Seit knapp vier Monaten sind Silke und Mike Nahar in Paramaribo, der Hauptstadt von Suriname. Und sie sind vom Land in Südamerika, das nördlich von Brasilien liegt, „begeistert wie am ersten Tag“, erzählt Mike Nahar. Acht Jahre lebten seine Frau und er in Heidenheim. Mike Nahar war unter anderem Basketballtrainer beim HSB, sportlicher Leiter des Fitplus Sportstudios und engagierte sich bei den Fechtern.
Womöglich wäre er noch immer Heidenheim, wenn Silke nicht freundlich, aber bestimmend, die Richtung vorgegeben hätte: Mike Nahar selbst spricht von einem „leichten Druck“ – und muss lachen. Schließlich waren die Kinder Leon und Maya aus dem Haus. „Ich freue mich über diesen Schritt. Was wir hier jetzt schon erlebt haben. Das war es wert.“
Für die Nahars ist es eine Art Neustart, zugleich kehrt Mike Nahar zu seinen Wurzeln zurück. Suriname, ein Land am Äquator, hieß bis 1975 Niederländisch-Guayana, die Amtssprache ist Niederländisch (östlich liegt Guyana, westlich Französisch-Guayana). Otto Nahar, Mike Nahars Vater, verließ 1964 sein Geburtsland und lernte in den Niederlanden Mike Nahars Mutter, Johanna Wilhelmina, kennen. Mike Nahar wurde im niederländischen Haarlem geboren – war aber als erfolgreicher Basketballer auf der ganzen Welt zu Hause: USA, Portugal, Griechenland, Italien, Belgien, Deutschland.
Suriname ist das achte Land, in dem Mike Nahar nun lebt. Hier traf er auch auf Cousins und eine Tante von ihm. „Wir haben uns bestimmt seit 30 Jahren nicht mehr gesehen“, rechnet Mike Nahar vor. Aber: „Trotzdem hat es zwischen uns von Anfang an gepasst.“
Was macht ihr die ganze Zeit?
Mike Nahar über die an seine Frau Silke und ihn meistgestellte Frage
Und Nahar kennt die Frage aller Fragen: „Was macht ihr die ganze Zeit?“ Die Nahars haben sich ganz bewusst eine Auszeit genommen, angedacht ist ein Jahr. Sie haben sich ein kleines Haus nahe dem Stadtzentrum gemietet, „kein Luxus“, wie Mike Nahar betont. „Wir machen viele Tagesausflüge, gehen ins Landesinnere oder einkaufen und kochen gemeinsam. Eine Riesen-Kühlbox im Auto muss hier einfach sein“, sagt Mike Nahar, der natürlich auch schon im Dschungel gewesen ist. „Ohne eine Machete geht da nichts. Es ist wie in einem Film. Du siehst nicht, was fünf Meter vor dir ist. Die Natur ist aber traumhaft schön.“
Neun Jahre hat der 2,10 Meter große Mann bei Vereinen in Südeuropa Basketball gespielt. „In Griechenland waren es auch um die 40 Grad. Die Hitze in Kombination mit der Feuchtigkeit wie hier ist aber echt brutal. Alles geht schnell kaputt, nicht nur Essen, sondern auch Holzmöbel oder Plastik“, schildert Nahar seine Eindrücke. In Heidenheim ging er zudem gerne über die zehn Kilometer beim Stadtlauf an den Start. In Suriname sind die zehn Kilometer aber eine Geschichte für sich. „Ich mit meiner großen Klappe habe gesagt, dass ich die locker schaffe. Es waren aber die anstrengendsten zehn Kilometer, die ich je gelaufen bin. Um 7.30 Uhr morgens“, sagt Mike Nahar.
Ich bin ja was gewohnt, aber auch ich halte es höchstens zehn Minuten in der Sonne aus.
