Der oder die durchschnittliche Deutsche zieht sich pro Tag ein- bis zweimal um. Dreimal, wenn’s hochkommt. Einer, der bei diesen Zahlen wohl nur lachen könnte, ist Marc Jahraus. Im Sasse-Theater spielt er derzeit im Stück „Einer für alles“ den Willy Nußbaum. Und Helmut Nußbaum. Und Michael Nußbaum. Und Axel Nußbaum. Eine doppelte Doppelrolle, für die Jahraus während der Aufführung sage und schreibe 32-mal das Kostüm wechselt. Zum Teil in absoluter Windeseile. Wie sich das mit dem regulären Chaos und dem hohen Tempo hinter der Bühne vereinen lässt? Ein Blick in den Backstage-Bereich – während einer Aufführung:
Samstagabend, 19.45 Uhr: Ein letzter „Schlachtruf“ in der Maske, ein letztes Schnäppsle. Ein „Toi, toi, toi“ auf der Bühne, ehe das Ensemble seine Positionen findet und der Vorhang aufgeht. Showtime in der Sasse. „Knowing Me, Knowing You“ von „Abba“ erklingt, und ebbt ab. Butler Josef (Dominik Offenhäuser) tritt vors Publikum. Während der auch ganz ohne Worte für Gelächter sorgt, bringen sich hinter den Kulissen bereits die nächsten Akteure in Stellung.
4000 Schritte während einer Sasse-Aufführung
Einer von ihnen ist der „Eine“ aus „Einer für alles“: Marc Jahraus schlüpft in die erste seiner vier Rollen an diesem Abend. Latzhose, schwarze Perücke, Basecap, rote Sneaker. So sieht ein Willy Nußbaum aus. Und der klingt ganz gewollt ganz schön weinerlich. Nach knapp 20 Minuten der erste Wechsel. Die Latzhose wird ab-, die Lederjacke übergestreift. Dieser Nußbaum, der nun mit Vornamen Helmut heißt, trägt einen Hut mit breiter Krempe, außerdem eine Brille – und er stottert.
Nur knapp fünf Minuten später beginnt das Spiel erneut, nur eben andersrum. Aus Helmut wird Willy. Bis zur Pause wird Marc Jahraus das Ganze 16-mal wiederholen. Zum Teil bleiben ihm nur etwa zehn Sekunden, um sich nicht nur umzuziehen, sondern auch schauspielerisch in eine ganz andere Rolle zu schlüpfen. Dabei kommt er ganz schön ins Schwitzen: Einmal habe Jahraus während einer Probe per Smartwatch seine Schritte gezählt. „4000 sind dabei zusammengekommen“, erzählt er.

Im weiteren Verlauf des Stücks kommen neben dem Wiener Michael Nußbaum auch noch der Sachse Axel Nußbaum hinzu. Irgendwann gibt dann auch noch ein Nußbaum vor, der andere zu sein. Für Jahraus bedeutet das ein ständiges Switchen zwischen Akzenten, Mimik und Gestik – dabei wäre es leicht, gelegentlich den Überblick zu verlieren. Doch der Sasse-Schauspieler meistert seine Rollenwechsel mit Bravour und ohne Missgeschick.
Bei der Verwechslungskomödie hat freilich das gesamte Ensemble alle Hände voll zu tun, das Chaos auf der Bühne ordentlich und gut getaktet durchzubringen. „Das Stück lebt vom Timing. Ohne funktioniert es nicht“, erklärt Lars Sörös-Helfert, der den Kunstkritiker Boris Weber-Schallenberg spielt. Timing – und auch ein gewisses Maß an räumlicher Wahrnehmung sind essenziell. Denn die beiden Bereiche hinter der Bühne sind lediglich einen bis anderthalb Meter breit. Im Weg stehen darf man sich hier nicht, denn der nächste Einsatz kommt garantiert.
Enthüllung ganz am Ende
Einer, der ebenfalls perfektes Timing an den Tag legt, ist ein Ensemble-Mitglied, dessen Anwesenheit sich dem Publikum erst ganz am Schluss enthüllt – und dessen Identität an dieser Stelle daher nicht verraten werden soll. Nur so viel: Wer gerade den Wald vor lauter Nußbäumen nicht mehr sehen kann, bei dem wird spätestens beim Schluss-Applaus der Groschen fallen. Und vielleicht macht sich sogar folgende Erkenntnis breit: So viel Chaos erfordert einen Haufen Disziplin.
Tickets für „Einer für alles“ in der Sasse
„Einer für alles“ gibt es noch fünfmal im Sasse-Theater zu sehen: am 5., 6., 25., 26. sowie am 27. April. Mit „Die Säule – Wie willst du leben?“ steht in Schnaitheim bereits das nächste Stück in den Startlöchern. Die Junge Sasse bringt das Stück, das im Jahr 2100 auf einem fernen Planeten spielt, ab Freitag, 9. Mai, auf die Bühne. Karten für beide Stücke gibt es unter anderem im Pressehaus in Heidenheim sowie unter hz-ticketshop.de.