Punk, Party und Protest - Große 80er-Schau in Karlsruhe
Kann eine gelbe Öljacke mehr als ein Regenschutz sein? Sie kann. Der «Friesennerz» war in den 1980er Jahren auch ein Symbol des Widerstands. Und der Träger musste ganz schön Mut haben, wenn er in Leipzig aus Protest gegen verbotene Straßenmusik auf dem Jackenrücken den Satz schrieb: «Nur böse Menschen dulden keine Lieder.» Die Jacke ist Teil einer Ausstellung, die ab Samstag im Karlsruher Schloss das Phänomen der 80er Jahre beleuchtet. Punk, Protest oder Party – spannend sind neben dem Vergleich von Ost und West auch persönliche Zeugnisse von Promis.
Die Schau «Die 80er – Sie sind wieder da!» (bis 25. Februar 2024) spannt einen weiten thematischen Bogen. Vom Zauberwürfel über das BMX-Rad bis zur Alarmsirene: Mit rund 300 Exponaten erinnert das Badische Landesmuseum an ein ereignisreiches Jahrzehnt deutscher Nachkriegsgeschichte. Es war geprägt von politischen Konflikten und gesellschaftlichen Umbrüchen, aber auch von Spaß und dem Aufbruch in eine digitale Zukunft.
Goldmedaille von Steffi Graf
Zu den Highlights zählen der geblümte Plastik-Helm der Grünen-Politikerin Petra Kelly von der Mutlanger «Promiblockade» gegen die Stationierung von Mittelstreckenraketen, eine Lederjacke von Scorpions-Sänger Klaus Meine, die er im September 1989 beim Auftritt in Moskau trug, ein Shirt von einem Udo-Lindenberg-Auftritt im Palast der Republik in Berlin und die Olympia-Goldmedaille von Tennislegende Steffi Graf von 1988 im südkoreanischen Seoul.
Die «Erlebnisausstellung» startet mit einer riesigen bunten Themenwand. Sie bietet mit Beispielen aus Musik, Mode, Freizeit, Wohnen und Technik viel für’s Auge – und zugleich interessante Einblicke in das Leben in West und Ost. So erfährt der Besucher, dass es Hausbesetzer in beiden Teilen Deutschlands gab – wenn auch mit anderem Vorzeichen. Während die einen den Abriss von alten Häusern für neue Immobilien verhindern wollten, sorgten sich die anderen um bröckelnde Gebäude wegen ausbleibender Sanierung.
Aids und Waldsterben in Ost und West
Wer glaubt, dass Aids vor der DDR-Mauer halt machte und Waldsterben nur ein West-Thema war, irrt. Und dass die badische Landesbischöfin Heike Springhart einst Schönauer Stromrebellin war, verrät ein schlichtes T-Shirt mit dem Aufdruck «Ich bin ein Störfall».
Aerobic mit Jane Fonda oder Cyndi Lauper aus dem Walkman: Für die einen waren es die besten Zeiten, als Punks und Popper es bunt trieben, die Grünen laufen lernten und am Ende auch noch die Berliner Mauer fiel, das Symbol der deutschen Teilung und des Kalten Krieges. Andere erinnern sich eher an Ängste vor Krieg und Atomkraft oder Umweltbedrohungen.
Jeder hat seinen eigenen Blick auf das Jahrzehnt. «Um möglichst viele Perspektiven sichtbar zu machen, braucht es viele Stimmen», sagt Kuratorin Brigitte Heck. Deshalb können Besucher ihre Erlebnisse in einem Erinnerungslabor aufzeichnen, persönliche Gegenstände im Museum lassen oder ein Jugendzimmer nach ihrem Gusto einrichten.
Punk und No Future
Trendforscher beobachten schon länger ein Revival der 80er Jahre. Verbindend zum Heute sei einerseits eine Endzeitstimmung, erklärt Eike Wenzel, Leiter des Instituts für Trend- und Zukunftsforschung in Heidelberg. Damals gab es den Kalten Krieg und Bewegungen wie Punk und No Future, heute gibt es den Ukraine-Krieg und Klimabewegungen wie Fridays for Future und Letzte Generation. «Es sind politische und ökonomische Trends, die sich doppeln.» Doch Trends haben auch immer etwas mit Spaß zu tun, betont der Forscher.
Das dürfte der Grund sein, warum Kate Bush, Karottenhose und poppige Farben wieder angesagt sind. Wer noch mal richtig auf die damalige Musik abtanzen will, kann dies die nächsten Monate im Karlsruher Schloss tun: Auf Bestellung gibt’s dort eine 80er-Jahre-Disco. Schon vor deren Eröffnung heizt am Freitag (16. Juni) die Spider Murphy Gang ein – seit dem 80er-Jahre-Hit «Skandal im Sperrbezirk» eine Kultband der Neuen Deutschen Welle.