Gerüchte gab es schon länger, aber Zeiss hielt sich bedeckt. Erst Anfang März hatte die HZ beim Oberkochener Unternehmen nachgefragt, ob das Neubau-Projekt in Aalen-Ebnat gestoppt werde. Ein Sprecher wollte das Gerücht „ausdrücklich nicht bestätigen“. „Wie im Oktober 2024 kommuniziert, befindet sich das Projekt aktuell immer noch in der Optimierungsphase“, hieß es. Nun ist klar: Das Bauvorhaben soll wohl nicht gestoppt werden, aber es verzögert sich. Und zwar auf unbestimmte Zeit. Als Grund gibt Zeiss die anhaltenden Unsicherheiten auf den Absatzmärkten an, verursacht durch die geopolitischen und geoökonomischen Turbulenzen der vergangenen Monate.
„Der Standort in Ebnat bleibt Bestandteil der Investitionsstrategie“, teilt Zeiss in einer Pressemitteilung außerdem mit. Gleichzeitig sei das Unternehmen seinen Mitarbeitenden gegenüber verpflichtet, Entscheidungen verantwortungsbewusst und mit Weitsicht zu treffen, sodass keine unkalkulierbaren Risiken entstünden. „Die Entwicklungen der vergangenen Wochen und Monate lassen Zeiss den Zeitpunkt des Baustarts überdenken. Wann genau mit dem Bau begonnen werden kann und wie lange sich der Zeitplan verschiebt, ist offen.“ Bereits im Herbst 2024 hatte Zeiss die Planungsphase des Bauprojekts erweitert, um – wie es hieß – die Entwurfsplanung abzuschließen, Kosten zu reduzieren und die geplante Bauphase bestmöglich vorzubereiten.
Investitionen in erneuerbare Energien auf der Ostalb werden fortgeführt
Angesichts der globalen Markt- und Geschäftsentwicklungen will Zeiss seine Baupläne anpassen und plant die Realisierung des Bauvorhabens flexibler. Dabei seien insbesondere der Baustart, die Dauer bis zur Fertigstellung sowie die infrastrukturelle Unterstützung auf politischen Ebenen von Bedeutung. Diese Faktoren werden der Zeiss-Mitteilung nach kontinuierlich bewertet, um den „strategisch wichtigen Standort in Aalen-Ebnat“ zu einem geeigneten Zeitpunkt zu realisieren.
Die Vorbereitungen für Investitionen in erneuerbare Energieprojekte würden davon unabhängig aber fortgeführt, so das Unternehmen. Wie berichtet, plant Zeiss bei Ebnat einen Windpark und eine Freiflächen-PV-Anlage, um seinen Strombedarf auf der Ostalb möglichst selbst zu decken und energetisch unabhängiger zu werden.
Aalens OB: „belastende Wirtschaftspolitik der Trump-Regierung“
Die Stadt Aalen nimmt die Verzögerung mit Bedauern zur Kenntnis. „Der verschobene Baustart trifft Aalen und die Region hart“, heißt es in einer Pressemitteilung. „Auch wenn das Unternehmen erklärt, nach wie vor am Standort Aalen-Ebnat festhalten zu wollen.“ Die Stadt geht davon aus, dass das Unternehmen, wie vertraglich vereinbart, spätestens bis 2030 in Ebnat mit dem Bauvorhaben beginnen werde, betont Oberbürgermeister Frederick Brütting. „Die Nachricht zeigt aber auch, wie belastend sich die gegenwärtige Wirtschaftspolitik der Trump-Regierung auf unsere Märkte in Deutschland und in der Region auswirkt.“
Die Stadt habe sich seit den ersten Gesprächen vor vier Jahren intensiv um das Bauvorhaben gekümmert und ihre Planungen in enger Abstimmung mit dem Unternehmen auf eine möglichst umwelt- und klimaschonende Mobilität ausgerichtet, so der Erste Bürgermeister Wolfgang Steidle. Außerdem habe man Planungen für Kinderbetreuung, Sportstättenbau und Wohnraum in ihren Ortsteilen Ebnat und Waldhausen auf die zukünftig rund 2500 Mitarbeitenden am neuen Zeiss-Standort ausgerichtet. Die Stadt will nun gemeinsam mit dem Unternehmen eine Strategie erarbeiten, um diese Projekte sinnvoll in eine neue Zeitschiene bis zum tatsächlichen Baubeginn einzutakten.
Die ursprünglichen Pläne
Auf einer 148.000 Quadratmeter großen Fläche nördlich von Ebnat an der A7 sollten rund 2500 Arbeitsplätze der Zeiss-Sparte „Industrial Quality and Research“ (IQR) beheimatet werden, von denen die meisten derzeit in Oberkochen angesiedelt sind. Der Baubeginn für den „Zeiss-Campus“ als Standort für die Entwicklung und Produktion der Messtechnik und Mikroskopie war ursprünglich für das vierte Quartal 2024 vorgesehen. Die Fertigstellung war für Anfang 2027 geplant.