Scholz: Bei Ukraine-Hilfe Stärkung der Kampfkraft im Fokus
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat vor dem Nato-Gipfel in Litauen bekräftigt, dass ein Beitritt der Ukraine zu dem Bündnis vor einem Ende des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine nicht in Frage kommt. Das habe auch die ukrainische Regierung selbst festgestellt, sagte Scholz in seiner Regierungserklärung im Bundestag. «Deshalb werbe ich dafür, dass wir uns in Vilnius auf das konzentrieren, was jetzt absolute Priorität hat: Nämlich die tatsächliche Kampfkraft der Ukraine zu stärken.»
Beim Nato-Gipfel im litauischen Vilnius wird es Mitte Juli darum gehen, wie die Ukraine an die Nato herangeführt werden kann und welche Sicherheitsgarantien ihr nach einem Ende des Kriegs gegeben werden können. Zu der von der Ukraine gewünschten formellen Einladung in die Nato wird es aber voraussichtlich nicht kommen.
Der Kanzler sagte der Ukraine erneut Unterstützung zu, solange dies nötig ist. Er verwies darauf, dass sich die zivile und militärische Hilfe Deutschlands inzwischen auf 16,8 Milliarden Euro summiere. Deutschland werde sich bei den Waffenlieferungen weiterhin auf gepanzerte Gefechtsfahrzeuge, Flugabwehrsysteme, Artillerie und die nötige Munition konzentrieren. Damit liefere Deutschland genau das, was die Ukraine bei der laufenden Offensive zur Befreiung ihrer Gebiete am dringendsten benötige.
Scholz pocht auf raschen Nato-Beitritt Schwedens
Scholz pochte angesichts des anhaltenden türkischen Widerstands auf einen raschen Nato-Beitritt Schwedens. Er sei «der festen Überzeugung, dass neben Finnland auch Schweden als neuer Verbündeter mit am Gipfeltisch sitzen sollte», sagte der SPD-Politiker. Er appelliere an den wiedergewählten türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan, den Weg dafür nun freizumachen – wie es beim Nato-Gipfel in Madrid im vergangenen Jahr gemeinsam beschlossen worden sei.
Vor dem Eindruck des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine hatte Schweden im Mai 2022 ebenso wie Finnland die Mitgliedschaft in der Nato beantragt. Finnland ist seit Anfang April Mitglied, Schweden fehlt dagegen weiter die Zustimmung der Türkei und Ungarns. Erdogan hatte kürzlich die Zustimmung zum Beitritt Schwedens bis zum Nato-Gipfel in Zweifel gezogen und Schweden erneut vorgeworfen, nicht entschieden genug gegen «Terrororganisationen» vorzugehen. Schweden hatte vor kurzem seine Terrorgesetze verschärft, das Oberste Gericht des Landes hatte danach die erste Auslieferung eines PKK-Anhängers an die Türkei genehmigt.
Scholz sagte, vom Nato-Gipfel im Juli werde ein starkes Signal des transatlantischen Zusammenhalts und der Entschlossenheit ausgehen, für die gemeinsame Sicherheit einzustehen. «Unser Versprechen auf gegenseitigen Beistand in der Nato gilt – ohne Wenn und Aber», sagte er. Zugleich werde man eine Reihe von Beschlüssen zur Anpassung der militärischen Planungen fassen, zum Beispiel zum verbesserten Schutz der Infrastruktur unter Wasser.
Kanzler verteidigt europäischen Asylkompromiss
Der Kanzler verteidigte die europäischen Pläne für Asylverfahren an den EU-Außengrenzen. «Das ist eine Historische Einigung, weil sie zeigt, dass die EU ihre Differenzen auch bei den kontroversesten Themen überwinden kann», so Scholz. «Deutschland wird durch ein solches neues und faires System auch entlastet, denn bisher waren wir das Hauptziel für weitgehend ungesteuerte Binnenmigration innerhalb des Schengen-Raums.»
Die EU-Staaten hatten Anfang Juni für umfassende Reformpläne gestimmt. Asylanträge von Migranten, die aus Herkunftsländern mit einer Anerkennungsquote von weniger als 20 Prozent stammen, sollen bereits an den EU-Außengrenzen innerhalb von zwölf Wochen geprüft werden. In dieser Zeit will man die Schutzsuchenden verpflichten, in streng kontrollierten Aufnahmeeinrichtungen zu bleiben. Wer keine Chance auf Asyl hat, soll umgehend zurückgeschickt werden.
Denkbar ist allerdings, dass das EU-Parlament noch Änderungen durchsetzt. Scholz warb dafür, noch vor den Europawahlen im kommenden Jahr zu einer Einigung mit dem Europäischen Parlament zu kommen.
Auch Deutschland habe bei dem Thema Kompromisse eingehen müssen, sagte er. «Aber das war richtig – im Interesse der Einheit und Handlungsfähigkeit Europas», sagte Scholz. Das bisherige System funktioniere nicht. Die Bundesregierung hatte sich in den Verhandlungen dafür eingesetzt, dass Familien mit Kindern von den sogenannten Grenzverfahren ausgenommen werden. Um die Einigung nicht zu gefährden, musste sie jedoch akzeptieren, dass dies doch möglich sein könnte.