Anfang Januar 2024 erlebt Matthew Bülau einen Tiefpunkt seiner Karriere. Junioren-Weltcup in Udine. Bülau scheidet sang- und klanglos in der Vorrunde aus. „Ich war ziemlich mitgenommen“, sagt der 18-Jährige. Schon wieder Udine. Ein Jahr zuvor kam hier das Aus in der ersten K.-o.-Runde. Dieses Mal ist Bülau klar: „Ich muss etwas ändern!“ Udine sollte eine Art Wendepunkt werden. Einer Karriere, die so vielversprechend begann – um dann doch ins Stocken zu geraten. „Meine letzte Saison war nicht gut. Auch in diese bin ich eher mäßig gestartet“, sagt der junge Mann selbstkritisch, der erstaunlich aufgeräumt wirkt.
Anfang Januar krempelt er sein sportliches Leben um, ordnet alles dem Fechten unter. Mehr als jemals zuvor. Bülau, einer der erfolgreichsten jungen Fechter des Heidenheimer Sportbundes, studiert seit 2022 an der Ohio State University nördlich der Stadt Columbus Psychologie. Er intensiviert sein Training. Dreimal die Woche geht’s um 6.30 Uhr in die Fechthalle, zweimal die Woche beginnt das Training „erst“ um 8 Uhr. „Wenn’s mal auch nur 20 Minuten mehr waren – ich habe jede Zeit genutzt, um mehr zu trainieren“, sagt Bülau. Manche gehen ins Training, um eben ins Training zu gehen. Er aber wusste: Bewusstes Trainieren bringt mir einen Vorteil. „Ich habe noch nie so hart gearbeitet“, sagt er.
Knapp sieben Wochen nach dem Schicksals-Aus in Udine, im Nordosten Italiens, befindet sich Matthew Bülau auf dem vorläufigen Höhepunkt seiner Karriere. Im süditalienischen Neapel gewinnt Bülau bei der Junioren-Europameisterschaft Bronze. Es ist der erste Medaillengewinn der deutschen Delegation. Ob ihm zum Feiern zumute, ist? Der 18-Jährige verneint trocken und sagt: „Nein, es steht ja noch der Mannschaftswettbewerb an.“ Da soll es am Mittwoch, 28. Februar, die zweite Medaille geben.
Emotional war der Erfolg für den U-20-Fechter aber natürlich. Und zwar in mehrerer Hinsicht. Direkt nach dem Gewinn der Bronzemedaille habe es sich zuerst nicht echt angefühlt, sagt Bülau. „Irgendwie surreal.“ Vor allem in Bezug auf seine vorherigen Ergebnisse. Für die Europameisterschaft hat er sich „gerade so noch“ qualifiziert. Hier startete er in die Vorrunde mit zwei Niederlagen. „Danach stand ich ziemlich unter Druck“, sagt er. Soll heißen: drei Siege mussten nun folgen, um weiterzukommen. Bülau behielt die Nerven, gewann zweimal mit 5:4 und einmal mit 5:3 (in der Vorrunde wird nur bis 5 gefochten, später im K.o. bis 15).
Nach einem weiteren Sieg half ein Gespräch mit seinem Trainer, Wilhelm Ewert. „Ein Mann weniger Worte“, wie Bülau aus Erfahrung sagt. Er weiß aber genau, was er an Ewert hat, wie dieser in seit Klein auf begleitet und geformt hat. „Den Erfolg habe ich größtenteils ihm zu verdanken. Ohne ihn wäre das alles nicht möglich gewesen“, sagt Bülau über seinen Trainer, der ihm schlicht mit auf den Weg gab: „Junge, das ist die Europameisterschaft. Jetzt musst du richtig loslegen, gib‘ alles.“ Ein Rat, der sicherlich nicht immer seine Wirkung zeigt. Bei Matthew Bülau aber schon – genau an diesem Tag. Genau an diesem Ort. Ihm sei klar gewesen: „Wenn ich 150 Prozent gebe, dann heute.“
Danach habe „irgendwie alles gepasst“, er sei in eine Art „Flow“ gekommen. „Es war eine Mischung aus Konzentration, Wille und einer leichten Nervosität“, beschreibt Bülau seinen Zustand, der ihn bis ins Halbfinale getragen hat. In diesem musste sich der HSBler dem Schweizer Colin Mumenthaler mit 13:15 geschlagen geben. Fünf Minuten habe er sich etwas über die Niederlage geärgert, weil er auch hätte gewinnen können, sagt Bülau. Doch dann kam die Freude. „Ich bin übertrieben glücklich“, sagt er, um mit anderen seinen Erfolg zu teilen: „Wie das Team mich unterstützt hat, war sensationell. Ich musste konditionell beißen. Die Anfeuerungen haben mir aber einen Boost gegeben. Denn ich wusste: Ich muss jetzt.“
Matthew Bülau: Jemand für die Heidenheimer Fechtertage?
Am Mittwoch, 28. Februar, geht es für Matthew Bülau bei der Europameisterschaft in Neapel mit der deutschen Mannschaft im Teamwettbewerb weiter. Danach möchte sich der 18-Jährige, wenn es geht, den Vesuv und Pompeji anschauen. Als 18-Jähriger tritt Bülau noch ein Jahr bei den Junioren an, bei einem Seniorenturnier ist er noch nie dabei gewesen. Daher kämen die Heidenheimer Fechtertage (Weltcup) im kommenden Jahr wohl noch zu früh für den U-20-Degenfechter.
Daria Yoosefi vom HSB ist ebenfalls bei der Europameisterschaft der Kadetten und Junioren dabei. Als beste Deutsche belegte die U-17-Fechterin Rang 15. Mit dem deutschen U-17-Team kam sie auf Rang acht. Die drei weiteren U-17-Fechter Rudy Hummel, Stephan Schuller und Frederik Zimmermann belegten bei ihrer EM-Premiere die Plätze 57, 65 und 97. Im Mannschaftswettbewerb kamen die drei auf den neunten Rang.
In den weiteren U-20-Wettbewerben nehmen Daria Yoosefi und Alexandra Zittel im Einzel und Team teil.
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