Lisa Reichenbach findet es super. Ihre Kollegen Franz Scharle und Michael Nobis auch. Die drei arbeiten bei Metallbau Tix in Nattheim. Seit gut einem Jahr in der sogenannten und viel diskutierten Vier-Tage-Woche. Das Modell gilt als vielversprechend. Nicht zuletzt in Zeiten des demografischen Wandels, des Fachkräftemangels und einer von Work-Life-Balance geprägten Gesellschaft sucht es seine Berechtigung.
Während Lisa Reichenbach im Büro tätig ist, arbeiten die beiden Männer als Schlosser bzw. Konstruktionsmechaniker. Die drei genießen die Vorzüge: Die Arbeitswoche ist entspannter, man ist energiegeladener, es gibt Zeit für private Termine und natürlich ergeben sich ganz andere Möglichkeiten für Kinder und Familie. Die Stimmen im Unternehmen sind eindeutig.
Keine Fließbandarbeit, dafür die Vier-Tage-Woche
Metallbau Tix ist ein kleiner, familiärer Handwerksbetrieb in Nattheim. Bei 13 Mitarbeitern kennt jeder jeden. Hier ist man flexibel – und muss auch flexibel sein. Die Konkurrenz ist groß, der Kostendruck ebenso. Und das Rennen um gute Mitarbeiter hat längst begonnen. Hier bei Metallbau Tix wird etwa mit Aluminium gearbeitet, mit Stahl und Edelstahl. Hier wird angefertigt, montiert, repariert. Da werden Brandschutztüren angefertigt, Fensterelemente, Handläufe, Stahlgeländer – Sonderanfertigungen meistens. Aktuell läuft viel im Bereich Reparaturarbeiten. Bei Metallbau Tix gibt es keine Fließbandarbeit, kein Homeoffice. Aber die Vier-Tage-Woche.
Es geht um Attraktivität, um Effektivität und um Kostendruck
Diese Entscheidung kam in Schritten. 2023 hatte Geschäftsführer Sascha Maier beschlossen, zunächst eine Stundenreduzierung umzusetzen. Er erklärt: „Wir mussten erstmal sehen, wie wir mit weniger Stunden zurechtkommen.“ Dann, 2024, kamen der Schritt auf 36 Stunden und ein Wechsel in ein neues Modell. Gearbeitet wird montags bis donnerstags, freitags ist frei. Während vorher an vier Tagen achteinhalb Stunden und freitags sechs Stunden gearbeitet wurde, sind es nun jeweils neun Stunden an vier Tagen. Der Urlaubsanspruch blieb gleich. Der Lohn ebenso.
Sascha Maier hatte sich den Schritt gut überlegt. Die Gründe für ein Vier-Tage-Modell sind vielfältig. Da geht es natürlich um Wettbewerbsfähigkeit, um Zahlen, um Kostendruck, um Konkurrenz, um Fachkräfte, um Effizienz. Es geht darum, ein attraktiver Arbeitgeber zu sein. Stichwort Work-Life-Balance. „Ich habe überlegt, wie ich meinen Mitarbeitern etwas bieten kann, wie wir effizienter werden und wie ich mich im Konkurrenzdruck unternehmerisch ausrichten kann“, sagt Geschäftsführer Sascha Maier. Da der Freitag bei ihnen ohnehin ein kurzer Tag war, habe er sich nicht wirklich gelohnt. Zudem hatte sich die wirtschaftliche Lage verändert, die Auftragslage reduziert.
Durch die Schließung spart sich der Betrieb Energiekosten
Geschäftsführer Sascha Maier sieht den freien Freitag als Benefit, wie man heute gerne sagt. Und als Investition in die Zukunft: „Ich hoffe schon, dass meine Mitarbeiter langfristig gesünder bleiben.“ Er ist sich sicher, dass die Reduzierung auf vier Tage eine echte Erleichterung für die Mitarbeiter ist, die jenseits von gängigen Bonuszahlungen direkt beim Arbeitnehmer ankommt.
„Ich hoffe schon, dass meine Mitarbeiter langfristig gesünder bleiben.“
Sascha Maier, Geschäftsführer von Metallbau Tix
Nebeneffekt: Durch die Schließung des Betriebs an Freitagen spart sich Sascha Maier Energiekosten. Denn nicht nur die Mitarbeiter haben frei, auch Licht und Heizung bleiben aus. „So konnte ich die Energiekosten zumindest gleich halten“, sagt der Metallbaumeister. Er selbst arbeitet auch freitags und samstags. Selbst und ständig eben. Für Sascha Maier ist das eine Zeit, in der er Dinge aufarbeiten und steuern kann. „So kommt die Vier-Tage-Woche auch mir zugute“, sagt er.
Weniger Krankheitsausfälle? Mehr Bewerber?
