Abschiedskonzert

Wie die Stumpfes in der Heidenheimer Waldorfschule ein letztes Mal zogen und zupften

Im voll besetzten Saal der Waldorfschule wurde ausgelassen gefeiert: „Herrn Stumpfes Zieh und Zupf Kapelle“ gab ein Abschiedskonzert.

Es gibt nicht mehr viele, die in As-Dur singen. Das ist die Tonart mit den vier „b“ als Vorzeichen, also das Autokennzeichen, das Brigitte Bardot hätte, wenn sie in Böblingen leben würde, wenn es ihr nicht Boris Becker wegschnappt. Und es gibt noch weniger, die das Genre der skrupellosen Hausmusik bedienen können. Eigentlich nur ein Ensemble, das nämlich, für das die Stilrichtung erfunden wurde: „Herrn Stumpfes Zieh & Zupf Kapelle“. Und die gibt es ja auch nicht mehr lange. Am Samstagabend aber zogen und zupften sie noch mal in schönster Skrupellosigkeit: In der Waldorfschule gaben sie im Rahmen ihrer Abschiedstournee ihr letztes Stelldichein in Heidenheim.

Dass da das Publikum in Scharen herbeiströmen würde, das war abzusehen. Und so war auch in der Waldorfschule kein Platz leer geblieben, um noch einmal in der einzigartigen Mischung aus fachkundig kompostierter Musik, pointierten Texten, qualifiziertem „Läddagschwätz“ und eben As-Dur zu schwelgen. „Kompostiert“ ist übrigens kein Schreibfehler, sondern genau so gemeint: Das Rezept der Stumpfes besteht darin, hieß es, das Wesentliche aus der Musik herauszuholen und den „Kruscht“ wegzulassen. So einfach ist das.

Französisch gebruddelt

Dieser Kompost wirkt nun seit 33 Jahren, in denen die Stumpfes mit ihrer skrupellosen Hausmusik zahllose Lacher generiert, Fans gewonnen und immer wieder als Kulturbotschafter für das ganze „Ländle“ im Einsatz waren.  Der Abend in der Waldorfschule zeigte noch einmal genau, warum das so ist: Weil einfach alle Spaß haben, auf der Bühne und davor, ganz gleichgültig, ob nun die bekannten Stumpfes-Klassiker gespielt wurden oder Lieder von ihrer neuen CD „Egalwosnogoht“, wie zum Beispiel der Jürgen, der alles okay findet, als Gegenmodell zu dem Jürgen, der einfach an allem rumbruddelt. Das tat im Übrigen auch das Publikum, und zwar auf Französisch, um neben Rotlicht und Nebel aus der Zigarette für das richtige französische Flair bei „J’aime les filles“ zu sorgen. Und die Stumpfes sind wohl die einzigen, die in ihren Liebesliedern Wendungen wie „Hau ab, du blöde Kuh“ und „Du siehsch aus wie d’Sau“ verwenden, wie es sicher auch Charles Aznavour formuliert hätte, wenn er denn des Schwäbischen mächtig gewesen wäre.

Stumpfes spielten, sangen, scherzten, und alles war wie immer, wie man sie schon so oft erleben durfte. Marcel „Selle“ Hafner köchelte sein leckeres „Linsengericht“, Manfred „Manne“ Arold wünschte herzhaft „Ich wär so gern wie du“ und zog leidenschaftlich sein Akkordeon, Benny „Banano“ Jäger zupfte seinen Bass stehend, sitzend und liegend, verteilte großzügig Vesperbrote respektive eine Banane als veganes Vesper und den wohl 1000. Band des Gästebuchs der Band, und Michael „Flex“ Flechsler brachte wieder so tierisch gut den Hund zum Röcheln, der da gleichermaßen vor der Kneipentoilette als auch auf Lou Reeds „Wild Side“ lag. Und wenn sie sich auch uneins waren, ob es nun „Hoidna“ oder „Hoirna“ heißt, so kennen die drei Aalener, der Erpfenhausener ohnehin, doch die Stadt bestens: „Schmach und Schande in Mergelstett“ beispielsweise ist ihnen wohl ebenso zu Ohren kommen wie die abnehmende Gastronomie: „Es gibt koi Wirtschaft em Flecka mehr“. Viel zu schnell verging die Zeit mit dem bunten Querschnitt durch das Stumpfe-Gesamtwerk, der das Publikum immer wieder zu Beifall, Mitsingen und vor allem viel, viel Lachen herausforderte.

Abschied in der Luft

Alles wie immer? Nicht ganz. Bei aller Freude und Ausgelassenheit über das wieder einmal besondere Live-Erlebnis lag doch der Abschied in der Luft. Und das tut fast genauso weh, als würde man sich den Laden ans Tischeck schlagen. Ohne zu scherzen: Das sind Schmerzen. Und da ist es vielleicht ganz gut, dass das „Bemberle“, von Beginn an zum Markenzeichen Stumpfescher skrupelloser Schaffenskraft geworden, dieses Mal nicht mit von der Partie war. Wenn die Wehmut schon zu spüren ist, dann braucht über den Schmerz ja nicht auch noch gesungen zu werden. Auch nicht dabei: „Bei euch“, denn das mit dem dort beschriebenen „nächsten Mal“ ist nun gerade nicht der Plan der Band.

Aber wie das so ist mit Plänen: Das Konzert war so rasend schnell ausverkauft gewesen, dass aus dem geplanten letzten Mal nun doch das vorletzte geworden ist. Am 21. November 2025 wird Herrn Stumpfes Zieh und Zupfkapelle jetzt das letzte Mal in Heidenheim live auftreten, wieder in der Waldorfschule, bevor dann Ende 2025 die Abschiedstournee abgeschlossen wird und endgültig das allerletzte Ziehen und Zupfen erfolgt. Und jetzt nur so eine Idee: Wenn das Konzert im nächsten Jahr wieder in Windeseile ausverkauft ist, dann müsste ja der bisherigen Systematik folgend noch ein weiteres Konzert terminiert werden. Und wenn die Karten dafür dann auch ruckzuck weggehen, dann das nächste – und dann blieben die Stumpfes für immer. Skrupellose Hausmusik darf schließlich nicht untergehen. Ganz zu schweigen vom Singen in As-Dur.

Liederbuch zum Abschied

Um zumindest zu Hause noch skrupellose Hausmusik zu hören, gibt es die jetzt 14 CDs, zwei DVDs und neuerdings auch ein Liederbuch. Als Abschiedsgeschenk hat „Herrn Stumpfes Zieh und Zupf Kapelle“ alle seine Lieder von „Abandasee“ bis „Zieh und Zupf Kapell“ mit Gitarrengriffen in einem Liederbuch zusammengestellt für alle, die sich selbst in skrupelloser Hausmusik probieren wollen. Der Vorteil: Die Musik ist bereits kompostiert, also der „Kruscht“ ist bereits weggelassen.

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