Ohne seine Vorgeschichte mit einigen Verurteilungen wäre ein 31-Jähriger, der in Giengen lebt, wohl nicht vor Gericht gelandet und hätte dort nicht bangen müssen, ob er eine Haftstrafe ohne Bewährung antreten muss.
Er hatte im Februar des vergangenen Jahres in 14 Fällen Cannabis erworben, jeweils in Mengen von etwa fünf Gramm. Bei einer von der Polizei vorgenommenen Durchsuchung der Wohnung des Angeklagten wurden in einer im Nachtkästchen liegenden Dose 1,3 Gramm der weichen Droge gefunden. Den Erwerb und den Besitz räumte er in der Sitzung vor dem Amtsgericht Heidenheim ein. Die Polizei war über einen Chatverlauf auf dem sichergestellten Mobiltelefon des Dealers des Mannes auf ihn aufmerksam geworden.
Nun sind 90 Gramm im Monat zum Eigenkonsum nicht wenig. Der Angeklagte begründete die Mengen, die er geraucht hatte, mit den Folgen eines familiären Schicksalsschlages, die sich in Depressionen, Schlaflosigkeit und Panikattacken äußerten. „Das Cannabis hat mich heruntergebracht und mich schlafen lassen. Es hat mir die Ängste genommen“, so der Angeklagte, der zudem sagte, er hätte viel früher zum Arzt gehen sollen.
Mittlerweile habe er sich ärztliche Hilfe geholt, stehe kurz vor dem Beginn einer Traumatherapie und konsumiere Cannabis auf Rezept, das er selbst bezahle. Im Gegensatz zu Psychopharmaka helfe es ihm schon in geringen Mengen. Mittelfristig sei es sein Ziel, auch davon loszukommen und „ein normales Leben zu führen“.
Möglichkeit gegeben, das Trauma aufzuarbeiten
Die Bewährungshelferin des verheirateten Vaters sagte vor Gericht, der Angeklagte sei durch einen Verlust extrem traumatisiert. Cannabis sei das Mittel, „das er gerade braucht“. Ihrer Ansicht nach müsse der 31-Jährige die Möglichkeit bekommen, das Erlebte aufzuarbeiten. Der Beginn der Therapie sei sehr wichtig.
Eine Haftstrafe hätte ihm das verwehrt. Die hätte vom Gericht angesichts der Vorstrafen und der laufenden Bewährung verhängt werden können. Sechs Eintragungen, darunter auch Drogendelikte, sind vermerkt.
Doch der Vertreter der Staatsanwaltschaft forderte vier Monate Freiheitsstrafe, die zur Bewährung ausgesetzt werden könnten. „Wir sprechen von Taten, die in wenigen Monaten bei einer Legalisierung womöglich gar keine Strafen nach sich ziehen würden“, so der Anklagevertreter. „Ich bitte um Einsicht. Alles andere als eine nochmalige Bewährung macht keinen Sinn“, so der Verteidiger.
Richter Christoph Edler beließ es im Urteil bei einer Geldstrafe: 120 Tagessätze zu je 15 Euro sowie die Verfahrenskosten muss der Angeklagte begleichen. Der Giengener sei zwar kein „unbeschriebenes Blatt“, eine kurze Freiheitsstrafe sei zwar möglich, aber jedoch nicht zwingend nötig.
Cannabis auf Rezept
Die Möglichkeit, Cannabisarzneimittel zu verschreiben, wurde 2017 durch das Gesetz zur Änderung betäubungsmittelrechtlicher und anderer Vorschriften erweitert. Cannabisarzneimittel können seither im Einzelfall als Therapiealternative bei Patientinnen und Patienten mit schwerwiegenden Erkrankungen verschrieben werden.
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