Cum-Ex-Affäre

Wie die komplizierten Finanzrecherchen von Oliver Schröm zur spannenden Fernsehserie wurden

Der aus Heidenheim stammende Investigativ-Journalist Oliver Schröm beschäftigte sich viele Jahre lang mit der Aufdeckung des Cum-Ex-Skandals. Jetzt wurden auf Basis seiner Recherchen eine achtteilige ZDF-Serie sowie ein Dokumentarfilm gedreht.

Schon lange ist der Journalist Oliver Schröm, der seine Ausbildung bei der Heidenheimer Zeitung absolviert hat, bundesweit etabliert im Bereich der investigativen Recherche. Jetzt werden ihn aber möglicherweise noch mehr Menschen kennenlernen, die sich nicht intensiv mit Journalismus beschäftigen: Das ZDF hat eine achtteilige Serie mit dem Titel „Die Affäre Cum-Ex“ produzieren lassen, die auf Schröms Recherchen und Büchern basiert. Darüber hinaus entstand die Dokumentation „Systemfehler: Der Cum-Ex Skandal“, für das Schröm zusammen mit der Dokumentarfilmerin Judith Lentze das Drehbuch geschrieben hat.

Milliardensummen aus den Staatskassen

Im Film geht es wie in der Serie um die Cum-Ex-Geschäfte, mit denen Banken und Anwälte die Staatskassen von elf europäischen Ländern um mindestens 55,2 Milliarden Euro betrogen haben. Das ganze Ausmaß dieses Skandals wurde vom Recherchezentrum Correctiv, dessen Chefredakteur Oliver Schröm damals war, zusammen mit 18 Medienpartnern aus zwölf Ländern offengelegt. Im Kern geht es dabei um Aktiengeschäfte, die kurz vor dem Zeitpunkt der Dividendenausschüttung getätigt werden. Für diese wird Kapitalertragssteuer fällig, die im Fall der Cum-Ex-Geschäfte von den Finanzämtern doppelt zurückgefordert wurde. Diese unrechtmäßige Rückerstattung wurde von den Banken als Rendite auf Kapital versprochen, das reiche Investoren in großer Höhe einsetzten.

Zwar klingen die komplizierten Finanztransaktionen nicht wie der spannendste Stoff für eine Fernsehserie, aber der Erzählrahmen bietet dann doch alles, was gute Unterhaltung braucht: Auf der einen Seite stehen Investoren, Banker und Anwälte, die angesichts des Geldes jeden moralischen Skrupel vergessen, auf der anderen Seite aufrechte Steuerbeamtinnen, eine unbeirrbare Staatsanwältin und engagierte Journalisten, die gegen massive Widerstände versuchen, die unrechtmäßigen Geschäfte zu stoppen. Auch eine politische Komponente wird miterzählt: Bundeskanzler Olaf Scholz, der Erster Bürgermeister in Hamburg war, als die dortige Finanzbehörde auf Millionen-Rückforderungen gegen die Warburg Bank verzichtet hat, ist die einzige Figur, die in der Serie mit Klarnamen genannt wird.

Zwei Bücher als Grundlage

Premiere der Serie war im Februar bei der Berlinale – für den Investigativjournalisten Oliver Schröm zweifellos der Höhepunkt seiner Arbeit der letzten zwölf Jahre. „Es war aber auch ein steiniger Weg“, sagt er zu den komplizierten Recherchen, bei denen er sogar selbst ins Visier der Justiz geriet, weil eine in Cum-Ex-Geschäfte verwickelte Schweizer Privatbank Anzeige gegen ihn erstattete. Von 2014 bis Mitte 2019 schwebte die Ermittlung wegen Wirtschaftsspionage und Verletzung des Geschäftsgeheimnisses über ihm, bis die Hamburger Staatsanwaltschaft sie aufgrund nicht hinreichenden Tatverdachts einstellte.
Zwei Bücher hat der 61-Jährige zum Thema veröffentlicht, „Die Cum-Ex-Files“ und „Die Akte Scholz“, mit letzterem war er 2022 auch in Heidenheim zu einer Lesung.

Der aus Heidenheim stammende Journalist Oliver Schröm bei seiner Lesung 2022 im Margarete-Hannsmann-Saal der Stadtbibliothek. Rudi Penk

Es sei nicht ungewöhnlich, dass die Filmrechte von Büchern optioniert werden, erzählt Schröm, „allerdings wird in den allermeisten Fällen nichts daraus.“ Diesmal war es anders: Die Produktionsfirma X-Filme machte sich an die Umsetzung des Stoffs als Serie. Zwar habe es eine Weile gedauert, bis ein Drehbuchautor gefunden wurde, aber schließlich verwandelte Jan Schomburg die investigativen Recherchen in niveauvolle Fernsehunterhaltung. Auch die Finanzierung, für die ein zweistelliger Millionenbetrag aufgebracht werden musste, habe Zeit beansprucht, erzählt Schröm.

Die realen Akteure vor der Kamera

Sehr nahe an den wirklichen Geschehnissen dran ist die 90-minütige Dokumentation, in der die Menschen zu Wort kommen, die maßgeblich zur Aufdeckung des Skandals beigetragen haben. Neben Schröm selbst sind das beispielsweise die frühere Staatsanwältin Anne Brorhilker und ihr Kronzeuge Kai-Uwe Steck. Erstmals vor der Kamera zu sehen ist Michael Sell, einst Steuerchef im Bundesfinanzministerium, der von seinem Minister Wolfgang Schäuble den Auftrag erhielt, gegen Cum-Ex-Geschäfte vorzugehen. In beeindruckender Offenheit berichtet auch Richter Roland Zickler von seiner Arbeit. Er war weltweit der Erste, der am Landgericht Bonn im Frühjahr 2020 ein Urteil gegen Cum-Ex-Kriminelle fällte.
Die eigentliche Heldin der Geschichte ist aber die Steuerbeamtin Jana Stobinsky vom Bundeszentralamt für Steuern. Sie wurde aufgrund ihrer Arbeit von potenten Anwälten mit Klagen überzogen und führte trotzdem einen jahrelangen Kampf gegen mächtige Gegner. Warum sie trotzdem nie die Überzeugung verlor, dass ein Verbrechen vorliegt, das geahndet werden muss, beschreibt sie im Film.

Serie und Dokumentation sind schon online

Die komplette Serie sowie die Dokumentation zu den Cum-Ex-Geschäften stehen bereits in der ZDF-Mediathek online zur Verfügung. Im Fernsehen (ZDF) ausgestrahlt wird die „Die Affäre Cum-Ex“ am Sonntag, 13., und Montag, 14. April, jeweils ab 22.15 Uhr. Die Dokumentation „Systemfehler: Der Cum-Ex Skandal“ läuft am Dienstag, 15. April, um 00.45 Uhr im ZDF und am Mittwoch, 16. April, um 20.15 Uhr auf 3sat.

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