Kultur

Drunter und drüber: Wie das Magnus-Mehl-Quartett bei Jazz Heidenheim überzeugte

Das Magnus-Mehl-Quartett brachte bei Jazz Heidenheim in der Alten DHBW nicht nur Virtuosität, sondern auch ein feines Gespür für Zusammenspiel auf die Bühne.

Wenn der jüngere Bruder Ferenc Mehl seinen älteren Bruder Magnus als „Mastermind“ bezeichnet und dieser fast alle Stücke der aktuellen CD „Upside Down And In Between“ selbst komponiert hat, dann ist klar, wer bei Magnus Mehl den Ton angibt. Aber wirklich? Der viel beklatschte Auftritt der Musiker bei Jazz Heidenheim in der Alten DHBW war der eines geschlossenen Quartetts, bei dem alle Stimmen zu Wort kamen und dessen fein abgestimmtes Miteinander viele magische Momente an diesem Abend entstehen ließ. Wenn man nach äußerlichen Zeichen für die flache Hierarchie in diesem Quartett sucht: Der Bassist Dietmar Fuhr begann und beendete mit einem Solo das Konzert, Ferenc Mehl startete das zweite Set mit seinem Schlagzeug.

Trotzdem: Magnus Mehl (meist Altsaxophon) und Christian Mehler (Trompete) standen zu Recht in der ersten Reihe. Virtuosen alle beide – aber nicht in Kampfhaltung, sondern in brüderlicher Innigkeit. Mehl und Mehler nahmen sich nichts und schenkten sich viel. Der verschmolzene Klang von Trompete und Altsaxophon konnte wuchtig, zart, betörend und erhebend sein. Dafür gingen beide Musiker beim Spielen auch körperlich an Grenzen. Das Heidenheimer Publikum durfte hören, dass eine Trompete wie ein Flügelhorn klingen kann, wenn es der Trompeter versteht, weicher und noch weicher zu spielen. Und es durfte hören, dass Trompete und Saxophon auch ansatzweise Mehrtöne spielen können. Wenn auch, wie Mehler mitteilen ließ, dies an der Trompete „echt schwierig ist“.

Die Kunst der Transformation

Wie im Jazz üblich, macht auch das Quartett mit den aus Rottweil stammenden Brüdern Mehl gern Musik über Musik. Man gräbt etwas aus, das mag ein gregorianischer Choral, ein Bebop-Hit oder ein Schlager aus der Dixie-Zeit sein, und beginnt, dieses umzuformen. Es scheint dabei die Spezialität des Komponisten Magnus Mehl zu sein, dass aus Einfachem meist etwas Komplexes wird. Dass die notierten vertrackten Rhythmen, schrägen Tonfolgen und geschichteten Klangfarben zu formidabler Musik werden, ist dann die Leistung des Quartetts. Bereits im ersten Stück war der „Zwiegesang“ von Trompete und Saxophon wie eine wärmende Sonne. Dass Magnus Mehl ein Stück von Wayne Shorter zitierte, einem der bedeutendsten Musiker des Modern Jazz, lässt eine gewisse Vertrautheit vermuten. Auch Mehl liebt das drängende Wiederholen kurzer Themen.

Ob Up-Tempo oder Schmuse-Blues: Bei Ferenc Mehl fanden alle musikalischen Perlen ihre rhythmische Fassung. Und dies ganz selbstverständlich und unaufdringlich. Wobei Ferenc Mehl auch anders kann. Sein schlagkräftiges Super-Solo erhielt viel Beifall. Doch auch dieses ließ er mit leisen, tröpfelnden Schlägen auf die Becken ausklingen. Nicht ohne Grund ist Ferenc für seinen Bruder der „Schlagzeuger meines Vertrauens“.

Der Anker des Quartetts

Ohne Dietmar Fuhr am Bass wäre die Combo nicht nur formal kein Quartett, es würde diesem eine sehr einprägsame Stimme fehlen. Mit großer Souveränität zupfte und strich Fuhr seinen Bass, bildete den festen Anker für die Läufe der Bläser und mischte sich unversehens in deren Unterhaltung ein, trug seine dunkle Farbe auf – einmal wie ein langes Om in der Meditation.

Der Ansatz von Magnus Mehl, Musik in solchen Schichten und variierenden Klangfarben zu denken, und dass es dabei „drunter und drüber“ gehen darf, mag verkopft klingen, die musikalische Umsetzung hat aber das Heidenheimer Publikum nach kurzem Einhören gepackt, bewegt und begeistert.

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