So arbeiten ehrenamtliche Katzenhelfer im Kreis Heidenheim
Sie sind viele. Wie viele genau lässt sich unmöglich sagen. Denn zu Gesicht bekommt man sie selten. Streunerkatzen sind menschenscheu, bleiben lieber auf Abstand. Sogar zu Heide Hecht, die sich unter anderem in Heidenheim, Gerstetten, Gussenstadt und Heuchstetten regelmäßig um die freilebenden Tiere kümmert. „Die kriegt man nicht mehr zahm“, sagt die 72-jährige Heidenheimerin.
Kein Streicheln, kein Schmusen. Darum geht es aber auch gar nicht. Hecht zählt zu einer Gruppe Ehrenamtlicher, die verwilderte Hauskatzen im Kreis Heidenheim mit Futter versorgen, einfangen und zum Tierarzt bringen. Ziel ist es, die Streuner zu kastrieren, bevor sie zurück an Ort und Stelle gebracht werden, um so deren unkontrollierte Vermehrung zu verhindern. „Dieses Elend muss man nicht haben“, sagt Hecht und spricht von kleinen Kätzchen mit verklebten Augen und Katzenschnupfen, Katern mit Kampfverletzungen und abgemagerten Tieren. „Es sind so viele, die scheußlich gestorben sind!“
So sieht der Alltag einer ehrenamtlichen Katzenhelferin aus
Dreimal pro Woche ist Hecht auf Füttertour unterwegs. Zum Beispiel am Zanger Berg in Heidenheim: Am Rand der Wohnbebauung, verborgen zwischen Bäumen, steht dort ein hölzernes Häuschen auf einer Palette. Heide Hecht hebt den Deckel an und tauscht eine leere gegen eine volle Schüssel Nassfutter. „Gerade Streuner brauchen viel Energie“, sagt die Rentnerin. Als kleines Leckerli gibt es deshalb noch ein Schüsselchen Milch dazu. Das Wasser kann sie sich an diesem Tag sparen – es regnet.
Insgesamt neun solcher Stationen fährt die 72-Jährige, die früher als medizinisch-technische Assistentin im Labor des Krankenhauses gearbeitet hat, an. Mittwochs macht sie ihre große Runde, ist von 10 bis 16.30 Uhr unterwegs. Dann wird nicht nur gefüttert, sondern auch geputzt. „Das alles kostet enorm viel Zeit“, sagt Hecht. „Und Sprit.“ Rund 230 Euro gibt sie pro Monat für ihre „Katzenfahrten“ aus, finanziert aus eigener Tasche und mit Hilfe von Spenden. Beim Katzenfutter ist es ähnlich. „Das bekomme ich größtenteils über Spenden.“
Warum sich die Heidenheimerin diesen Stress antut? Warum sie seit Jahren kaum länger als ein paar Tage im Urlaub war? Das muss man nicht verstehen. Anerkennen aber sehr wohl. Seit knapp 30 Jahren setzt sich Hecht für die herrenlosen Tiere, allesamt Nachkommen entlaufener oder ausgesetzter Katzen, ein. Früher neben dem Beruf, mit Mann und Kindern zuhause. „Damals waren es wesentlich mehr Tiere“, erinnert sich Hecht. Inzwischen sieht sie mancherorts die Früchte ihrer Arbeit.
Warum es mit der Kastration allein nicht getan ist
Beispielsweise rings um einen Heidenheimer Bauernhof, wo im Jahr 2005 noch gut 30 Katzen lebten. Hecht sagt: „Heute sind es noch drei.“ Oder an einer Futterstelle etwas abseits von Gerstetten, die dort seit 28 Jahren besteht. „Von hier wurden über die Jahre 25 Katzen kastriert“, sagt Hecht, mittlerweile liege die Streuner-Population in dem Areal bei nur noch vier Tieren. Der Arbeitsaufwand ist dort weniger geworden. Allein mit der Kastration der Streuner ist es aber nicht getan: „Eine Katze lebt ja über Jahre“, sagt Hecht. Bis sie eines hoffentlich natürlichen Todes sterben, werden die Tiere also gefüttert. Von Hecht und vielen anderen, die teilweise tageweise aushelfen. Gleichzeitig behalten die Ehrenamtlichen im Blick, ob an der Stelle neue, unkastrierte Katzen hinzukommen.
