Verteidigung

Kommandeur: Deutschland wäre Drehscheibe für Aufmarsch

Sollte die Nato im Osten gebraucht werden, würden Hunderttausende Soldaten durch Deutschland verlegt werden. Welche Folgen das für den Südwesten hätte, ist Thema eines Treffens im Innenministerium.

Sollte es an der Nato-Ostflanke zu einer Eskalation kommen, hätte das nach Einschätzung des Chefs des Landeskommandos Baden-Württemberg auch spürbare Auswirkungen auf Deutschland und Baden-Württemberg. «Der Aufmarsch - der stattfinden muss, bevor es zum ersten Schuss kommt, damit es abschreckend wirkt - der wird zu 99 Prozent durch Deutschland gehen. Deutschland ist Drehscheibe für den alliierten Aufmarsch, für den ganzen Nachschub, der nach Osten laufen muss», sagte der Kapitän zur See, Michael Giss, der Deutschen Presse-Agentur in Stuttgart. 

Das dürfte auch die Bevölkerung spüren, denn es geht um eine große Zahl an Menschen und Material. Dafür müssen Autobahnen und Bundesstraßen genutzt werden, die Konvois brauchen zudem Treibstoff und Nahrung. «Um eine wirkungsvolle Abschreckung gegen die russische Armee darzustellen, rechnen wir als Hausnummer mit 800.000 Soldaten in relativ wenigen Wochen - plus das gesamte Gerät, das dazugehört», sagte Giss. 

Straßen müssten Mehrbelastung aushalten

Dafür müsse auch die nötige Infrastruktur ertüchtigt werden, so der Kommandeur. «Autobahnen und Bundesstraßen, über die es dann transportiert werden muss, müssen in einem Zustand sein, dass sie so eine Mehrbelastung an Verkehr auch aushalten.» 

Die Verkehrsminister der Länder hatten erst jüngst deswegen Ansprüche auf Gelder aus dem geplanten Sondervermögen zur Verteidigung angemeldet. Diese würden benötigt, um bestimmte Verkehrswege auf Straße und Schiene bezüglich ihrer Traglast für militärische Zwecke zu ertüchtigen.

Welche Rolle Baden-Württemberg in diesem Fall zukäme, ist im sogenannten Operationsplan Deutschland festgeschrieben. Der Plan legt fest, wie Behörden, Wirtschaft und Bundeswehr im Spannungs- und Verteidigungsfall zusammenarbeiten. Die Details sind geheim, Baden-Württemberg spielt Giss zufolge aber eine «gewichtige Rolle». 

Treffen im Innenministerium zur zivilen Verteidigung

Was das alles für die Behörden und Menschen im Südwesten bedeutet, ist auch Thema bei einer Informationsveranstaltung am Freitag (9.30 Uhr) im Innenministerium zum Thema zivile Verteidigung. Dabei will Innenminister Thomas Strobl unter anderem mit Landräten, Bürgermeistern und der Bundeswehr darüber sprechen, welche Vorbereitungen auf einen Verteidigungsfall nötig sind.

Vorsorge müsste aus Sicht des Landeskommandeurs etwa für das Gesundheitswesen getroffen werden. Sollte es tatsächlich zu kriegerischen Auseinandersetzungen im Osten kommen, müsse man mit Hunderten Verwundeten pro Tag rechnen, die auch in zivilen Krankenhäusern versorgt werden müssten, so der Kommandeur. Für diesen Fall müsse man planen. «Aus militärischer Sicht sollte man sich überlegen, ob es nicht doch eine Möglichkeit gibt, das eine oder andere Krankenhaus, das man schließen möchte, nicht doch noch irgendwie zu behalten», sagte Giss.