Johnsons «Partygate»-Lügen setzen Premier Sunak unter Druck
Der britische Premierminister Rishi Sunak wird seinen konservativen Intimfeind Boris Johnson einfach nicht los. Egal, welche Themen sich Sunak vornimmt und über was er sprechen möchte – die Rede kommt immer wieder auf den skandalumwitterten Ex-Regierungschef. Die Zeitung «Guardian» kommentierte: «Johnsons Vermächtnis verfolgt Sunak.»
Am Montag stand der Ex-Premier einmal mehr im Fokus. Ausgerechnet an seinem 59. Geburtstag wollte das Unterhaus in London über den vernichtenden Bericht eines Ausschusses zur «Partygate»-Affäre diskutieren. Dessen Schlussfolgerung: Der damalige Premier Johnson hat das Unterhaus in dem Skandal um Lockdown-Feiern in der Downing Street wiederholt belogen. Als Antwort beschimpfte Johnson lautstark die Mitglieder des Ausschusses, darunter mehrere konservative Abgeordnete. Was Sunak davon hält, verschweigt er öffentlich bisher.
Mittlerweile treten der Ex-Premier und seine verbliebenen Mitstreiter leiser auf. Johnson selbst verbringt den Tag nach Informationen der «Sunday Times» mit Familie und einigen Freunden auf seinem Anwesen in Oxfordshire, das er kürzlich für mehrere Millionen erwarb. «Ironischerweise ist er der Letzte, der zu einer Party einladen würde», zitierte das Blatt einen «engen Freund». «Er mag sie nicht.» Tatsächlich aber schließt sich für das Geburtstagskind ein Kreis.
Nicht der erste schicksalhafte Geburtstag
Auch Johnsons Geburtstag vor drei Jahren stellte sich als schicksalhaft heraus. Weil er sich trotz Kontaktbeschränkungen mit Kuchen feiern ließ, erhielt er von der Polizei später eine Geldstrafe – als erster amtierender Premier der britischen Geschichte. Wie sich herausstellte, war das kein Einzelfall: In den Regierungsgebäuden wurde gezecht und gefeiert, während das Land im Lockdown verharrte.
Doch als Bilder und Augenzeugenberichte an die Öffentlichkeit kamen, stritt Johnson zunächst alles ab. Alle Regeln seien befolgt worden, behauptete er im Parlament. Als das nicht mehr zu halten war, gab er an, nichts von den Feiern mitbekommen zu haben. Als schließlich klar wurde, dass er selbst mitgefeiert hatte, vertrat er den Standpunkt, nicht gemerkt zu haben, dass es sich um illegale Feiern handelte. Der Ausschuss nahm ihm nichts davon ab.
Bei der Debatte geht es nun darum, ob sich das Parlament das Untersuchungsergebnis zu eigen macht und Sanktionen gegen Johnson verhängt. Einer vom Ausschuss empfohlenen Suspendierung von 90 Tagen kam Johnson zuvor, indem er sein Mandat niederlegte. Ihm droht jedoch noch der Entzug seines Parlamentsausweises, den Ex-Abgeordnete erhalten. Johnson hatte den Ausschuss zuvor als «kangaroo court» (Willkürgericht) geschmäht. Er sieht in der Untersuchung eine Hexenjagd von Brexit-Gegnern und persönlichen Feinden.
Zu dem Untersuchungsergebnis sagte er: «Das ist Müll. Es ist eine Lüge. Um zu dieser irrsinnigen Schlussfolgerung zu kommen, muss der Ausschuss eine Reihe von Dingen sagen, die offensichtlich absurd sind oder den Tatsachen widersprechen.»
Gibt es überhaupt Widerstand?
Ein Votum im Unterhaus hängt davon ab, ob der Bericht überhaupt auf Widerstand trifft. Der Johnson-Verbündete Simon Clarke betonte zwar, dass er das Dokument ablehne. Zugleich twitterte er, es werde nicht zur Abstimmung kommen. Johnson hat seine Leute zurückgepfiffen. Das liegt wohl auch daran, dass sich eine deutliche Mehrheit gegen ihn abzeichnet, denn eine Fraktionspflicht gibt es diesmal nicht. Viele Tory-Abgeordnete, darunter Johnsons Nach- und Sunaks Vorgängerin Liz Truss, werden wohl gar nicht erst im House of Commons aufkreuzen.
Auch Sunak selbst verpasst die Debatte. Das Unterhaus stehe nicht in Sunaks Kalender, sagte sein Sprecher. Die Zeitung «Times» berichtete, der Regierungschef wolle zufällig zur gleichen Zeit den schwedischen Ministerpräsidenten Ulf Kristersson empfangen. Wie er im Falle eines Votums abstimmen würde, ließ Sunak auch auf mehrfache Nachfragen offen. «Es ist wichtig, dass sich die Regierung nicht einmischt, denn es ist eine Sache des Parlaments und der Abgeordneten als Einzelpersonen, nicht als Mitglieder der Regierung», sagte der Premier in einem am Montag veröffentlichten ITV-Interview.
Sunaks Vorsicht ist angebracht, auch wenn ihm Gegner nun Führungsschwäche vorwerfen. Zwar hat Johnson kaum noch Verbündete in der Tory-Fraktion, und auch die Briten insgesamt wollen einer Yougov-Umfrage zufolge vom Ex-Premier nicht mehr viel wissen. Doch dieselbe Umfrage ergab auch, dass Johnson bei konservativen Wählern noch immer beliebter ist als Sunak, den viele an der Parteibasis für das Aus des Populisten verantwortlich machen. «Wie hältst du es mit Boris?», dürfte demnach mit Blick auf die für 2024 geplante Parlamentswahl für viele Tory-Kandidaten zur Gretchenfrage werden.