Auch an der Futterstelle am Zanger Berg ist die 72-Jährige schon vorangekommen. Erst lockte sie die Katzen mit Futter langsam, in Etappen, immer weiter vom bebauten Gebiet weg. Im Januar dann gelang es, die fünf verbliebenen Tiere einzufangen und kastrieren zu lassen. „Teilweise bin ich bei solchen Aktionen an meine Grenzen gekommen“, sagt Hecht. Etwa dann, wenn sie an einem der Brennpunkte über Monate hinweg daran gearbeitet hat, 30 Katzen zu locken und zu fangen.
Von ewigen Besserwissern - und was wirklich helfen würde
Das Zeitfenster für die Kastrationen ist ohnehin eng. Die Katzen dürfen zum Zeitpunkt des Eingriffs nicht trächtig sein oder Nachwuchs säugen. „Von Mitte/Ende Oktober bis Ende Januar können wir fangen und kastrieren“, sagt Hecht. Aber freilich gilt das nur für herrenlose Tiere oder mit Erlaubnis des Besitzers, das Grundstück zu betreten. „Es gibt ganz tolle Landwirte, die ihre Tiere selbst zum Tierarzt fahren, um sie kastrieren zu lassen“, sagt Hecht. Aber auch die Unbelehrbaren und ewigen Besserwisser gibt es. Diejenigen, die sagen, dass ihnen die Katzen nicht gehören. Oder die der Meinung sind, dass kastrierte Katzen weniger Mäuse fangen.
„Die sehen gar nicht, dass ihre Tiere so mager und schwach sind, dass sie gar keine Mäuse fangen können“, sagt Hecht. Auch die Argumentation, wonach die Natur das alles schon regeln würde, lässt die Heidenheimerin immer wieder betroffen zurück. Aber nicht sprachlos. „Man muss den richtigen Ton finden“, sagt Hecht, pragmatisch sein, kompromissbereit, einen langem Atem haben. Den ein oder anderen hat die 72-Jährige über die Jahre hinweg schon „bekehren“ können. Trotzdem gibt es noch sehr viel Arbeit im Kreis Heidenheim. Sei es auf Höfen in Königsbronn, auf dem Härtsfeld oder in Herbrechtingen samt seinen Teilorten. Hecht sagt: „Wir haben den Tieren doch sowieso schon ihren Lebensraum genommen. Da ist es doch besser, wenn wir wenigen Tieren ein gutes Leben geben.“
Was aus ihrer Sicht besonders helfen würde, die Katzenpopulation in den Griff zu bekommen? Eine Kastrationsverordnung, die vorschreibt, dass Freigänger-Katzen kastriert sein müssen. Kommt ein Besitzer dieser Vorgabe nicht nach, haben die Ehrenamtlichen und das Tierheim mehr Handhabe. In der Folge, so Hechts Hoffnung, würde die Streunerpopulation weiter sinken, weniger Fundtiere im Tierheim landen, Kommunen und Tierheim Geld sparen. „Ich hoffe, dass ich das zu meinen Lebzeiten noch mitkriege“, sagt Hecht.
Erstes Treffen der "Katzenmenschen"
Im Kreis Heidenheim kümmern sich neben Heide Hecht noch viele andere Personen um die Kastration und das Wohlergehen der Streunerkatzen. Manche investieren wie Hecht sehr viel Zeit in die Betreuung mehrerer Futterstellen. Andere kümmern sich tageweise um einzelne Stellen. Wieder andere stellen ihr handwerkliches Geschick für den Bau der Futterhäuschen zur Verfügung. Bei einem ersten Treffen der „Katzenfrauen“ und „Katzenmänner“ in Nattheim haben sich die Ehrenamtlichen jetzt miteinander ausgetauscht. Ziel ist die bessere Vernetzung, einander auch über Gemeindegrenzen hinweg besser aushelfen zu können, die Arbeit zu koordinieren und effizienter zu machen.
Großes Thema war auch hier der Wunsch nach einer Kastrationspflicht für freilaufende Katzen. Ohne diese Vorgabe seien den Katzenfreunden die Hände gebunden, berichtet die Bissingerin Tamara Schwab von dem Treffen. „Einige Katzenfrauen und -männer sind bereits an ihre Grenzen gekommen. Finanziell, seelisch und körperlich.“ Ständig renne man einem Ziel hinterher, komme aber nicht weiter. „Wir brauchen dringend und umgehend die Kastrationspflicht für Katzen. Ohne kann dieses Elend nicht eingedämmt werden.“
Weitere Helfer sind willkommen. Wer sich für die ehrenamtlichen Einsatz zur Hilfe der Katzen interessiert, kann sich beim Kreistierschutzverein Heidenheim melden unter Tel. 07321 41100 oder bei Heide Hecht unter Tel. 0176 8048 8194.