Ausgesetzte Schildkröten finden bei Bettina Pleyer in Schnaitheim ein neues Zuhause
Griechische Landschildkröten, Breitrandschildkröten und eine Steppenschildkröte. Mit ihnen teilt sich Bettina Pleyer ihren Garten in Schnaitheim. 300 Quadratmeter für mehr als 15 Schildkröten. Das hat seinen Grund: Die 40-Jährige betreibt ehrenamtlich eine offizielle Pflegestelle für die gepanzerten Tiere. In Kooperation mit dem Tierheim in Aalen nimmt Pleyer regelmäßig Fund- und Abgabetiere auf. „Es kam aber auch schon mehrfach vor, dass ich einen Anruf von der Polizei bekommen habe, weil Passanten eine Schildkröte auf der Polizeiwache als Fundtier abgegeben haben, die sie im Wald oder irgendwo auf der Straße gefunden haben.“
Bettina Pleyer fährt dann los, um die Tiere abzuholen. Danach beginnt die knifflige Suche nach den Besitzern. „Im besten Fall meldet sich jemand in den Tierheimen in Aalen oder in Heidenheim.“ Problematisch wird es, wenn die Besitzer keine Papiere für die Schildkröten vorweisen und anhand von Bildern der Ober- und Unterseite des Panzers belegen können, dass die Schildkröte auch wirklich ihnen gehört. „Ich darf eigentlich keine Tiere rausgeben, wenn die Besitzer nicht nachweisen können, dass es ihre eigene Schildkröte ist“, sagt Pleyer.
Und wenn sich niemand meldet? Falls nach circa sechs Monaten noch kein Besitzer gefunden wurde, kann Pleyer die Fundschildkröten an neue Besitzer weitervermitteln. „Ich bin nicht nur Pflegestelle, ich stehe jedem mit Rat und Tat zur Seite, der gerne Schildkröten bei sich aufnehmen würde oder Fragen zur Schildkrötenhaltung generell hat.“
Artgerechte Schildkrötenhaltung: Das muss man beachten
Apropos: Wie hält man eine Schildkröte denn eigentlich artgerecht? Ein Gehege sollte pro Schildkröte zehn Quadratmeter groß sein, sagt die 40-Jährige. Optimal sei auch, wenn ein Gewächshaus integriert ist, in dem man Wärmelampen anbringen kann. Bei Temperaturen unter 15 Grad Celcius im Freien setzten sich die Tiere gerne unter die Lampen, um auf Betriebstemperatur zu kommen. Zudem sollten die Schildkröten jederzeit Gelegenheit haben, ins Freie zu gehen, wenn es die Temperaturen zulassen. Von Frühling bis Herbst, so Pleyers Erfahrung, verbrächten die Tiere das Jahr im Freien, bis man sie dann ab Mitte Oktober auf die Winterstarre vorbereite. Diese verbrächten sie entweder in Plastikkisten in unterkellerten Garagen oder in Kisten, gefüllt mit Erde und trockenen Buchenblättern, in Gewächshäusern. "Manche Besitzer überwintern sie auch im Kühlschrank", sagt Pleyer.
Im Garten der Schnaitheimerin tummeln sich im Moment elf eigene Schildkröten, drei Fundtiere und ein Tier zur Urlaubsbetreuung. „Das ist eine kuriose Geschichte", sagt Pleyer. "Meine Urlaubsschildkröte wurde mir erst als Fundtier vom Tierheim in Aalen weitervermittelt. Der Besitzer konnte aber ausfindig gemacht werden. Und er hat mich dann am Telefon gefragt, ob ich die Schildkröte nicht noch für zwei Wochen behalten könnte, da er die nächsten Tage in Urlaub fahren wollte. Natürlich habe ich da nicht Nein gesagt“, ergänzt Pleyer mit einem Lächeln auf dem Gesicht.
