Vor Metal-Piraten muss niemand Angst haben. Am vergangenen Samstag war zwar zu einer Nacht der Piraten in die Giengener Schranne eingeladen worden, die musikalischen Freibeuterinnen und Freibeuter erwiesen sich jedoch als durchaus zivilisiert. Anstatt das Bürgerhaus mit zwischen die Zähne geklemmten Messern zu entern, wie es das Abenteuerfilmklischee vorsieht, stellten sich die Gäste brav an der Kasse an und nahmen zur Begrüßung statt einer Buddel voll Rum einen schlüpfrigen Partyschnaps in Empfang.
Mehrere Hundert Besucher strömten so in die Schranne, um den zehnten Geburtstag der in Gerstetten ansässigen Plattenfirma El Puerto Records zu feiern. Und zumindest musikalisch wurde es dabei doch recht wild.
Schmutz, Charme und Urgesteine
Aus Backnang war „Dust & Bones“ herangeschippert. Das Quintett rüpelte sich durch eine schmutzverkrustete Mischung aus „Ramones“ und „Motörhead“, vorgetragen mit dem Charme eines verlausten Straßenhundes.
Auf dieser Welle stach im Anschluss „Witchbound“ in See. Die Band um die regionalen Metal-Urgesteine Stefan Kauffmann (Gitarre) und Peter Langer (Schlagzeug) war einst die erste, die einen Vertrag mit El Puerto Records unterschrieb, ihr Debüt „Tarot’s Legacy“ hatte die Katalognummer 1. Eine weitere Premiere hatte die Band vor gut anderthalb Jahren in der Schranne gefeiert: Damals trat „Witchbound“ erstmals mit dem Gesangsduo Natalie Pereira dos Santos und Jürgen G. Allert auf.
Mittlerweile sind die beiden bestens eingespielt und werfen sich die musikalischen Bälle gekonnt zu, während ihre Kollegen ihnen den Boden mit sattem Heavy Metal bereiten. Natürlich durfte dank der Vergangenheit von Kauffmann und Langer bei „Stormwitch“ auch ein Klassiker aus den 1980er Jahren nicht fehlen: „Russia’s on fire“ weckte augenscheinlich bei manchem Fan selige Erinnerungen.
An viele Konzertabende in der Schranne können sich auch die Anhänger von „Undertow“ erinnern. Eine wenig Verwirrung herrschte dennoch, denn anstelle der mittlerweile gewohnten Dreadlock-Peitschen des etatmäßigen Bassisten Andreas Hund wehte das Haupthaar eines anderen jungen Mannes durch die Luft. Frontmann Joachim Baschin lieferte die Erklärung: Hund spielte am selben Abend mit seiner anderen Band „End of Green“ in Dortmund, hatte aber einen Verwandten mit seiner Vertretung beauftragt.
Musik von „Spice Girl“ Mel C im Metal-Gewand
Nach zwei schnellen Stücken ließ sich „Undertow“ tempomäßig zurückfallen und begab sich mit einigen emotionalen Doom-Stücken in tiefe Wellentäler. Dass man „I turn to you“ von Ex-„Spice Girl“ Mel C covert, mag ursprünglich ein Scherz gewesen sein, aber der Song funktioniert in dieser brettharten Tränendrüsen-Version prächtig. Schlagzeuger Oliver Rieger agierte so engagiert, dass er die Gitarren von Baschin und Markus Brand phasenweise zu übertönen drohte, die Energieleistung trug aber dazu bei, die Stimmung im Publikum hochzuhalten.
Die härteste Band des Abends war „Mission in Black“, und es gliche dem Pflücken sehr tief hängender Äpfel, wenn man dem in der Region beheimateten Quintett den „Arch Enemy“-Stempel aufdrückte. Sicher, Sängerin Steffi Stuber beherrscht das Wechselspiel aus kehligem Knurren und hochmelodischem Klargesang meisterlich und die Gitarristen Daniel Tschoepe und Edwin Stübner pendeln wie die Schweden zwischen rasenden Death-Metal-Riffs und einprägsamen Melodien. Die eigene Note fehlt aber ebensowenig wie das Händchen für eine Extraportion musikalischer Brutalität. Präsentiert wurde all dies mit so viel Elan, dass sich die Musiker auf der Bühne beinahe über den Haufen rannten.
International wurde es nach Mitternacht, als der US-Amerikaner David Reece mit seiner Soloband loslegte. Man tut Reece Unrecht, wenn man ihn nur im Zusammenhang mit der deutschen Metal-Band „Accept“ nennt, mit der er Ende der Achtziger ein seinerzeit eher wenig beachtetes Album aufgenommen hat. Reece ist vielmehr stets rege geblieben und hat fortwährend Musik aufgenommen, zuletzt auch mehrere Solo-Alben auf El Puerto Records. Aber natürlich nahm das Publikum auch einige „Accept“-Songs dankbar an.
Neues aus der Metal-Szene
Einer der Gründer von El Puerto Records ist Torsten Ihlenfeld, ebenfalls Gründungsmitglied von „Brainstorm“. Mit dieser Band wird Ihlenfeld am 28. Februar 2025 das neue Album „Plague of Rats“ veröffentlichen, das erste mit Neuzugang Jim Ramses am Bass. Die regionale Metal-Szene hat ihr Pulver damit noch nicht verschossen: Anfang 2025 wird „Skull & Crossbones“ das zweite Album veröffentlichen.
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