Mike Nahar über die starken Sonnenstrahlen
In den Tropen sei die Sonne „brutal heiß“. In der Trockenzeit waren es immer um die 38/39 Grad – und kaum Schatten. „Ich bin ja was gewohnt, aber auch ich halte es höchstens zehn Minuten in der Sonne aus“, sagt Nahar. Jetzt, während der Regenzeit, regnet es auch sehr ergiebig. „Das kann schon heftig werden, wenn man das Haus wegen Regens nicht verlassen kann, weil die Straßen überflutet sind.“ Eins sei aber auch klar: „Straßen, Verkehr, Schulen. Es ist eben noch ein Entwicklungsland“, sagt Mike Nahar. „Konto oder Krankenversicherung? Das geht in Deutschland schneller. Da merkst du auch, dass du in Südamerika bist“, sagt er. Und: Es gebe sehr große Unterschiede zwischen Reich und Arm.
Seine Frau Silke und er seien aber ohne große Erwartungen nach Suriname gegangen. „Wir wollten einfach ein Jahr raus und Energie tanken“, erklärt Mike Nahar. Und was jetzt kommt, dürfte keine große Überraschung sein: „Es hat bei mir nicht lange gedauert, bis ich wegen Basketball in der Sporthalle war. Es zieht mich einfach hin“, sagt er – und muss über sich selbst lachen. Einen der dortigen Trainer kenne er gut. Immer wieder verschickte Mike Nahar Bälle oder Kleidung nach Suriname. „Die Kinder laufen hier teilweise ohne Schuhe herum“, sagt er.
Der Verbandsvorsitzende ist natürlich auf Mike Nahar aufmerksam geworden. „Der fragt seit Jahren, wann ich denn mal komme“, sagt Mike Nahar. Er ist nicht abgeneigt, wieder einen Trainerjob anzunehmen, betont aber: „In erster Linie wollen Silke und ich die Zeit hier genießen, chillen. Ich bin hierher nicht für ein ehrenamtliches Engagement gekommen.“
Auch wenn Mike Nahar sagt, dass Basketball sein Leben ist, weiß er um seinen Wert und möchte, dass sein Einsatz auch entsprechend entlohnt wird. Zudem möchte er aktuell auch keine Vollzeitanstellung. „Ich bin nicht hierhergekommen, um zu arbeiten. Dann hätte ich auch in Heidenheim bleiben können“, scherzt er. „Silke und ich möchten das Land erforschen und meine Wurzeln entdecken.“
Wobei auch Silke nicht untätig ist. Bei einem Fußballspiel zwischen Suriname und Kanada hat sie zusammen mit einer Freundin das Catering in einer VIP-Loge für 60 Stadionbesucher organisiert. „In Holland hat sie das auch schon sehr erfolgreich gemacht“, sagt Mike Nahar über seine Frau.
Jetzt freuen sich die Nahars zunächst auf ein besonderes Weihnachtsfest. „In diesem Jahr brauchen wir keine Winterjacken, so wie in Heidenheim, sondern nur kurze Hosen“, freut sich Mike Nahar. Für knapp zwei Wochen kommt Tochter Maya zu Besuch (bei ihr gibt es eine längere Basketballpause/Sohn Leon kann nicht kommen, da er nur drei Tage Pause hat). Und dann geht’s für Mike, Silke und Maya Nahar für zwei Nächte vom 25. bis 27. Dezember in den Urwald, genauer gesagt auf die Insel Knini Paati (200 Kilometer von der Hauptstadt Paramaribo entfernt).
Den Weg zur Insel beschreibt Mike Nahar wie folgt: „Wir fahren mit dem Auto so weit, bis die Straße aufhört. Und dann geht’s eineinhalb Stunden weiter mit einem Boot.“ Das Ressort sei weit weg von der normalen Welt. „Das ist unser Weihnachtsgeschenk, sonst machen wir uns keine Geschenke“, erklärt Nahar. „Normalerweise ist es bei uns Tradition, dass wir mit den Kindern den Weihnachtsbaum aussuchen. Es wird ein anderes Weihnachtsfest, als wir es bislang gekannt haben, aber es wird auch schön.“
Geht’s denn überhaupt weihnachtlich zu im tropischen Suriname? „Klar, hier gibt es Weihnachtsdekorationen und Weihnachtslichter in den Palmen. Im Radio laufen Weihnachtslieder. Aber bei 32 Grad – das ist schon eine ungewöhnliche Kombination. Und Weihnachten in Badehose ist auch ein komisches Gefühl“, sagt Mike Nahar. Und: Es gibt keine Nordmanntanne. „Man kann aber Plastikbäumchen kaufen“, schiebt Nahar nach. Bei den Nahars kommt sowas aber nicht infrage. Nachdem die insgesamt 71 Kartons, die sie verschifft hatten, endlich geliefert wurden, einige davon Weihnachtskartons, kann auch dekoriert werden.
