Kirchenmusik

Wie Bachs monumentale Matthäus-Passion in der Pauluskirche berührte

Beifall im Stehen spendete das Publikum für die Matthäus-Passion unter der Leitung von Heidenheims Bezirkskantor Leonard Hölldampf. So setzte er das monumentale Werk musikalisch um.

Die Matthäus-Passion gilt als das umfangreichste Werk Johann Sebastian Bachs, auch wegen ihrer Dauer von rund zweieinhalb Stunden. Es ist also durchaus ambitioniert, an die Umsetzung des Werks zu gehen. Bezirkskantor Leonard Hölldampf hat sich der Herausforderung gestellt. Am Sonntagabend wurde die Matthäus-Passion unter seiner Leitung in der Pauluskirche Heidenheim aufgeführt.

Das Interesse, das mitzuerleben, war groß: Nahezu vollbesetzt waren die Kirchenbänke, voller Spannung die Atmosphäre. Und die wurde nur noch übertroffen durch die Spannung in der Matthäus-Passion selbst, die über die rund zweieinhalb Stunden Aufführung niemals abriss. Vom letzten Abendmahl bis zur Grablegung Jesu ist die Geschichte auch musikalisch monumental gezeichnet, und die Dramatik der Ereignisse findet sich in der Musik wieder. Die Ausführenden in der Pauluskirche setzten das epische Werk hervorragend um.

Sensibel und virtuos

Die beiden Chöre, die Heidenheimer Kantorei und die Aalener Kantorei, brachten die Volksseele zum Kochen, ganz so, wie Bach sich das in der Komposition vorgestellt haben mag. Voluminös und mit furioser Interpretation ließen sie den Tumult in der Jerusalemer Bevölkerung spüren, gipfelnd in der Forderung „Lass ihn kreuzigen“, die durch Mark und Bein gehen konnte. Und doch zeigten sie auch Gespür für das Feine: Im immer wiederkehrenden Choral „O Haupt voll Blut und Wunden“ entfaltete sich Trauer, Leid und Entsetzen, empfindsam durch die Chöre interpretiert. Aber auch Hohn und Spott, der dem zu Tode verurteilten Jesus gilt, waren deutlich zu spüren – beide Chöre gingen hier ebenso sensibel wie virtuos zu Werke.

Der ganz besondere Ausdruck, das tiefe Gefühl beeindruckte bei allen Ausführenden. Dabei ist besonders Tenor Tobias Völklein hervorzuheben, dessen Tenor als Evangelist mit seinen Rezitativen und Arien den größten Anteil des Werks zu bestreiten hatte. Wenngleich der Erzähler neutral in seinen Berichten ist, so ließ Völklein doch die Emotionen zart durchschimmern und setzte Akzente in der Dynamik, die sehr ergreifend wirkten. Anne Greiling oblag mit „Erbarme Dich, mein Gott“ die wohl bekannteste Arie der Matthäus-Passion. Sie gab ihr neben ihrem warmen Alt auch Inbrunst und Zartgefühl und wurde damit der atemberaubenden Schönheit der Arie mehr als gerecht.

Bezirkskantor Leonard Hölldampf leitete die Aufführung von Bachs Meisterwerk. Markus Brandhuber

Sopranistin Clara Steuerwald transportierte Hoffnung und Ruhe, aber auch die Verzweiflung, die angesichts des Geschehens auch der Zuhörer mitfühlen kann. Bassist Gerrit Illenberger gab den Widersachern Judas und Pontius Pilatus Kontur, und auch er faszinierte mit expressionistischer Prägung. Auch sein Petrus beeindruckte in der Entwicklung zwischen unbedingter Loyalität und der bitteren Erkenntnis des Versagens. Nicht ganz einfach, die verschiedenen Charaktere zu gestalten – Gerrit Illenberger meisterte es bravourös.

Glänzende Streicherpartien

Als Jesus war Bassist Christian T. Wester zu erleben, der, während das Volk wütet und die Jünger nervös werden, besonnene Ruhe und Gefasstheit in seine Passagen legte. Auch das berührte tief. Den klangbildlichen Heiligenschein um seine Solopassagen legten weiche und glänzende Streicherpartien. Das Orchester sorgte für die souveräne Begleitung der Gesangsparts und tat dies mit der gebotenen Zurückhaltung, die die Sängerinnen und Sänger in den Vordergrund stellte, und das ganz meisterlich.

Die zweieinhalb Stunden, unterbrochen durch eine Pause nach dem ersten Teil bis zur Verhaftung Jesu, waren dicht angefüllt mit Emotion und Dramatik, sodass die Zuhörer ganz gefangen genommen waren von dem überaus intensiven Vortrag. Leonard Hölldampf hat hier für eine glänzende Umsetzung des Werks von hohem Anspruch gesorgt. Das wurde schließlich mit Beifall im Stehen belohnt. Und mit der Andacht und Hingabe des Publikums während der gesamten Aufführung.

Zweite Aufführung

Wer die Matthäus-Passion in Heidenheim verpasst hat, hat noch die Chance, dies nachzuholen. Am Karfreitag, 18. April, wird sie in der Stadtkirche St. Nikolaus in Aalen aufgeführt werden. Die Leitung hat dann Thomas Haller, Bezirkskantor in Aalen.

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