Leserbrief

SWP-Redakteur Dominik Guggemos verbreitet Vorurteile gegen kirchliches Leben mit sachlich falschen Behauptungen

Leserbrief zum Artikel „Mehrheiten für säkulare Politik“ vom 4. April im überregionalen Teil der gedruckten Ausgabe, den die Südwestpresse in Ulm verantwortet.

Im genannten Interview von Dominik Guggemos kommt der Vorsitzende des Zentralrats der Konfessionslosen ausführlich zu Wort und bedient Vorurteile gegen kirchliches Leben in unserem Land. Dabei werden sachlich falsche Behauptungen verbreitet. Dem möchte ich entgegentreten.

Aus gutem Grund ist die Religionsfreiheit in Deutschland grundgesetzlich geschützt. Denn die Geschichte und der Gedanke Europas ist nicht zu verstehen ohne die Rückbesinnung auf das christlich-jüdische Erbe, das seinen Niederschlag gefunden hat in Kultur, Kunst, Architektur, Musik, Bildung und Mitmenschlichkeit. Dass den Kirchen von Anfang an große Bedeutung zu kam im Bildungs- und Alphabetisierungsgrad der Gesellschaft sowie im diakonischen und karitativen Einsatz für die Schwächsten der Bevölkerung, gehört zur christlichen Prägung.

Aufgrund des Subsidiaritätsprinzips gilt, dass gesellschaftliche Aufgaben bei uns nicht zuerst vom Staat, sondern in eigenverantwortlichem Handeln von Individuen und gesellschaftlichen Gruppierungen gelöst werden sollen. Dass der Staat Kirchen bei der diakonischen und pädagogischen Arbeit in Pflege- und Behinderteneinrichtungen, der Suchthilfe, der Obdachlosenhilfe, in Kindertagesstätten finanziell unterstützt, beruht auf diesem bewährten gesellschaftlichen Ordnungsprinzip.

Die Kirchen werden hier nicht privilegiert, sondern ähnlich behandelt wie Spitzenverbände der freien Wohlfahrtspflege oder Nichtregierungsorganisationen. Es entspricht der Vielfalt einer ausdifferenzierten Gesellschaft, dass unterschiedliche Akteure sich gesellschaftlicher Problemlagen annehmen. Würde sich der Staat von diesem Prinzip verabschieden, wäre das paternalistisch bevormundend und böte darüber hinaus keinerlei Kostenersparnis. Dass der Staat das Gehalt unseres Bischofs übernimmt, trifft nicht zu. Es wird wie andere kirchlichen Gehälter auch, aus Kirchensteuermitteln bezahlt.

Auch der Diskriminierungsvorwurf beim Arbeitsrecht lässt sich nicht halten. Freilich gibt es Ausdifferenzierung der beruflichen Anforderungen in diakonischen Einrichtungen: Die Loyalitätsvoraussetzungen sind begrenzt auf Tätigkeiten in der diakonischen Profilbildung, Bildung und Verkündigung, was eine berechtigte Anforderung ans Stellenprofil darstellt. In kirchlich-diakonischen Einrichtungen gilt eine starke Beteiligung der Mitarbeiterschaft auf betrieblicher Ebene. Es besteht keine Differenzierung nach Kirchenmitgliedschaft bei der Mitbestimmung.

Die Arbeitsvertragsrichtlinien in Württemberg in diakonischen Einrichtungen unterscheiden nicht zwischen Geschlechtern, Hautfarbe, Kirchenzugehörigkeit, Alter. Leider hat Dominik Guggemos es versäumt, neben dem Vertreter des Freidenkerverbands auch Kirchenvertreter zum Gespräch einzuladen; der Vorwurf der Diskriminierung wäre leicht entkräftet worden. Gerade in einer polarisierten Gesellschaft leisten Kirchen Wesentliches zum Zusammenhalt und sind als systemrelevant einzuschätzen. Welchen Beitrag der Zentralrat der Konfessionsfreien hier leistet, wird nicht deutlich.

Iris Carina Kettinger, Pfarrerin in Heidenheim