In den vergangenen Jahren wurde Weihnachten in den Niederlanden bei Mike Nahars Eltern gefeiert. Traditionell gab es Fondue. Und in diesem Jahr? „Wir lassen uns im Dschungel überraschen“, freut sich Mike Nahar auf das kulinarische Abenteuer.
Und auf Weihnachten folgt bekanntlich Silvester. „Darauf bin ich schon sehr gespannt. Silvester wird hier richtig groß gefeiert. Mit Musik, Kultur und sehr viel Feuerwerk. Silvester in Paramaribo muss man einmal erlebt haben“, sagt Mike Nahar, der sich als Feuerwerk-Fan outet. Das Besondere: Die Silvester-Feierlichkeiten fangen nachmittags an und hören um 20 Uhr auf. „Dann gehen alle nach Hause. Silvester wird mit der Familie gefeiert.“
Im neuen Jahr wollen Mike und Silke Nahar auch herausfinden, ob sie es sich vorstellen können, länger in Suriname zu bleiben. „Die Zeit wird es zeigen“, sagt Mike Nahar, der den Kontakt nach Heidenheim natürlich nicht verloren hat. „Ich verfolge die Teams. Der HSB macht es super. Ich freue mich mit aus der Ferne.“
Mike Nahar: Eine bewegende Karriere
Mike Nahar spielte in Jugend-Nationalmannschaften und wagte nach seinem Abitur auch dank eines Stipendiums den Sprung in die USA, wo er von 1989 bis 1994 für die Wright State University in Dayton (Ohio) spielte. Mit 23 hatte er es zwar nicht in die NBA geschafft, konnte aber Profi in Europa werden. In Portugal spielte er zwei Jahre, unter anderem für Benfica Lissabon, in der Champions League gegen Vereine wie Real Madrid, Barcelona oder Panathinaikos Athen. Nach jeweils zwei Jahren bei Aris und Iraklis Saloniki ging es für Nahar für jeweils ein Jahr nach Italien zu Montecatini (Toskana) und wieder nach Griechenland zu Panellinios Athen.
Vor der Geburt von Sohn Leon zogen Mike und Silke Nahar wieder in die Niederlande, Mike Nahar spielte ein Jahr in Belgien für BC Ostende. In Deutschland verbrachte er drei erfolgreiche Jahre in Bamberg (2005 deutscher Meister). Zurück in den Niederlanden spielte Mike Nahar zwei Jahre in der ersten Liga bei Aris Leeuwarden, ehe er mit 38 Jahren seine Karriere beendete. Er blieb dem Sport erhalten, arbeitete unter anderem für den niederländischen Basketballverband und machte die höchste Trainerausbildung. Nach zweieinhalb Jahren als Bewegungstherapeut in einer Drogenentzugsklinik und eineinhalb Jahren als Co-Trainer beim Erstligaverein Den Helder Kings, der Konkurs anmelden musste, kam Nahar letztlich im September 2016 zum HSB, bei dem er bis August 2024 blieb.
Suriname ist das kleinste unabhängige Land in Südamerika. Es ist auch eines der dünnsten bewohnten Staaten weltweit. Das Klima ist feucht-tropisch. Von Anfang Dezember bis Anfang Februar dauert die kleine Regenzeit. Im April beginnt die große Regenzeit. Dazwischen liegt die kleine Trockenzeit. Der weitaus größte Teil des Grundgebietes besteht aus Regenwald. Dieser Urwald ist Teil des größten tropischen Regenwaldes auf der Welt, des Amazonas-Regenwalds.