Wie steht es um die erhofften Effekte? Gibt es weniger Krankheitsausfälle? Mehr Bewerber? Sind die Arbeiter produktiver, weil motivierter? Sascha Maier: „In Sachen Krankheitsausfälle sehe ich aktuell noch nicht die großen Auswirkungen, das ist eher in die Zukunft gerichtet.“ Was jedoch zumindest gefühlsmäßig auffalle, sei, dass die kleineren Dinge, sei es Schnupfen oder dergleichen, weniger würden. Vier Tage, so Sascha Maiers Wahrnehmung, „schafft man eher“. Zudem: Sascha Maier sieht keine Mehrbelastung für seine Mitarbeiter in den verbliebenen vier Tagen. „Effizienz ist das Thema“, sagt er.
„Keiner kommt nur wegen der Vier-Tage-Woche."
Sascha Maier
Zur Bewerberlage: „Keiner kommt nur wegen der Vier-Tage-Woche“, so Sascha Maier. Möglicherweise sei es ein Pluspunkt, aber kein alles entscheidendes Kriterium. Zumal: Der Markt sei dünn, potenzielle Mitarbeiter rar, Fachkräftemangel und demografischer Wandel hinterlassen Spuren. Hinzu kommen gesellschaftliche Entwicklungen. Es fehle an Wertschätzung gegenüber dem Handwerk, an Arbeitsmoral und -bereitschaft, es fehle schlichtweg an Menschen, die in diesen Beruf einsteigen, anpacken möchten. Die Gründe hierfür kann Sascha Maier nur bedingt verstehen, denn er sagt: „Wer im Handwerk eine Ausbildung macht, der hat was fürs Leben und einen sicheren Job.“ Ein weites Feld.
„Bei mir funktioniert das, aber das geht sicher nicht überall.“
Sascha Maier
Positive Auswirkungen gebe es in Sachen Effektivität und Produktivität: „Man kann wirklich viel rausholen“, sagt Sascha Maier. Kommunikation und Organisation seien das A und O.
Es gab auch bürokratische Herausforderungen
Im Prozess der Umstellung galt es auch, bürokratische Herausforderungen zu meistern. Krankmeldungen seien etwa herausfordernd gewesen, berichtet Sascha Maier. Dass man in Sachen Vier-Tage-Woche noch in den Kinderschuhen steckt, hat er deutlich gespürt. Unterm Strich ist er aber froh, den Schritt gewagt zu haben: „Bei mir funktioniert das, aber das geht sicher nicht überall.“
Studie, IHK, Handwerkskammer: Stimmen zur Vier-Tage-Woche
Die Universität Münster hat eine Studie zur 4-Tage-Woche vorgelegt. Im Mittelpunkt standen die Auswirkungen auf Produktivität, Zufriedenheit und das allgemeine Wohlbefinden. Es wurden mehr als 40 Unternehmen begleitet, die freiwillig bereit waren, die Vier-Tage-Woche zu testen. Die Studie zeigt: Das Modell funktioniert in den meisten Fällen gut. Am Ende ergab sich folgendes Bild: 39 Prozent der Unternehmen wollen die Vier-Tage-Woche dauerhaft behalten, 34 Prozent verlängern die Testphase. 20 Prozent der Unternehmen lassen wieder fünf Tage pro Woche arbeiten, unter anderem, weil das Stressniveau an den verbliebenen Tagen zu hoch gewesen sei. Die Daten aus den ersten Phasen der Studie deuteten darauf hin, „dass die Vier-Tage-Woche nicht nur das Wohlbefinden der Beschäftigten verbessert, sondern auch positive Auswirkungen auf die Produktivität hat“, heißt es. Die teilnehmenden Betriebe, die bei der Vier-Tage-Woche bleiben, werden nun weiterhin begleitet, um auch mittel- und langfristige Effekte untersuchen zu können.
Seitens der IHK Ostwürttemberg gibt es auf Anfrage diese Einschätzung zur Vier-Tage-Woche: „Volkswirtschaftlich steht die IHK Ostwürttemberg einer generellen Einführung einer Vier-Tage-Woche eher skeptisch gegenüber, weil angesichts eines sich verschärfenden Fachkräftemangels sich ein enormer Verlust an Wertschöpfung und damit an Wohlstand ergeben würde. Regelungen zur Arbeitszeit obliegen jedoch den jeweiligen Tarifparteien. In den meisten anderen Industrieländern ist die durchschnittliche Jahresarbeitsleistung heute höher als in Deutschland“, teilt ein Sprecher mit.
Und die Handwerkskammer Ulm sagt: „Bei der Diskussion um die Vier-Tage-Woche geht es darum, Betrieben eine größere Flexibilität bei der Arbeitszeitverteilung zu verschaffen. In der Sache geht es also nicht so sehr um eine Verkürzung der Wochenarbeitszeit, sondern um eine andere Verteilung der zur Verfügung stehenden Arbeitszeit.“ Ob das Vier-Tage-Modell zum jeweiligen Betriebskonzept passt, müsse individuell entschieden werden. Attraktive betriebliche Arbeitszeitmodelle, so die Kammer, könnten ein wichtiger Wettbewerbsvorteil sein, um neue Beschäftigte anzuwerben, aber auch um bereits vorhandene Fachkräfte zu halten und an den Betrieb zu binden. In den Beratungen der Handwerkskammer Ulm werde das Thema verstärkt nachgefragt.