„Setzt euch wieder. Sonst zischt's mich“, die Formulierung kann in die Reihe berühmter letzten Worte aufgenommen werden. Sie fielen am Samstagabend im Congress-Centrum, und Sebastian Jäger, der Moderator des Abends, kommentierte damit die Ovationen des Publikums am Ende des Abends. Denn das Publikum stand wieder und wieder auf, um Beifall zu zollen für das Konzert, für 15 Jahre „MA’cappella“ und schließlich auch, um die letzte Gelegenheit dafür zu nutzen: Es war das Abschiedskonzert des Vokalensembles.
Nach den Beatles, Abba und Take That nun auch „MA’Cappella“, die aus der Kulturmulde des Werkgymnasiums zu den Gesangstars der Region geworden sind. Dass das nicht übertrieben ist, zeigt der hohe Zuspruch, den das Ensemble bei ihrem Abschiedskonzert erfahren durfte: Voll besetzt war das Congress Centrum, also knapp 1300 Zuhörer wollten es sich nicht nehmen lassen, bei diesem letzten Mal dabei zu sein. „Das ist das größte Geschenk“, dankte Sebastian Jäger und die Dankbarkeit war bei ihm und seinen Gesangskollegen über das ganze lange Konzert zu spüren.
Lieblingslieder aus 15 Jahren
Und wenn auch das doch traurig stimmende „letzte Mal“ über dem ganzen Abend lag, so erlebte das Publikum, darunter neben den Eltern der sechs Sänger viele Förderer („unser Musiklehrer ist auch da“), Weggefährten und Freunde, doch „MA’cappella“ vom Feinsten: live, authentisch, musikalisch und mit einem Programm aus ihren Lieblingsliedern aus den 15 Jahren ihres Schaffens. Darunter Eigenkompositionen wie das eröffnende „Hier kommt die MA’Cappella-Show“, bei dem das Publikum bereits aus dem Häuschen geriet und ohne Zögern mitmachte, wie auch die Arrangements von bekannten Hits und Liedern, wie beispielsweise „Hide and Seek“ von Imogen Heap, das sehr deutlich zeigt, welchen Anspruch das Ensemble zu leisten in der Lage ist und welchen Anspruch die Männer auch an sich selbst haben.
Das ist letztlich auch der Grund, warum sie einen Schlussstrich unter „MA’cappella“ ziehen: Denn die sechs sind eben nicht mehr vereint in der Kulturmulde, in der Schule im Großen Chor des Werkgymnasiums, wo alles begann, sondern mittlerweile in Stuttgart, München, Dresden, demnächst sogar Niederlande – Daniel Schmid wird im Netherland Radio Choir tätig sein – verstreut und da wird das gemeinsame Proben zur kniffligen Herausforderung für die Terminkalender, die bei allen reich gefüllt sind.
Anspruch und viel Humor
Umso mehr genoss das Publikum nochmals die typischen „MA’cappella“-Versionen ganz unterschiedlicher Stilrichtungen: „Rosanna“, „Danny Boy“, „Billie Jean“, deren Kind mittlerweile auch das Schwabenalter erreicht hat, von „Ein Freund, ein guter Freund“, „Ohne Dich schlaf’ ich heut‘ Nacht nicht ein“, die legendäre „Romanze“ unter dem romantischen Vollmond. Ganz besonders galt das für diejenigen, die das „Letzte Mal“ sehr treffend unterstrichen: „Nearer my god to thee“, „My way“ und „Amazing Grace“ gerieten im Wissen um den Abschied von der liebgewordenen Truppe noch berührender als sonst der Fall.
Freilich fehlte auch der Humor nicht. Bariton Gerrit Illenberger, mittlerweile arrivierter Opernsänger und auch bei den Opernfestspielen Heidenheim im Einsatz, Counter-Tenor Jan Jäger, im Hauptberuf Leiter der Musikschule Steinheim und Tausendsassa, Beatboxer, Moderator und „Only you“-Interpret Sebastian Jäger, nicht minder vielseitig im Einsatz unter anderem als Dirigent und Schlagzeuglehrer, Nicolas Köhler, Bass und im Übrigen promovierter Physiker und darüber hinaus Cellist, Jens Schauz, Bass, Komponist und Lehrer unter anderem für Musik und Tenor Daniel Schmid, Mitglied im SWR-Vokalensemble und demnächst wohl Wahl-Holländer, gaben noch einmal alles von dem, was ihr Ensemble ausmacht: Freundschaft, Humor und ihre ganze Leidenschaft für Musik und ihre Freude, das im A-cappella-Gesang umzusetzen, gekonnt, anspruchsvoll und immer mitreißend. Diese sechs Vollblutmusiker sind das beste Beispiel dafür, was Musikunterricht bewirken kann. „Im Großen Chor haben wir entdeckt, wie viel Spaß das macht, gemeinsam zu singen“, ließ Sebastian Jäger das Publikum an den Anfängen teilhaben, „wir wollten viel mehr davon. Und viel länger“.
Kopfkino mit Gruppenduschen
Neben ihren Lieblingsliedern teilten die Sänger auch reichlich Erinnerungen aus 15 Jahren Ensemblegeschichte. Und so erfuhr das Publikum, dass zu den schönsten Erlebnissen nicht nur der Auftritt im Naturtheater unter freiem Himmel, die CD-Aufnahmen und die Chorfreizeiten, sondern auch das „Gruppenduschen in Malaga“ gehörte – ein bisschen Kopfkino fürs Publikum, auch das sind die Sänger von „MA’cappella“, die ganz bodenständig mit dem Publikum plaudern, herzlich den 90-jährigen Opa im Publikum begrüßen und Karin zum Tänzchen auf die Bühne holen.
„The lion sleeps tonight“ war dann das ultimativ letzte Lied, das an diesem Abend und von „MA‘cappella“ jemals live zu hören sein wird. Vielleicht auch nicht – vielleicht wird ja der eine oder andere Zuhörer vom Angebot Gebrauch machen, das Ensemble zum Singen aufzufordern, wenn man es in einem Restaurant antrifft – München, Stuttgart, Dresden, Niederlande, Heuchlingen wären da ein paar Anlaufstellen. Ansonsten gibt's noch die Konserve: Die CDs des Ensembles lassen sich auch prima als Abdeckung für Drinks gegen Mücken nutzen, so die Empfehlung von Sebastian Jäger. Hören übrigens auch.
Der Löwe mag geschlafen haben in dieser Nacht, von den sechs Sängern ist dies nicht anzunehmen. Bestimmt werden sie noch ihren fulminanten letzten Auftritt ausgiebig gefeiert haben, um diesen als Krönung zu ihren vielen Erinnerungen hinzuzufügen. Und auch das Publikum wird dieses großartige letzte Konzert in bester Erinnerung behalten. Denn das hat auch das Publikum ganz schön gezischt.