Eleganz auf Rollen

Gleichgewicht, Glitter, Gemeinschaft – Ein Einblick in den Rollkunstlauf im Landkreis Heidenheim

Die Mädchen der Rollsportabteilungen des Heidenheimer SB und des RSV Nattheim trainieren regelmäßig für große Auftritte – mit Disziplin, Kreativität und Teamgeist. Was sich hinter den der Sportart mit den bunten Kostümen und der scheinbaren Leichtigkeit wirklich verbirgt, hat die Autorin beim Besuch des HSB-Trainings rollend erfahren:
Auf acht Rädchen rollen und das Gleichgewicht zu halten, ist gar nicht mal so einfach – das zeigt Rollsport-Trainerin Stephanie Hein vom HSB HZ-Volontärin Chiara Sülzle. Dennis Straub

Schon wenn man die Halle betritt, sieht man: Es herrscht reges Gewusel. Dutzende Mädchen jeden Alters, die ihre Rollschuhe anziehen oder bereits in der Mitte der Halle ihre Runden drehen. Aber auch Eltern, die am Rand stehen und dem Ganzen zusehen. Das Klackern der Rollschuhe auf dem glatten Boden hallt in dem großen Raum wider. Die Lichter sind grell, die Outfits der Mädchen hauptsächlich schwarz, hin und wieder blitzt ein buntes Röckchen oder ein Kostüm zwischen ihnen hervor. Ein kleiner, wuscheliger Hund trottet durch die Halle, unbeeindruckt vom Trubel der vorbeigleitenden Läuferinnen.

Die Stimmung ist ausgelassen, aber auch konzentriert. Was auf den ersten Blick spielerisch wirkt, ist in Wahrheit anspruchsvoll: Wer selbst nur wenige Minuten auf Rollschuhen steht, merkt schnell, wie viel Gleichgewichtssinn und Koordination nötig sind.

Stephanie Hein, die Trainerin der Mädchen im mittleren Alter beim Heidenheimer SB, ist schon mitten im Geschehen. Sie beobachtet die Kinder, organisiert und beantwortet Fragen. An einer Stange hängen an kleinen Kleiderbügeln Kostüme – pink, lila, glitzernd und mit Namensschildchen versehen. Einige der Kinder sitzen auf den Stühlen an der Wand oder auf dem Hallenboden, um ihre Rollschuhe zu schnüren. Sie tragen Feinstrumpfhosen, die über die Schuhe gezogen werden. „Damit die Schuhe nicht kaputtgehen“, merkt sie an.

Eine Trainerin und ihre Geschichte

Die 35-Jährige war selbst lange Rollkunstläuferin, wurde mit 13 Deutsche Meisterin. „Also, Rollkunstlauf nennt sich die Sportart“, sagt sie und krault ihren Hund, der brav neben ihr sitzt. „Ich habe mit sieben angefangen und aufgehört, als ich 18 war.“ Sie lief oft im Einzel, hat dabei eine eigene Kür präsentiert – eine Choreografie auf Rollschuhen, untermalt mit Musik, mit sportlichen und tänzerischen Elementen. Hein rollte auch im Paarlauf mit einem männlichen Partner. Danach beendete sie ihre aktive Karriere, legte eine zehnjährige Pause ein und wurde dann Trainerin.

Dabei arbeitet sie mit ihrem Vater Alfred Hein zusammen. Er hatte die Betreuung der Rollkunstläuferinnen übernommen, als der vorherige Trainer verstarb. Der 71-Jährige kenne sich mit den technischen Details am besten aus. „Mein Papa hat es weitergeführt, weil es sonst keiner mehr machen wollte, und alles Nötige gelernt“, erklärt Hein.

Die Tür zum Nebenraum öffnet sich. Zwei Mädchen kommen herein, in der Hand die Rollen für ihre Rollschuhe. Hein sucht in einer Kiste nach dem passenden Ersatz. „Für den Boden hier brauchen wir weichere, die mehr Grip haben“, sagt sie und drückt in das Gummi einer hellen Rolle. „Auf dem Turnhallenboden rutscht man sonst weg. Für jeden Untergrund gebe es spezielles Material, erklärt sie – farblich sortiert von dunkel bis hell. Sie reicht die Kiste weiter, die Mädchen verschwinden zurück in die Halle.

Unterschiede und Gemeinsamkeiten mit dem Eiskunstlauf

Rollkunstlauf und Eiskunstlauf ähneln sich in vielem – unterscheiden sich aber im Detail. Besonders in der Schuhkonstruktion und der Steuerung sei ein Unterschied spürbar, erklärt Hein. „Anders als bei der einzelnen Kufe eines Schlittschuhs, mit der man relativ einfach lenken kann, muss man beim Rollschuh sein Gewicht stärker auf die Rollen verlagern.“ Dadurch sei es schwerer, Pirouetten zu drehen oder enge Kurven zu fahren. Wichtig sei das richtige Kantenverhalten. Wie beim Eiskunstlauf gibt es verschiedene Figuren – mit einem Bein oben, unten, vorwärts oder rückwärts. Auch der „Axel“ ist beiden Sportarten gemeinsam: Das rechte Bein schwingt vor dem Absprung von hinten nach vorne, der Sprung wird rückwärts gelandet. Wettbewerbsformen und Meisterschaften sind ähnlich – der entscheidende Unterschied bleibt der Untergrund: Eis oder Hallenboden.

