Einen Cowboy als Mann? Den hat Angelika Biller zwar nicht, allerdings fiel ihr (zukünftiger) Mann ihr aufgrund der typischen Kopfbedeckung bei einer Geburtstagsfeier auf. Bernd Biller, seines Zeichens schlichtweg Ringer-Legende der TSV Herbrechtingen, war kurz vorher aus den USA zurückgekehrt, natürlich mit einem Cowboyhut. „Das war ein toller Hut.
Den habe ich auch gleich aufgesetzt“, erinnert sich Angelika Biller, die früher selbst Handball gespielt hat und heute als Managerin der SHB-Handballerinnen alles und alle im Griff hat. Seit jeher pflegten die Handballer und Ringer einen engen Kontakt, der sich durch die Verbindung von Angelika und Bernd Biller noch verstärkte. „Bernd war damals noch mit dem Fahrrad unterwegs. Für mich hat er den Führerschein gemacht“, erinnert sich Angelika Biller – und lacht.

Ein Führerschein war nämlich von Vorteil. Bernd Biller ist Ur-Herbrechtinger, seine Frau kommt aber aus Bissingen. Und eben in Bissingen haben die beiden seit 34 Jahren ihren Lebensmittelpunkt. „Ich bin ja hier im missionarischen Dienst unterwegs“, scherzt Bernd Biller. Er habe aber immer gesagt, dass er maximal 50 Jahre in Bissingen bleibe. „Und keinen Tag länger“, betont Bernd Biller und schiebt mit einem Augenzwinkern nach: „Das schmiere ich meiner Frau öfter aufs Brot.“ Am 29. März 2041 wären es 50 Jahre, das Datum hat Bernd Biller im Kopf.
Zieh doch gleich in die Turnhalle.
Angelika Biller zu ihrem Mann Bernd
Beide sind äußerst engagiert. Und beide für den ein oder anderen Spruch gut. Seit 1997 ist Bernd Biller Trainer der Herbrechtinger Ringer (von 1994 an drei Jahre lang zusammen mit Hans Fischer). „Früher war ich vor Kämpfen angespannter. Da hat meine Frau immer gesagt: Zieh doch gleich in die Turnhalle“, erinnert er sich. „Mittlerweile bin ich ruhiger geworden.“
Angelika Biller bezeichnet ihren Mann, der heute seinen 60. Geburtstag feiert, gar als ruhenden Pol. „Ich kann schon mal gleich hochgehen, er ist aber die Ruhe in Person“, beschreibt Angelika Biller die unterschiedlichen Charaktere.

Eine andere gute Eigenschaft ihres Mannes, der für die TSV Herbrechtingen 451 Kämpfe bestritten hat? „Man kann ihn alles fragen, von Geschichte bis irgendwas mit Zahlen. Bernd weiß alles, er ist der Dreh- und Angelpunkt. Und er kann sehr gut kochen, von Schnitzelpfanne bis zur schwäbischen Lasagne, meinem Lieblingsgericht“, erzählt Angelika Biller. Fürs Kochen geht Bernd Biller aber auch gerne Lebensmittel einkaufen. „Das nervt mich manchmal richtig, dass er immer so viel kauft. Dann frage ich ihn, was er denn jetzt schon wieder eingekauft hat“, gesteht Angelika Biller mit einem Lachen.
Da musst du, alter Depp, doch nicht dabei sein.
Angelika Biller scherzhaft zu ihrem Mann Bernd, der bei den Jahresabschlussfeiern immer mittendrin ist
Bernd Biller ist auch Entertainer, was seiner Frau ebenfalls nicht immer unbedingt gefällt. Bei den Jahresabschlussfeiern der Herbrechtinger Ringer ist der Trainer nämlich mittendrin und nicht nur dabei. Im Vorfeld solcher Veranstaltungen hat sich inzwischen der Spruch seiner Frau etabliert: „Da musst du, alter Depp, doch nicht dabei sein.“ Bernd Biller muss herzlich lachen, als er davon erzählt. In diesem Jahr führten die Ringer die Show „Herzblatt“ – mit Bernd Biller als Moderator auf.
„Vor Publikum zu reden, hatte ich noch nie Probleme“, sagt Bernd Biller. In jungen Jahren habe er auch Gedichte geschrieben und die vorgetragen. „Einen Literaturpreis hätte ich damit nicht gewonnen, aber meistens waren sie lustig“, scherzt der 60-Jährige, der sich selbst als einen geselligen und fröhlichen Menschen bezeichnet.

