Die Veranstalter des Fördervereins Neue Musik waren sichtlich erfreut, dass trotz eines bedrückenden Themas der Saal der Musikschule fast vollständig gefüllt war. Drei herausragende Musiker boten „Aus Verfolgung und Exil – Lieder aus Theresienstadt“ dar. Den Abend eröffneten an der Klarinette Stefan Blank, stellvertretender Leiter der Musikschule Heidenheim, und die preisgekrönte Sopranistin und Gründerin des „Liederfrühlings“, Theresa Maria Romes.
Schnell war das Publikum hineingezogen in eine Atmosphäre von Bedrückung und Aufschrei. Sowohl die Klänge der Klarinette, manchmal schrill-dissonant, dann wieder versöhnlich und spielerisch, als auch Romes präsentierten jedes Lied derart mitreißend und bedrückend, dass eine Gänsehaut das Publikum überkam.
Lieder in englischer Sprache geschrieben
Die 1955 geborene US-amerikanische Komponistin Lori Laitman hat neben dem Holocaust-Oratorium „Vedem“ (2019) Gedichte von Jugendlichen aus dem Konzentrationslager Theresienstadt vertont. Diese auf Englisch geschriebenen Lieder aus dem Zyklus „I Never Saw Another Butterfly“ („Ich sah niemals wieder einen Schmetterling“), komponiert 1996 für Klarinette und Sopran, waren auf eine Weise berührend, verzweifelt, anklagend und zugleich von der Realität der Jugendlichen im Lager zeugend, dass das Publikum oftmals zwischen den Stücken Stille währen ließ und nur selten, dafür umso ausdrucksstärker dem Applaus für die Vorträge Raum gab.
Ein Programm mit deutschen Übersetzungen lag aus. Aber was Romes und Blank vortrugen, hatte eine Intensität, die auch ohne genaue Textkenntnis abgrundtiefe Verzweiflung spüren ließ. Immer wieder ragten einzelne Worte und Passagen heraus: „Der Letzte, der Allerletzte!“, „Schmetterlinge leben nicht im Ghetto“, „Wenn die Blüte erblüht, wird der kleine Junge nicht mehr sein“.
60.000 Gefangene im Lager
In einem bedrückenden Lichtbildvortrag erläuterte der Vorsitzende der Stiftung Zeitgenössische Musik, Werner Glatzle, die Zustände im Konzentrationslager Theresienstadt, Terezín, in Tschechien. In dem Sammellager – Durchgangsstation, „bis in Auschwitz Platz war“ – lebten, vielmehr hausten, statt ein paar Tausend Menschen 60.000 Gefangene. Die SS nutzte Theresienstadt, wo gehungert, gefoltert und gestorben wurde, als „Vorzeigelager“ samt Propagandafilm, um der internationalen Öffentlichkeit und Vertretern des Roten Kreuzes noch im April 1945 vorzugaukeln, es sei alles Friede, Freude, Butterblume. Alle Mitwirkenden wurden anschließend vergast.
Diese Realität veröffentlichten im Lager inhaftierte Jugendliche heimlich als Gedichte und Zeichnungen. Auch Werke dort internierter Musiker wie Viktor Ullmann und Mieczysław Weinberg konnten gerettet werden und waren nun zu hören.
Oratorium voller Wehmut
Im Verlauf des Konzerts kam die erfahrene und gefühlvolle Pianistin Claudie Schulz hinzu, was die Lieder, nun teils in Jiddisch vorgetragen, noch einmal intensiver vermittelte. Szenen aus Laitmans Holocaust-Oratorium „Vedem“, benannt nach der heimlichen Zeitschrift der Jugendlichen im Lager, beschlossen den Abend: bedrückend, hintergründig, voller Wehmut und Abschied von einem Leben, in dem diese Kinder nie alt werden würden. Bewegend die Zeilen „Mutter, umarme mich!“ oder „Lebe wohl, Sommer“. Das Publikum spendete nach einer langen Stille ebenso langen Applaus.
Theresa Maria Romes bei den Opernfestspielen
Das Forum Neue Musik wartet mit weiteren Veranstaltungen auf: Am 26. April in der Musikschule Aalen und am Tag darauf in der Musikschule Heidenheim gibt es „Humor in der Neuen Musik“. Im Rahmen der Opernfestspiele wird am 28. und 29. Juni im Heidenheimer Lokschuppen der zeitgenössische Komponist und Künstler Jeff Beer vorgestellt. Die Sopranistin Theresa Maria Romes ist bei den Opernfestspielen in der Oper „Elektra“ von Richard Strauss zu hören, außerdem am 13. September bei „Canzoni italiane“ im Herbrechtinger Heimatmuseum.