Alfred Hein (Mitte), Trainer beim HSB, ist auch noch selbst auf Rollschuhen unterwegs. Gemeinsam werden Formationen und Posen geübt. Dennis Straub

Die Entwicklung des Rollkunstlaufs

Früher, erinnert sich Stephanie Hein, seien die Bedingungen ganz andere gewesen. Beispielsweise hatten die Rollschuhe vorn keine Stopper – das machte das Training schwieriger. Auch das Trainingskonzept habe sich gewandelt. Früher habe man strikt Choreografien durchgearbeitet, erst danach sei lockeres Fahren möglich gewesen. Heute legt die Trainerin den Fokus auf die Freude am Sport. „Wenn sie Spaß haben und gern ins Training kommen, macht das einen Unterschied in ihrer Leistung.“ Wie in jeder Sportart brauche es Disziplin und Ausdauer – aber auch Freiraum. „Quatschmachen gehört auch dazu“, sagt sie.

Stephanie Hein betont die Bedeutung früher Förderung: „Kinder haben oft noch keine Angst davor, sich zu verletzen und machen einfach.“ Das richtige Fallen werde trainiert. Unterschiede unter den Mädchen seien ganz normal. „Die eine ist beweglicher, die andere kann besser springen oder Pirouetten machen. Ich glaube, es gibt kaum ein Kind, das alles kann.“ Das jüngste Kind in der Abteilung ist dreieinhalb, die älteste 21 Jahre alt.

Grazil und anmutig posiert die 13-jährige Lina Ulrich auf ihren Rollschuhen. Dennis Straub

Gemeinschaft und Leidenschaft im Rollkunstlauf

Was aber treibt die jungen Rollkunstläuferinnen an? Lina Ulrich (13) und Amy Keß (20) sitzen auf den Stühlen am Rand der Halle und schauen den anderen beim Training zu. „Ich bin mit meiner Nachbarin mal mitgegangen, sie fährt zwar nicht mehr – aber mir hat es richtig Spaß gemacht“, sagt Lina. Seitdem ist sie dabei geblieben. Amy Keß nickt zustimmend. Bei ihr war es ein Klassenkamerad, der sie zum Rollkunstlauf brachte. „Ich hab’s ausprobiert, es hat mir sofort Spaß gemacht – und dann war ich irgendwie auch schnell drin.“ Heute steht sie nicht nur als Läuferin auf der Fläche, sondern hilft auch als Trainerin im Verein. „Wettkämpfe machen einfach Spaß, und wir verstehen uns alle echt gut.“

An ihren ersten Auftritt erinnert sich Lina gut: „Ich war mega nervös, obwohl ich davor schon mal als Zuschauerin mit dabei war. Aber es hat trotzdem total Spaß gemacht.“ Auch Keß hat viele Wettkämpfe hinter sich – die Aufregung sei trotzdem jedes Mal wieder da. „Aber wenn man dann fährt, wird’s besser. Besonders, wenn die Musik losgeht – dann ist man voll drin.“ Im Einzellauf fühlt sich Lina am wohlsten. „Da kann ich mich besser konzentrieren“, sagt sie. Amy Keß startet auch im Zweier- und Viererlauf. „Wenn man mit mehreren auf der Bahn ist, ist man irgendwie weniger aufgeregt“, sagt sie. „Aber wenn man allein fährt, hat man wenigstens kein schlechtes Gewissen, falls mal was nicht klappt.“

Ein besonderes Highlight sind für beide die Outfits. „Wenn ich das Kostüm anziehe, weiß ich: Jetzt geht’s los“, sagt Keß. „Man wird aufgeregter, aber es ist auch cool, weil man die Sachen ja nicht jeden Tag trägt.“ Wettkampf bedeutet für beide auch Gemeinschaft. Vor dem Start wird einander angefeuert, nach dem Auftritt gefeiert – oft endet der Tag beim gemeinsamen Essen in einem Fastfood-Restaurant.

Zwei Vereine, ein gemeinsames Ziel

Im Landkreis bieten derzeit der Heidenheimer Sportbund (HSB) und der RSV Nattheim Rollkunstlauf an. Beim HSB übernehmen Alfred Hein, Stephanie Hein, Peggy Nemec und Amy Keß das Training, in Nattheim ein Team um Manuela Hinderberger, Barbara Geiger, Svenja D’Amore und Sarah Bortel – unterstützt von jungen Läuferinnen. Der RSV zählt 85 Aktive, darunter ein Junge, der HSB 43 Mädchen.

Beide Vereine nehmen regelmäßig an Wettkämpfen des Deutschen Rollsport- und Inline-Verbands (DRIV) sowie des RKB Solidarität teil – von Bezirks- bis zu Deutschen Meisterschaften. Dabei ist die Zusammenarbeit zwischen den Vereinen groß, es gibt gemeinsame Lehrgänge, Starts bei Wettkämpfen, zwei Gruppen treten derzeit als HSB/RSV an. Konkurrenzdenken? Gibt es nicht. Die HSBlerinnen freuen sich auch auf den 17. Ramenstein-Cup, das große Turnier des RSV, bei dem sie am Samstag und Sonntag in Nattheim antreten.

Schnupperkurse und Probetraining

Der RSV Nattheim bietet jährlich zwei Schnupperkurse an, meist im April und im Herbst. Die Kurse umfassen jeweils vier Termine und sind für Kinder kostenlos. Beim Heidenheimer Sportbund ist ein Schnuppertraining nach Absprache möglich, größtenteils mittwochs und freitags. Die Voraussetzungen sind Spaß an Bewegung und die Bereitschaft, Neues auszuprobieren.

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