47 Grad Celsius und keine Vorstellung davon, was mich erwartet, mögen im ersten Moment nicht die einladendsten Rahmenbedingungen sein. Dennoch habe ich mich im Juni dieses Jahres entschieden, für ein Praktikum nach Riad, Saudi-Arabien, in die Niederlassung eines Bauunternehmens aus der Region zu gehen. Bis dahin wusste ich nicht viel mehr, als dass Saudi-Arabien ein attraktiver wirtschaftlicher Standort ist und in den kommenden Jahren an Bedeutung gewinnen wird.
Gina Stelzer wird Teil eines internationalen Teams
Meine Mission vor Ort besteht darin, eine Marketing- und Kommunikationsstrategie für die Niederlassung zu entwickeln, die den Erwartungen der Kunden gerecht wird. Dadurch habe ich die Möglichkeit, viele Menschen kennenzulernen. Und die Gastfreundschaft überrascht mich immer wieder aufs Neue. Auch in meinem Team, mit Kollegen aus Indien, Pakistan, Jordanien, Ägypten, bin ich super aufgenommen worden. Aufgrund des Aufschwungs, den Saudi-Arabien in den vergangenen Jahren erlebt hat, ist es, vor allem im asiatischen Raum, ein attraktiver Arbeitsmarkt geworden. Denn Arbeit gibt es reichlich, vor allem aufgrund der zahlreichen Bauprojekte.
NEOM, auch bekannt als "The Line", ist eine 170 Kilometer lange und 200 Meter breite Stadt quer durch die Wüste: Nur eines der zahlreichen Megaprojekte, die dort im Moment entstehen. Die Vision 2030 hat zum Ziel, Saudi-Arabien wirtschaftlich und touristisch attraktiv zu machen und nachhaltig unabhängiger von Öl zu werden.
Geplant werden Projekte mit Superlative-Charakter, darunter der größte Golfplatz der Welt, die schnellste und längste Achterbahn, der weltweit größte Park (mitten in der Wüste) und ein Würfel mit der Größe von 200 Empire-State-Buildings, der mit schwebenden Felsen und rauschenden Wasserfällen ein zukünftiges Reiseziel werden soll. Nicht zuletzt konnte Saudi-Arabien kürzlich die Expo 2030 für sich gewinnen, was die strategische Ausrichtung weiter stärkt.
So viel Veränderung, und Umbruchstimmung reißt mit. Und das nicht nur im Bau, sondern auch in der Gesellschaft. Im ersten Moment mag das Gesamtbild aufgrund der kulturellen Unterschiede etwas ungewöhnlich sein, da viele die traditionelle Kleidung tragen. Doch dies ist mittlerweile keine Vorgabe mehr, sondern eine individuelle Entscheidung. Was mir total gefällt, ist, dass sich das Leben so viel draußen abspielt, vor allem abends und bis spät in die Nacht. Es gibt eine unglaubliche Auswahl an Restaurants und schönen Cafés. Der Verkehr in Riad ist verrückt, anscheinend gibt es schon mehr Regeln als in den vergangenen Jahren, aber noch bei weitem nicht genug.
Für mich ist Saudi-Arabien heute viel mehr als nur ein attraktiver Wirtschaftsstandort, sondern ein attraktives Land geworden. Es ist ein Ort, der innovatives Denken fördert und uns dazu anregt, eine Zukunft zu envisionieren, die größer, weitläufiger und schneller ist. Es ist der Ort, an dem man lernen kann, aus der Box zu denken.
Letztendlich sind bei sechs Prozent Luftfeuchtigkeit und fast perfekt funktionierender Kühlkette sogar 47 Grad – drinnen – sehr gut auszuhalten. Ich bin im Moment in Deutschland, um noch einige Prüfungen zu schreiben und auch Weihnachten hier zu verbringen, da es das dort nicht gibt, werde aber nach Weihnachten wieder zurück in Riad sein. Die zwei Straßenkatzen, die ich bei mir aufgenommen habe, warten schon.