Aktivitäten nicht funktioniert, entzieht sich meiner Kenntnis. Jeder macht sein eigenes Ding, eigentlich schade!

Zur Person

Clemens Stahl kandidierte als Bürgermeister von Blumberg 2001 in Giengen und wurde dort zum Oberbürgermeister gewählt. Bis 2009 war er Stadtoberhaupt in der Großen Kreisstadt und setzte während seiner Amtszeit auch touristische Akzente. Auf seine Initiative geht die 2014 gegründete Interessengemeinschaft Kaltenburg zurück. Der heute 68-Jährige war einige Jahre Vorsitzender des Vereins und ist heute Mitglied des Vorstands.

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