Was soll sich ändern bei der Fachkräfteeinwanderung?
Seit März 2020 hat Deutschland ein Fachkräfteeinwanderungsgesetz. Das Gesetz war von der schwarz-roten Koalition beschlossen worden, um den Zuzug von qualifizierten Arbeitskräften aus Nicht-EU-Staaten zu erleichtern. Es soll jetzt reformiert werden, weil immer noch vielerorts Personal fehlt, vor allem Fachkräfte. Flankiert wird diese Gesetzesnovelle von einem zweiten Gesetzesvorhaben der Ampel-Regierung. Das soll jungen Menschen helfen, eine Ausbildungsstelle zu finden. Gleichzeitig sieht dieses Gesetz mehr Unterstützung für von Jobverlust bedrohte Arbeitskräfte vor. Die wichtigsten Fragen und Antworten:
Was ändert sich beim Fachkräfteeinwanderungsgesetz?
Neu ist die Einführung einer sogenannten Chancenkarte auf Basis eines Punktesystems. Das war vor allem der FDP ein wichtiges Anliegen. Zu den Auswahlkriterien für arbeitswillige Einwanderer, die diesen Weg wählen, gehören Sprachkenntnisse, Berufserfahrung, Alter und Deutschlandbezug. Kanada macht das so ähnlich seit vielen Jahren.
Außerdem sollen IT-Fachkräfte auch dann kommen dürfen, wenn sie zwar keinen Hochschulabschluss haben, aber bestimmte Qualifikationen. Denn hier fehlen besonders viele Fachkräfte. Die werden aber dringend benötigt, wenn Deutschland bei der Digitalisierung aufholen will.
Asylbewerber, die vor dem 29. März 2023 eingereist sind und eine Qualifikation sowie ein Jobangebot haben, sollen – wenn sie ihren Asylantrag zurücknehmen – eine Aufenthaltserlaubnis als Fachkraft beantragen können. Bislang musste man dafür erst ausreisen und sich dann vom Ausland aus um ein Arbeitsvisum bemühen.
Wer als hoch qualifizierte Fachkraft aus dem Nicht-EU-Ausland nach Deutschland kommt, soll künftig nicht nur den Ehepartner und die Kinder mitbringen dürfen, sondern auch Eltern und Schwiegereltern. Voraussetzung für den Familiennachzug ist aber, dass der Lebensunterhalt für die Angehörigen gesichert ist. Sozialleistungen beantragen können die Eltern nicht.
Wer profitiert davon?
Unter anderem Unternehmen, die Stellen nicht besetzen können und deshalb wirtschaftliche Einbußen hinnehmen müssen. Qualifizierte Arbeitskräfte aus dem Ausland, die sich in Deutschland mehr Gehalt und bessere Karrierechancen erhoffen. Für Menschen, die Deutschland eigentlich verlassen müssten, wird es einfacher, durch eine Ausbildung oder indem sie einen Job als Fachkraft antreten, doch noch einen gesicherten Aufenthalt zu bekommen.
Wie sind die Erfolgsaussichten?
Dass das Fachkräfteeinwanderungsgesetz von 2020 nicht die gewünschte Wirkung entfaltet hat, lag auch an der Corona-Pandemie, die international Mobilität eingeschränkt hat. Außerdem ist der bürokratische Aufwand für Ausländer, die als Erwerbsmigranten nach Deutschland kommen wollen, immer noch hoch. Das Verfahren sei so aufwendig, dass der Jobsuchende oder das Unternehmen in Deutschland irgendwann aufgeben und sich umorientieren, berichtete die Leiterin einer tunesischen Arbeitsagentur kürzlich Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) bei deren Besuch in dem nordafrikanischen Land. Ein Flaschenhals sind die deutschen Botschaften und Konsulate. Dort muss man oft lange auf einen Termin warten, um ein Visum zu beantragen.
Wie geht es jetzt weiter?
Der Sonderbevollmächtigte für Migrationsabkommen, Joachim Stamp (FDP), soll zusätzlich die Möglichkeit bekommen, einzelnen Ländern bestimmte Kontingente für die Erwerbsmigration nach Deutschland anzubieten. Hier wäre dann keine besondere Qualifikation notwendig, nur ein Arbeitsvertrag. Im Gegenzug sollen diese Staaten besser kooperieren bei der Rücknahme ihrer ausreisepflichtigen Staatsbürger aus Deutschland. So eine Regelung gibt es jetzt schon für die Westbalkan-Staaten. Das aktuell geltende Kontingent für Staatsangehörige von Albanien, Bosnien und Herzegowina, Kosovo, Nordmazedonien, Montenegro und Serbien hat die Ampel jetzt verdoppelt, auf künftig 50.000 Arbeitskräfte pro Jahr.
Bei den langwierigen Verhandlungen der Koalitionäre zum Fachkräfteeinwanderungsgesetz zeigte sich wieder einmal das inzwischen schon bekannte Muster, dass sich FDP und Grüne ineinander verhaken und die SPD als Moderatorin in der Mitte steht. Die SPD hätte die Reform gerne zusammen mit der geplanten Novelle des Staatsangehörigkeitsrechts ins Parlament gebracht. Doch vor allem die FDP war mit den Vorschlägen, die dazu anfangs auf dem Tisch lagen, nicht ganz einverstanden. Deshalb entschloss man sich, die Novelle parallel zu den Änderungen bei der Förderung von Aus- und Weiterbildung anzugehen. Auch um zu zeigen, dass die Ampel die Probleme auf dem Arbeitsmarkt nicht nur durch Migration lösen will. Über die Reform des Staatsangehörigkeitsrechts wollte das Kabinett ursprünglich in der kommenden Woche beraten. Jetzt sieht es aber doch so aus, als würde dort über den Entwurf von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) erst Mitte Juli entschieden.
Was soll das Aus- und Weiterbildungsgesetz bewirken?
Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) betont regelmäßig, es müssten «alle Register» gezogen werden, um Arbeitskräfte zu gewinnen, auch im Inland. Beispiel Ausbildung: Viele Unternehmen suchen Azubis und gleichzeitig bleiben jedes Tausende Bewerber ohne Lehrstelle. Ein «Mobilitätszuschuss» für zwei kostenlose Familienheimfahrten pro Monat soll es künftig leichter machen, auch weiter entfernt liegende Ausbildungsplätze anzunehmen.
Ähnliches ist auch für Praktika zur Berufsorientierung nach der Schulzeit geplant: Die Bundesagentur für Arbeit kann hier künftig Fahrtkosten zum Praktikumsort und auch Unterkunftskosten übernehmen, wenn das Praktikum weiter entfernt vom Elternhaus liegt.
Wenn junge Menschen keinen betrieblichen Ausbildungsplatz finden, soll ihnen eine außerbetriebliche Ausbildung angeboten werden.
Und was soll beim Thema Weiterbildung passieren?
Hier ist ein «Qualifizierungsgeld» vorgesehen, ein Lohnersatz, den die Bundesagentur für Arbeit zahlen soll. Gedacht ist es für Beschäftigte, «denen im besonderen Maße durch die Transformation der Arbeitswelt der Verlust des Arbeitsplatzes droht, bei denen Weiterbildungen jedoch eine zukunftssichere Beschäftigung im gleichen Unternehmen ermöglichen können», heißt es im Erklärtext zum Gesetz. Das Bundesarbeitsministerium nennt etwa die Autobranche durch die Umstellung von Verbrenner auf Elektro. Vorgesehen ist auch, kleine und mittelständische Unternehmen stärker bei der Weiterbildung zu unterstützen, durch vollständige Übernahme von Lehrgangskosten.