Passionsmusik

Wo in Heidenheim vor Ostern alles auf Bach gesetzt wird

Die evangelischen Kantoreien aus Heidenheim und Aalen und die Heidenheimer Opernfestspiele präsentieren in beiden Städten die Johannes- und die Matthäus-Passion.

Bach kennt keine Grenzen. Auch die europäische Wasserscheide hält ihn nicht auf. Diesseits wie jenseits werfen deshalb große Ereignisse ihre Schatten voraus. Und in Heidenheim und Aalen rüstet man sich gemeinsam für einen großen Wurf. In beiden Städten wird vor Ostern sowohl die Johannes-Passion von Johann Sebastian Bach als auch dessen Matthäus-Passion erklingen. Gemeinsam an einem Strang ziehen dabei die evangelischen Kantoreien aus Heidenheim und Aalen und Heidenheims Opernfestspiele.

Die Zuständigkeiten bei dieser Gemeinschaftsproduktion sind eindeutig verteilt. Die Kantoreien kümmern sich um die Matthäus-Passion, die Opernfestspiele um die Johannes-Passion. Letztere wird in Heidenheim am Samstag, 12. April, ab 20 Uhr im Festspielhaus auf dem Programm stehen. Die Matthäus-Passion folgt am Sonntag, 13. April, ab 17 Uhr in der Pauluskirche. In Aalen wird die Johannes-Passion am Sonntag, 13. April, ab 11 Uhr in der Stadtkirche erklingen. Die Aufführung der Matthäus-Passion beginnt dort am Karfreitag, 18. April, um 17 Uhr.

Großstädtischer Charakter

Für die Johannes-Passion treten unter der musikalischen Leitung von Opernfestspielintendant Marcus Bosch die Cappella Aquileia, Gesangssolisten, der Junge Kammerchor Ostwürttemberg und das Vokalwerk der Opernfestspiele an. Die Matthäus-Passion bestreiten die Kantoreien aus Heidenheim und Aalen und ein vorwiegend aus Studenten der Musikhochschule Stuttgart bestehendes Orchester, und zwar in Heidenheim unter der Leitung von Bezirkskantor Leonard Hölldampf und in Aalen unter der Leitung von Kirchenmusikdirektor Thomas Haller.

So wird, wie Heidenheims Kulturamtsleiter Matthias Jochner anmerkt, „gewissermaßen aus der Not eine Tugend“. Der Entschluss, aus einem Boot heraus zu agieren, wurde gefasst, als offenkundig wurde, dass beide Seiten unabhängig voneinander eine der beiden Bach-Passionen ins Auge gefasst hatten. Die Chance zur Kooperation wurde dann schnell und freudig genutzt. „In zwei Städten dieser Größe ein solches Programm in dieser Nähe und Dichte zu präsentieren, hat schon großstädtischen Charakter“, sagt Thomas Haller. „Wir sind sehr zuversichtlich, dass es klappt.“ Und Leonard Hölldampf ergänzt: „Es wird sicherlich höchst spannend sein, beide Werke miteinander zu vergleichen, die Möglichkeit dazu wollten wir auftun.“

Boom-Auslöser

Musikalisch ist die 1724 in der Nikolaikirche in Leipzig uraufgeführte Johannes-Passion „unglaublich dramatisch“. Sagt Thomas Haller. Die Matthäus-Passion, 1727 in der Thomaskirche in Leipzig uraufgeführt, kommt dagegen „eher episch“ daher. Darüber hinaus handelt es sich bei der Matthäus-Passion, die, wie Thomas Haller anfügt, „in ihren Dimensionen hinsichtlich der Besetzung alle bis dato bekannte Dimensionen sprengte“, auch um ein Werk, dem eine besondere Stellung in der Musikgeschichte zukommt. Die Wiederaufführung der ebenso wie Bach gewissermaßen der Vergessenheit anheimgefallenen Matthäus-Passion durch die von dem erst 20-jährigen Felix-Mendelssohn Bartholdy dirigierten Berliner Singakademie 1829 in Berlin, leitete, 100 Jahre nach der Uraufführung des Werkes, den bis heute andauernden Bach-Boom ein und löste letztendlich auch den Historismus in der Musik aus.

Die Zusammenarbeit der Kantoreien aus Heidenheim und Aalen habe, so Thomas Haller, ohnehin „uralte Tradition“. So sei zum Beispiel in den 1950er Jahren in Aalen die erste Aufführung der Matthäus-Passion gemeinsam von der Aalener Kantorei und dem Oratorienchor Heidenheim gestaltet worden, und zwar unter der Leitung des Aalener Kantors Herbert Tuschhoff, der von 1950 bis 1985 auch den Heidenheimer Oratorienchor dirigierte. Die Opernfestspiele wiederum haben Bach nicht zuletzt deshalb auf den Spielplan der Meisterkonzerte gesetzt, weil man, nachdem nun drei Jahre hintereinander ein Winterballett die Winteroper ersetzt hatte, die Chormusik und die Zusammenarbeit mit dem Jungen Kammerchor nicht vernachlässigen habe wollen. „Außerdem“, so Matthias Jochner, "liegen Marcus Boschs Wurzeln in der Kirchenmusik, und er kehrt immer wieder gern dorthin zurück.“

Gegen den Trend

Bei zwei enorm gut besuchten Podiumsgesprächen in Aalen und Heidenheim haben Thomas Haller, Leonard Hölldampf und Matthias Jochner bereits thematische Vorarbeit hinsichtlich der vier Aufführungen geleistet. „Dabei wurde deutlich“, wie Leonard Hölldampf sagt, „wie zahlreiche die Ebenen sind, auf denen die Passionsgeschichte bei Bach betrachtet werden kann.“ So zeichnet die Johannes-Passion, wie Thomas Haller anmerkt, "eher das siegreiche, romanischen Christusbild, wohingegen uns in der Matthäus-Passion der gotische, leidende Christus begegnet".

Was es Passionswerken grundsätzlich nicht leichter mache. „Dadurch, dass in unserer Gesellschaft das Leiden immer stärker tabuisiert“ werde, seien, mit Ausnahme des Weihnachtsoratoriums, Oratorien in der Publikumsgunst nicht eben an der Spitzte anzutreffen. In Heidenheim und Aalen ist das nun hoffentlich anders. „Ostwürttemberg gegen den Trend“, sagt Matthias Jochner und lacht.

Karten für alle vier Aufführungen

Eintrittskarten für die Heidenheimer und Aalener Aufführungen der Johannes-Passion und der Matthäus-Passion sind in Heidenheim im Vorverkauf im Ticketshop des Pressehauses erhältlich.

Jetzt einfach weiterlesen
Jetzt einfach weiterlesen mit HZ
- Alle HZ+ Artikel lesen und hören
- Exklusive Bilder und Videos aus der Region
- Volle Flexibilität: monatlich kündbar