Es ist jedes Mal ein Wunder. Auch für jemanden so erfahrenen wie Ina Hampe. Nach all den Jahren als Hebamme kommt sie nicht aus dem Staunen heraus, wenn ein Kind heranwächst und schließlich das Licht der Welt erblickt. Trotz aller Routine, allem Wissen, aller Alltäglichkeit siegt die Ehrfurcht. Die Nattheimerin beschreibt: „Wenn ein Kind zur Welt kommt, dreht sich die Erde zwar weiter, aber die Zeit bleibt stehen.“
Punktlandung bei der Berufswahl könnte man sagen. Ina Hampe pflichtet bei: „Ich kenne keinen anderen Beruf, der mich so berühren könnte.“ Nach dem Abitur absolvierte sie ihre Hebammenausbildung in Ulm. Im Anschluss arbeitete sie im Kreißsaal einer Stuttgarter Klinik, danach im Langenauer Krankenhaus. Genug Zeit, um reichlich Erfahrungen zu sammeln.
2016 kam Ina Hampe dann nach Nattheim – und ist hier seitdem als freiberufliche Hebamme tätig. Sie betreut vor allem, aber nicht nur, Frauen auf dem Härtsfeld. Durch die Selbstständigkeit kann sie ihren Alltag jonglieren, sich ihre Termine und ihr Pensum einteilen. Auch, wenn es oft nicht vorhersehbar ist.
Die Nattheimerin ist oft engste Vertraute der Frauen
Geburten begleitet Ina Hampe aktuell nicht. Sie kümmert sich vor und nach der Geburt um Schwangere, macht sogenannte Vor- und Nachsorge und bietet Kurse an. Hierbei gehören auch Akupunktur, Tapen und Schröpfen zu ihrem Repertoire. „Da kann man ganz viel für die Frauen tun“, sagt sie.
Nach der Geburt begleitet Ina Hampe die Frauen, sie kommt zu ihnen nach Hause, berät zum Thema Stillen, hilft bei der Versorgung der Neugeborenen. In dieser Zeit ist sie oft engste Vertraute – hier werden Ängste thematisiert und nicht selten Tränen geweint.
Ina Hampe will eine Geburt nicht schönreden
In einem solchen Ausnahmezustand bedarf es ganz viel Feingefühl. Eine Gabe, die nicht jeder Mensch per se in sich trägt. Ina Hampe scheint eine ordentliche Portion abbekommen zu haben. „Jede wissenschaftliche Studie wird hinfällig, wenn man da so ein Gefühl hat“, sagt die Nattheimerin. Und darauf verlässt sie sich auch: „Mein Instinkt ist mein wichtigster Begleiter.“
Eine Geburt will sie nicht schönreden. Sie sagt: „Eine Geburt zeigt den Frauen, welche Kraft sie haben. Von schön sind wir hier aber weit entfernt.“ Das ist ihr wichtig, zu kommunizieren. Man müsse die Frauen ehrlich auf dieses einschneidende Erlebnis vorbereiten und keine Illusionen aufbauen. Aufklären, ohne Angst zu machen, Mut geben, ohne Dinge kleinzureden – das ist ihre Devise. Offenheit und Kommunikation seien das A und O.
Ina Hampe ist Mutter dreier Kinder und weiß daher nicht nur von Berufswegen um Schwangerschaft, Geburt und Stillzeit. Sie kennt die Tücken, den schmalen Grat zwischen dem weiblichen Selbstverständnis, für solche Umstände gemacht zu sein und der Fürsorge, die man in diesen besonderen Momenten dennoch benötigt. Ina Hampe will da sein. Für die werdenden Mütter, für die frisch gebackenen Mütter, für die Neugeborenen und auch für die Väter.
Ehemann Felix Hampe nimmt die Männer an die Hand
Und hier kommt Ina Hampes Mann ins Spiel. Denn Felix Hampe übernimmt in den Geburtsvorbereitungskursen den männlichen Part. Er beleuchtet mit den werdenden Vätern die männliche Sicht, ganz bewusst nicht fachlich fundiert, sondern vielmehr persönlich und praktisch. Das dürfte ein Alleinstellungsmerkmal sein.
„Bei unserem ersten Sohn hatte meine Frau einen Notkaiserschnitt. Ich stand wie benommen da und wusste nicht, was ich tun sollte“, erzählt Felix Hampe. Daraus sei dann die Idee entstanden, Männer mal ganz anders mit ins Boot zu holen. Denn: „Wir werden ja auch Väter“, sagt Felix Hampe. Seine Frau weiß zudem um die Berührungsängste der werdenden Väter. „Von Mann zu Mann kann da viel mehr kommuniziert werden.“ Das Konzept kommt gut an.
Wie zu erwarten, hat Ina Hampe kein Nachfrage-Problem. „Bei mir stehen die Schwangeren eher Schlange“, sagt sie. Jetzt könnte die Situation in Nattheim knackiger werden, denn Ina Hampe will ein Jahr Pause machen. Sie bleibt dennoch mit Frauen in Kontakt und nimmt Anfragen entgegen. Denn: „Ein Jahr ist schnell um“, resümiert sie.
Ein Berufsstand und seine Herausforderungen
Ina Hampe weiß aus erster Hand, dass es freiberufliche Hebammen berufspolitisch nicht einfach haben. „Es gibt Schwierigkeiten, sich zu versichern, wir haben einen immensen Druck und die Bezahlung ist nicht adäquat“, sagt Ina Hampe. Dem pflichtet auch der Bund freiberuflicher Hebammen Deutschlands (BfHD) bei: „Die berufspolitische Situation ist in Zeiten klammer Kassen extrem schwierig“, sagt Ilona Strache, freiberufliche Hebamme und Vorsitzende des BfHD. Wissenschaftliche Studien zeigten einen deutlich positiven Effekt der individuellen Hebammenbetreuung für Frau und Kind. Jedoch sei politisch kein Vorstoß in Sicht, an den Bedingungen für die Hebammenarbeit, insbesondere an der Bezahlung, etwas zum Positiven zu ändern. Ilona Strache betont: „Wir kämpfen seit Jahren um eine Erhöhung unserer Einnahmen, da wir Freiberuflerinnen extrem von der allgemeinen Kostensteigerung der letzten Jahre betroffen sind.“
Während Hebammen früher eine Ausbildung absolvierten, muss seit 2020 ein Studium abgeschlossen werden. Auch die DHBW Heidenheim bietet einen Studiengang „Angewandte Hebammenwissenschaft“ an. Aktuell sind 170 Studentinnen eingeschrieben. Professorin Daniela Kahlke sagt: „Der Studiengang ist mittlerweile ein fester Bestandteil des Studienangebots der DHBW Heidenheim und erhält großen Zuspruch.“
Durch die Akademisierung erhoffte man sich, den Berufsstand aufzuwerten und dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken.