Dass sie mit den bisherigen Tarifverhandlungen der Textilbranche alles andere als zufrieden sind, brachten am Mittwochmittag rund 800 Beschäftigte auf dem Heidenheimer Eugen-Jaekle-Platz lautstark zum Ausdruck. Die IG Metall hatte angesichts der am Donnerstag anstehenden vierten Verhandlungsrunde zum Warnstreik aufgerufen, und diesem Appell folgten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Firmen Hartmann, Ziegler, Steiff, Zwisstex und anderer Unternehmen aus dem Landkreis und der Region. Die große Beteiligung am Warnstreik und an der zentralen Kundegebung in Heidenheim zeige „die Entschlossenheit, dass wir bereit sind, für unsere Reche und für unsere Zukunft zu kämpfen“, rief Katja Kalkreuter, Gewerkschaftssekretärin bei der Heidenheimer IG Metall, den Textilern zu: „Wir sind nicht nur Beschäftigte, wir sind Menschen mit Träumen. Und wir sind mehr wert als 1,5 Prozent.“
Womit sie dem Angebot der Arbeitgeberseite über eine Lohnerhöhung um 1,5 Prozent im November und um weitere zwei Prozent im November 2026 eine klare Absage erteilte: „Wir stehen hier aus Protest gegen dieses unfassbar faule Angebot.“ Die Warnstreikenden stünden auch für die Zukunft der Textilindustrie. Das unterstrich auch die Verhandlungsführerin der IG Metall, Miriam Bürger. Die Forderungen für die Beschäftigten seien „gerecht, sinnvoll und notwendig. Wir brauchen mehr Geld.“ Die aktuelle Forderung der Gewerkschaft beläuft sich auf ein Gehaltsplus von 6,5 Prozent.
Wir stehen hier aus Protest gegen dieses unfassbar faule Angebot.
Katja Kalkreuter, Gewerkschaftssekretärin
„Wir haben eine Inflation, wie wir sie noch nie gekannt haben, die Reallöhne liegen unter dem Niveau von 2010, viele Menschen müssen extrem sparen“, sagte Bürger. Die Preise für Dinge des täglichen Lebens seien um 20 Prozent angestiegen, „die Lebensmittel werden teurer, die Einkaufswägen bleiben leerer. Zurückhaltung bei den Forderungen können wir uns deshalb nicht leisten“, so die Gewerkschaftsfunktionärin. Zudem nehme die Belastung für die Beschäftigten immer mehr zu, was auch am Fachkräftemangel liege: „Wir sind erschöpft und brauchen dringend Entlastung.“ Unter anderem auch deshalb fordert die Gewerkschaft bessere tarifliche Regelungen für die Altersteilzeit. „Wir brauchen einen planbaren Übergang, sodass man mit Würde und Gesundheit in Rente gehen kann“, so Bürger.
Vergünstigungen für Mitglieder gefordert
Auch eine weitere Forderung der Gewerkschaft unterstrich die Rednerin und trat für Vergünstigungen für Gewerkschaftsmitglieder ein: „Durch ihren Einsatz sind sie zusätzlich belastet, sie setzen sich ein, sie stehen vorne, sie machen den Mund auf. Dafür gebührt ihnen nicht nur Respekt und Dank, sondern auch Vorteilsregelungen für unsere Mitglieder in den Betrieben.“
Die IG Metall habe versucht, in den bisherigen Verhandlungsrunden vernünftig und sachlich zu sprechen und Lösungen vorzuschlagen, doch die Arbeitgeber hätten zu allem nein gesagt. „Wir wurden beschimpft und angemotzt, wir sollten uns mit wenig zufriedengeben. Aber das werden wir nicht“, betonte Bürger. „Wir werden keine faulen Kompromisse akzeptieren, sondern uns holen, was uns zusteht.“
Mut, für die Forderungen einzustehen, machte den Beschäftigten die Hartmann-Betriebsratsvorsitzende Katja Kollosche. „Wir geben jeden Tag unser Bestes, deshalb sind wir von dem Arbeitgeber-Angebot sehr enttäuscht. Wir brauchen eine angemessene Beteiligung am Erfolg.“ Deshalb seien die Forderungen gerecht und fair. „Ohne uns läuft nichts, das Angebot ist eine Schweinerei“, betonte auch Leon Mack, Jugend- und Auszubildendenvertreter bei Ziegler. Er erklärte, dass der gewerkschaftliche Nachwuchs hinter den Forderungen stehe, auch was die Verbesserungen bei der Altersteilzeit betreffe. Zu guter Letzt unterstütze auch der Erste Bevollmächtigte der Heidenheimer IG Metall, Tobias Bucher, die Forderungen: „Alle Unternehmen stehen derzeit vor wirtschaftlichen Herausforderungen. Aber es bringt nichts, als Arbeitnehmer den Kopf in den Sand zu stecken.“ Ein Tarifabschluss sei gut, wenn die Beschäftigten keinen Reallohnverlust erlitten und die Branche auch in Zukunft für Fachkräfte interessant sei.
Vierte Verhandlungsrunde
Nach Angaben der Heidenheimer IG Metall ist die Geschäftsstelle vor Ort die zweitgrößte bundesweit. Sie stehe mit rund 4000 Beschäftigten in der Textilbranche im Fokus der Tarifverhandlungen.
Bei den aktuellen Tarifverhandlungen in der Textil- und Bekleidungsindustrie gab es bisher drei Runden. Die vierte findet am Donnerstag statt. In den vergangenen Wochen gab es Gewerkschaftsangaben zufolge bundesweit zahlreiche Warnstreiks, an denen sich mehr als 20.000 Beschäftigte beteiligten.