Da passt sein Beruf, oberflächlich betrachtet – vielleicht nicht dazu. Die meisten Autofahrer im Landkreis Heidenheim (mit einigen örtlichen Ausnahmen) haben es schon einmal mit Bernd Biller zu tun gehabt – indirekt zumindest. Biller ist Sachbearbeiter bei der Straßenverkehrsbehörde, trocken ausgedrückt. Damit ist er auch für Baustellen-Genehmigungen und Straßensperrungen zuständig. Oder aber auch für Schwertransporte, die durch den Landkreis gehen. „Die Menschen wollen Straßen, die in Ordnung sind, aber zugleich freie Fahrt“, weiß Bernd Biller um die ein oder andere Aufregung.
Klein und dick, so seh' ich aus. Bloß beim Ringen macht’s nichts aus.
Bernd Biller
Er aber bleibt stets ruhig und fokussiert. So wie er es auch schon als Ringer gewesen ist, weiß Hans Fischer. „Bernds Anfang war schwierig. Er hatte viel Gewicht und musste als Achtjähriger auch gegen Zwölfjährige kämpfen, da es damals keine Altersklassen in der Jugend gegeben hat“, erinnert sich der 79-Jährige, der Bernd Biller trainiert hatte. Bis zum ersten Sieg verging einige Zeit. Dann aber kam eine Gewichtsklasseneinteilung – und Bernd Billers Karriere nahm an Fahrt auf.
Ein legendärer Spruch des damals noch sehr jungen Bernd Biller: „Klein und dick, so seh’ ich aus. Bloß beim Ringen macht’s nichts aus.“ Daran erinnert sich Alwin Reimer gerne zurück, der seit 1979 für die Pressearbeit bei den Herbrechtinger Ringern verantwortlich ist und Bernd Biller als Frohnatur bezeichnet.
Ebenfalls wichtig: „Bernd hat nie aufgegeben“, weiß Hans Fischer, der auch sagt: „Er war leicht zu trainieren, da er immer einen inneren Antrieb gehabt hat.“ Bernd Biller kämpfte sich bis in die deutsche Ringerspitze im Freistil vor, nahm an 25 Deutschen Meisterschaften teil – und wurde 1990 deutscher Vizemeister in der Kategorie bis 130 kg.

Und: „Für lustige Sachen war er immer zu haben“, sagt Hans Fischer über seinen ehemaligen Schützling, der sein Nachfolger als Herbrechtinger Trainer wurde (eine Zeit lang haben sie zusammen gecoacht, Biller war Trainer, Fischer Mannschaftsführer). „Bernd war schon immer ein Spaßvogel, hat sich gerne verkleidet. Und wir haben immer Lieder in der Kabine gesungen“, erinnert sich Hans Fischer. „Bernd kann einfach gut mit Menschen, das ist seine große Stärke. Und er hat eine Bierruhe, wie man so schön sagt“, fügt Alwin Reimer an.
Die Ruhe weg hat Bernd Biller auch, wenn man ihn danach fragt, wie lange er noch als Trainer weitermachen möchte. „Die Frage hat sich bislang für mich nicht gestellt. Auch wenn ich fast doppelt so lang Trainer bin wie Frank Schmidt“, sagt er und muss selbst lachen. Dabei fungiert er in erster Linie im administrativen Bereich, wie es Bernd Biller ausdrückt und so seinen Job als Sachbearbeiter doch durchschimmern lässt.
An der Matte coacht nämlich Eduard Kruse, unterstützt von Werner Beck. Auch Tobias Fischer spielt eine wichtige Rolle. Biller selbst kümmert sich in erster Linie um die Planung des Mannschaftskaders, die Gastringer aus Bulgarien oder Moldawien und die Vorbereitung der Heimkämpfe. Aber natürlich sei er auch bei jedem Training dabei.

Auf seinen Kopf kann man sich bei der TSV Herbrechtingen weiterhin verlassen. Auch, weil dieser ein besonderer ist – nicht wegen eines Cowboyhuts. „Bernd hat mit 63 Zentimetern Umfang einen extrem großen Kopf. Bei der Bundeswehr hatte er lange keinen Helm, weil es einfach keinen gab“, erzählt Angelika Biller. Deswegen probiert ihr Mann gerne Mützen und Hüte auf, überall. Womöglich auch an seinem 60. Geburtstag – zusammen mit Tochter Lena geht’s für das Geburtstagskind und seine Frau nämlich in den Urlaub …
Aushängeschild der TSV Herbrechtingen
Bernd Biller trat mit sieben Jahren am 1. Juli 1972 der TSV Herbrechtingen bei. Sein verstorbener Onkel, Werner Bosch, war einst 1961 Mitglied der Gründer-Staffel der TSV und in der damaligen Zeit auch der Frontmann der TSV-Ringer im Schwergewicht. Mit 14 Jahren durfte Biller bereits in der 1. Mannschaft in der 2. Bundesliga mitringen und absolvierte im Zeitraum von 1979 bis 2010 insgesamt 448 Mannschaftskämpfe. 2014 half er zweimal im Landesklasse-Team aus und erreichte so 450 Kämpfe für die TSV. 2022 gab es ein weiteres Comeback für Bernd Biller, als er mit 57 Jahren erneut in der Landesklasse aushalf – und den Kampf gewann.
Zum Ehrenmitglied der TSV Herbrechtingen wurde Bernd Biller 2015 ernannt. Er ist zudem Träger der Silbernen und Goldenen Ehrennadel des Württembergischen Ringerverbandes.
Bei Einzelmeisterschaften errang er rund 25 Bezirksmeistertitel bei der Jugend und den Männern, dazu kommen 14 Landesmeistertitel und sechs Vizemeisterschaften und weitere 3. Plätze. Zudem war er dreimal Deutscher Meister bei der Jugend und den Junioren, gewann bei den Männern 1990 die Deutsche Vizemeisterschaft und holte sich ein Jahr zuvor schon den 3. Platz bei der DM. Biller nahm auch an der Jugend-Weltmeisterschaft teil und belegte darüber hinaus bei den Junioren jeweils Rang fünf bei der Europa- und der Weltmeisterschaft.