Ein an Leukämie erkranktes Kind und Schildkröte Fred
Es gibt aber auch Geschichten, die die 40-Jährige tief betroffen gemacht haben. „Ich bekam vor kurzem einen Anruf von einer Familie aus Zöschingen, die gerne eine Schildkröte bei sich aufnehmen wollte.“ Der Hintergrund: Beim dreijährigen Sohn der Familie war im Dezember vergangenen Jahres Leukämie diagnostiziert worden. Jetzt wünschte sich das Kind nichts sehnlicher als eine Schildkröte, um sich während der schlimmen Zeit der Chemotherapie um ein Tier kümmern zu können. Pleyer zögerte nicht lange und stimmte einer Vermittlung zu. Innerhalb von zwei Wochen wurde ein artgerechtes Gehege für das Tier gebaut - kurze Zeit später konnte Schildkröte Fred bei der Familie einziehen. „Als ich die Schildkröte dem kleinen Jungen und seiner Familie übergeben habe, hatten wir Erwachsenen alle Tränen in den Augen. Der Junge strahlte über das ganze Gesicht und hat sie gleich in ihr neues Gehege gesetzt und sie beobachtet.“
Auch eine Anfrage des Aalener Tierheims ist Pleyer im Gedächtnis geblieben. Hier ging es um den letzten Wunsch eines älteren, schwerkranken Mann, der mittlerweile verstorben ist. Er suchte für seine drei über 55 Jahre alten Schildkröten einen Platz, an dem sie bis an ihr Lebensende (Schildkröten können 80 Jahre alt werden) bleiben dürfen. Auch hier zögerte Pleyer nicht lange und nahm Kontakt zu ihm auf. „Diesem Mann seinen letzten Wunsch zu erfüllen, war für mich selbstverständlich“, sagt Pleyer.
Mein Tag sollte definitiv mehr als 24 Stunden haben, ich habe immer was zu tun.
Bettina Pleyer, ehrenamtliche Schilkrötenhelferin
Erzählt die 40-Jährige von ihren Schildkröten berichtet, strahlen ihre Augen. Man spürt ihre Begeisterung für die gepanzerten Tiere. Wie diese Leidenschaft anfing? „2019 waren wir bei einem befreundeten Ehepaar zu Besuch, welches mehrere Schildkröten hatte. Diese Tiere hatten auf mich immer schon eine magische Wirkung. Ich kann sie stundenlang beobachten, sie strahlen auf mich eine Ruhe aus, die mich in meinem stressigen Alltag erdet und mich selbst zur Ruhe kommen lässt“, sagt Pleyer. Auch ihre Tochter Joolie, mittlerweile elf Jahre alt, war damals von den Tieren in ihren Bann gezogen und überglücklich als die Bekannten ihr eine Schildkröte geschenkt haben. Schnell richtete die Familie damals ein Gehege für die griechische Landschildkröte Max ein.
Schildkröten-Ehrenamt: Zeitintensiv und mit Kosten verbunden
Aktuell arbeitet Bettina Pleyer hauptberuflich stundenweise als Tierheimmitarbeiterin in Aalen. Zusätzlich hilft sie ihrem Mann, der selbstständig ist und Photovoltaikanlagen auf Dächern installiert, bei der Buchhaltung oder auch auf den Baustellen. Hauptsächlich ist die 40-Jährige aber Mutter von drei Kindern und hat auch noch drei eigene Hunde. „Mein Tag sollte definitiv mehr als 24 Stunden haben, ich habe immer was zu tun“, berichtet sie mit einem breiten Grinsen auf dem Gesicht. Pleyers ehrenamtliche Arbeit für die Schildkröten ist freilich nicht nur zeitintensiv, sondern auch mit Kosten verbunden. Für die Anschaffung von Gewächshäusern, Gehegen und Wärmelampen etwa, hinzu kommen Tierarztkosten. „Jede meiner Schildkröten wird zwei Mal im Jahr von einem Tierarzt durchgecheckt. Vor der Winterstarre müssen die Tiere entwurmt werden, damit sie den Winter gut überstehen und nicht von Würmern innerlich aufgefressen werden."
Nicht alle Schildkrötenbesitzer kümmern sich ähnlich gut um ihre Tiere. So berichtet Pleyer etwa von Schildkröten, denen Löcher in den Panzer gebohrt wurden, um sie gegebenenfalls anzuleinen. „Das muss kein Todesurteil für die Schildkröten sein, aber es zerreißt mir jedes Mal das Herz“, sagt die Schnaitheimerin. „Ich kann nicht die ganze Tierwelt retten, aber wenn jeder einen Teil dazu beiträgt, jeder achtsamer durch den Tag geht, dann ist vielen Tieren schon geholfen.“
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