Wildbadquelle

Neue Figur an Giengens Marktstraße: die Enthüllung der Verhüllten

Das Geheimnis ist gelüftet: Die Skulptur an der Wildbadquelle am unteren Ende der Giengener Marktstraße kann bestaunt und angefasst werden. Eigentlich sollte es sie gar nicht geben.

Wie sieht sie aus? Was hat sie an? Und vor allem: hat sie überhaupt etwas an? Die Fragen können nun beantwortet werden, da die von Bildhauer Karl Ulrich Nuss geschaffene Badende der Öffentlichkeit preisgegeben wurde.

Die Enthüllung kam fast einem kleinen Staatsakt gleich: Nach vielen Wochen bei den Mitarbeitenden auf dem Giengener Bauhof durfte die Figur, die den Kontrapunkt zu den ebenfalls von Nuss gestalteten Panschern vor dem Rathaus darstellt, an der komplett neu gestalteten Wildbadquelle Platz nehmen – in Folie gehüllt – und damit unsichtbar. Eigentlich kennt man derlei Verpackungen aus Krimis im Fernsehen, in denen verschnürte Leichen in Kofferräumen transportiert werden.

Was steckt darunter? Marc Hosinner

Das war zumindest am Dienstagabend noch der Fall, am Morgen darauf war die Folie entfernt und die Frau unter einer Giengener Flagge – mit dem Einhorn als Schutzschild sozusagen – verdeckt, was die Spannung auf das „darunter“ noch einmal steigen ließ.

Zwar ohne Trommelwirbel, aber mithilfe von Sponsoren, amtierenden und früheren Stadträtinnen und Stadträten, schaffte es Oberbürgermeister Dieter Henle, das Geheimnis zu lüften: Es kam zur Enthüllung einer Verhüllten. Unsittlich ist jedenfalls nichts an der Figur. Ob sie damit, mit einem Handtuch bedeckt, in die Hochzeit des Giengener Wildbads passte?

Anfassen erlaubt: links und rechts der Badenden ist Platz zum Verweilen. Marc Hosinner

Das hat jedenfalls eine lange Geschichte. Es lag im Osten der Stadt, außerhalb der Stadtmauern. Die erste schriftliche Erwähnung datiert aus dem Jahr 1534. Jahrhundertelang war es in städtischem Besitz und genoss als Gesund- und Kurbad einen überregional guten Ruf. Der Badebetrieb war verpachtet und beschränkte sich zunächst auf die Zeit von Mai bis September, wobei das Wasser aus mehreren Quellen der unmittelbaren Umgebung stammte. Es galt gar als heilsam bei Rheumatismus, Ausschlägen, Geschwüren und mehr. Wie ging es dort zu? Das ist Spekulation. Festgehalten werden kann, dass bereits 1555 der Rat der Stadt das Tanzen im Wildbad verboten hat.

Kaiserliche Soldaten steckten das Wildbad in Flammen

Wenige Tage vor dem großen Stadtbrand im September 1634 ging das Bad in Flammen auf – in Brand gesteckt von kaiserlichen Soldaten. Nach dem Dreißigjährigen Krieg wurde das Bad wieder aufgebaut, mit Sitzbädern und einer Art Sauna versehen. Auch eine Kegelbahn gehörte zum Angebot. Später kamen eine Parkanlage und ein Quellsee dazu, was auch die Prominenz angelockt haben dürfte: Sogar Fürst von Thurn und Taxis soll zum Baden gekommen sein.

1869 war es mit dem Badebetrieb an dieser Stelle vorbei, 1885 ging das Wildbad-Gebäude in Flammen auf. Weit über 100 Jahre später, 1999, wurde ein mit Glasdach versehener Brunnen über der ehemaligen Wildbadquelle aufgestellt.

Von 1999 bis 2024 war diese Glaskonstruktion an der ehemaligen Wildbadquelle zu sehen. Christian Thumm

Mit dem Ansinnen, mehr Aufenthaltsqualität zu schaffen, beschloss der Gemeinderat vergangenes Jahr, dass das Glasdach abgebaut werden soll. Stattdessen sollte ein Blumenbeet angelegt und eine Rundsitzbank geschaffen werden. Im Gespräch war auch eine Skulptur, doch fand sich für diese in den Reihen des Rats keine Mehrheit – aus Kostengründen.

Statt der öffentlichen Hand sprangen Sponsoren – namentlich das Adldinger Bauunternehmen und die Barfüßer Gastronomie-Betriebs GmbH – sowie die Kulturstiftung Giengen ein. Die Baukosten, so Oberbürgermeister Dieter Henle am Mittwoch, lägen bei etwa 120.000 Euro, der Betrag für die Skulptur in Höhe von knapp 39.000 Euro stamme zu 100 Prozent aus Spenden und Stiftungsgeldern.

Jetzt gilt: Anschauen, anfassen, Platz nehmen, Verweilen.

Eingang und Ausgang sind gestalterisch verbunden

Nach Ansicht von Oberbürgermeister Dieter Henle lässt sich durch den Abschluss mit der Badenden auch das Konzept der nun durchgängigen Giengener Marktstraße neu begreifen. „Eingang und Ausgang sind gestalterisch verbunden, dazwischen befindet sich der Erlebnispfad mit seinen Holzskulpturen. Ich bin froh, dass wir uns entschieden haben, die Wildbadquelle mit Treffpunkt und Skulptur neu zu interpretieren“, so das Stadtoberhaupt.

Entstanden sei ein Platz, der mittels entsprechend gestalteter Tafeln jahrhundertealte Giengener Geschichte aufzeigt, die gemeinsame Stärke von Stadt und Investoren dokumentiert und die Skulptur auf besondere Weise erlebbar macht.

Jetzt einfach weiterlesen
Jetzt einfach weiterlesen mit HZ
- Alle HZ+ Artikel lesen und hören
- Exklusive Bilder und Videos aus der Region
- Volle Flexibilität: monatlich kündbar