Kultur

Johannespassion im Heidenheimer Congress Centrum: Ein musikalisches Meisterwerk voller Schmerz und Hoffnung

Auch im nüchternen Ambiente des Heidenheimer Congress Centrum entfaltete Bachs Johannespassion unter der Leitung von Marcus Bosch ihre emotionale Wucht.

Ein radikalisierter Mob, voller Hass und Hetze, erzwingt den Tod eines Menschen. Das klingt nicht nur grausam – es ist auch grausam. So soll es sich vor etwa 2000 Jahren zugetragen haben. Vor 300 Jahren hat dann Johann Sebastian Bach aus der Leidensgeschichte Jesu die Johannespassion komponiert. Die Cappella Aquileia, das „Vokalwerk der OH!“, der Junge Kammerchor Ostwürttemberg und vier Solisten präsentierten nun unter der Leitung von Marcus Bosch die Johannespassion im Heidenheimer Congress Centrum.

Mit diesem Werk hat Bach eines der zentralsten Ereignisse, auf denen der christliche Glaube basiert, in ein Musikstück inkludiert. Obwohl so lange her, erscheint der Inhalt und das, was auf der Metaebene dahintersteht, heute nicht weniger aktuell. Die Johannespassion ist ein Evangelien-Bericht, der durch musikalische Elemente angereichert wird. Musik und Religion verbinden sich hier zu einem Duett voll erbarmungslosem Spiel um unmenschliche Geißelei und experimentierfreudigen Lichtblicken.

Klangliches Erlebnis im Heidenheimer CC

Ursprünglich hatte Bach das geistliche Stück in der Leipziger Thomaskirche aufgeführt. Da mag das Ambiente im Congress Centrum starke Kontraste dazu bieten, denn Bach hatte mit seiner barocken Musik auch in einer Kirche mit barocker Dekoration gewirkt. Auch wenn dieser Unterschied auf der Hand liegt, war das klangliche Erlebnis beeindruckend und wunderbar.

Im ersten Teil, wo es um den Verrat, die Gefangennahme und Verleugnung von Jesus geht, beginnt das Werk von Bach direkt anspruchsvoll. Zunächst spielt das Orchester wenige Takte höfisch anmutender Musik, dann schließt direkt der erste Hauptchor an mit: „Herr, unser Herrscher“. Es ist eine Passage, die direkt zu Beginn den großangelegten Rahmen der orchestral-vokalen Pracht absteckt. Der volle Umfang der Stimmen des Chors erklang rasch; ein sehr intensiver Moment.

Beeindruckende Solisten

In den sich anschließenden Rezitativen stellten sich die beiden Solisten vor, Michael Feyfar als Evangelist und Gerrit Illenberger, der den Jesus verkörperte. Sie wechselten sich zusammen mit dem Chor ab und erzählten die Geschichte, wie Jesus verraten und gefangen genommen wurde.

Bei der Verleugnung sang Henriette Gödde ihre Alt-Arie „Von den Stricken meiner Sünden“ zu Beginn sehr sacht und eher leise und auch die „freudigen Schritte“ von Sopranistin Sophie Klußmann waren nicht so sehr unbeschwert, wie gleichfalls diese Textpassage vermuten mag. Für den einen mag dies störend sein, für andere sehr passend. Denn in der Johannespassion liegen der Schmerz von Jesu Tod und die Freude auf das Osterfest so nahe beieinander und können nur gemeinsam existieren.

Während der Rezitative begleitete das Solo-Cello einfühlsam, authentisch und emotional und unterstrich und ermöglichte ein vollständiges Klangerlebnis. Andere Solisten-Vokalstimmen, wie beispielsweise die des Pilatus, erklangen aus der Mitte des Chors sehr gut und ausdrucksstark. Dem Chor generell gelangen die Passagen voller gewolltem Durcheinander genauso wie entschlossene Passagen. So ausgefeilt, wie das „Kreuzige!“ artikuliert war, traf es emotional und genau auf den Punkt, wie der Hammer den Nagel am Kreuz.

Bei der Alt-Arie „Es ist vollbracht“, also der Moment, wenn Jesus am Kreuz hängt und stirbt, war da trotzdem ein kleiner Hoffnungsschimmer, der bei aller Traurigkeit mitschwingen konnte. Bei der Grablegung präsentierten die Musiker ein gut gemeintes und gut gemachtes „Ruht wohl“, um dann nach dem Ende des „Ach Herr, laß dein lieb Engelein“ die Stille auszukosten. Ein wirkliches Meisterkonzert, treffend eingestimmt auf die beginnende Karwoche.

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