Phänomen Modric: Kroatien träumt vom ersten großen Titel
Am Ende des Interviews fragte der Reporter des niederländischen Fernsehens noch einmal genau nach. Ob er seinen Ausweis sehen dürfe, erkundigte sich der Journalist bei Kroatiens Fußball-Star Luka Modric mit einem Lachen.
Er könne einfach nicht glauben, dass dieser wirklich schon 37 Jahre alt sei. «Ich hole ihn gleich eben», sagte der Mittelfeld-Magier von Real Madrid schmunzelnd und ließ sich danach wieder von den rund 15 000 kroatischen Anhängern im Rotterdamer De Kuip feiern.
Luka Modric ist und bleibt ein Phänomen. Schon bei der WM 2006 stand der heute 37-Jährige im Kader, damals unter anderem an der Seite des aktuellen Wolfsburger Trainers Niko Kovac. Zwölf Jahre später führte er die Goldene Generation der Kroaten in Russland zur Vize-Weltmeisterschaft, wiederum vier Jahre später wurde Modric mit Kroatien bei der WM in Katar Dritter.
Selbst Ronald Koeman geriet ins Schwärmen
Seit 17 Jahren gibt der 1,72 Meter kleine Wirbelwind im Mittelfeld der Kroaten nun schon den Takt vor. Und wer den fünfmaligen Champions-League-Sieger mit Real Madrid am Mittwochabend beim 4:2 der Kroaten im Nations-League-Halbfinale gegen Gastgeber Niederlande spielen sah, der kann sich nicht vorstellen, dass ein kroatisches Nationalteam jemals ohne Luka Modric spielen wird.
Modric hatte bei hochsommerlichen Temperaturen langsam begonnen, nach einer durchwachsenen ersten Halbzeit aber immer mehr das Zepter an sich gerissen und am Ende mit einer wieder einmal überragenden Leistung seine Kroaten ins Finale geführt. Den wichtigen Elfmeter vor dem 1:1 durch Hoffenheims Andrej Kramaric holte er clever raus, das 3:2 durch Bruno Petkovic zu Beginn der Verlängerung bereitete er vor, um dann vier Minuten vor dem Ende per Strafstoß selbst für den Schlusspunkt zu setzen.
Als Trainer Zlatko Dalic den unermüdlichen Modric wenig später auswechselte, rasteten nicht nur die stimmungsvollen kroatischen Anhänger komplett aus. Auch der Rest des Stadions erhob sich und spendete Ovationen. Selbst Oranje-Coach Ronald Koeman geriet nach dem fußballerischen Glanzstück ins Schwärmen. «Nur ein Wort: gewaltig», sagte Koeman. «Auch wenn es ein Spieler des Gegners ist, kann ich nicht anders als zu sagen, dass auch ich das Spiel eines solchen Spielers genießen kann», sagte Koeman. «Er spielt so klug.»
«Wir sind noch nicht fertig»
Völlig zu Recht wurde Modric nach der packenden Partie zum Spieler des Spiels gewählt. Den Pokal nahm er mit einem Lächeln entgegen, zufrieden ist er mit der Trophäe aber noch lange nicht. Nach vielen vergeblichen Anläufen in der Vergangenheit will der Mittelfeldstratege endlich einen Titel mit Kroatien gewinnen. «Es wäre großartig, wenn er sich mit Gold belohnen würde», sagte Kroatiens Trainer Dalic.
«Wir sind noch nicht fertig», sagte auch Modric nach der Partie mit Blick auf das Finale am Sonntag. Das dürfte auch für seine Karriere gelten. Die Zeichen verdichten sich, dass Modric bei Real noch ein Jahr dranhängt, statt irgendwo in Saudi-Arabien seine Karriere ausklingen zu lassen. Und auch die EM im kommenden Jahr in Deutschland ist nicht ausgeschlossen. Da, wo er 2006 sein erstes großes Turnier spielte, würde sich dann ein Kreis schließen. Doch daran verschwendet Modric noch keinen Gedanken. «Es geht hier die ganze Zeit über meine persönliche Zukunft. Mein Fokus liegt aber darauf, hier den Titel zu holen.»