Die Zahl von Opfern sexualisierter Gewalt bei der evangelischen Landeskirche in Baden steigt weiter. «Es melden sich zunehmend Menschen bei uns», sagte Landesbischöfin Heike Springhart am Rande der Frühjahrssynode in Bad Herrenalb (Landkreis Calw). Die Menschen nehmen ihrer Einschätzung nach vermehrt wahr, dass sie Gehör finden.
Unter jenen, die sich an die Kirche wenden, seien auch aktuelle Fälle. «Das ist nicht nur ein Thema der Vergangenheit», sagte Springhart. Genaue Zahlen nannte sie nicht. Ende vergangenen Jahres waren in der Landeskirche und der Diakonie Baden insgesamt 190 Betroffene bekannt. Klar sei allerdings, dass die Dunkelziffer höher sei, betonte die Landesbischöfin.
Aufarbeitungskommission nimmt Arbeit auf
Die gemeinsame Unabhängige Regionale Aufarbeitungskommission (URAK) der beiden Landeskirchen in Baden und der Pfalz sowie der Diakonischen Werke starte an diesem Freitag, sagte Springhart. Ziel sei, die Strukturen zu ergründen, in denen sexualisierte Gewalt stattfand.
Die bundesweit neun Kommissionen bestehen je aus sieben Mitgliedern. Neben zwei Betroffenen gehören dazu drei unabhängige, vom Bundesland benannte Expertinnen und Experten und zwei Vertreterinnen und Vertreter von Kirche und Diakonie. Die württembergische Kommission konstituierte sich Ende März.
Da die Gremien unabhängig arbeiten sollen, gebe es keine Zeitvorgaben oder Zielmarken. «Es sei denn, sie setzen sie sich selbst», sagte Springhart.
Springhart: Thema wird auch für Kirche nie erledigt sein
Der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) hatte jüngst eine neue Richtlinie beschlossen, damit Opfer sexualisierter Gewalt in der Evangelischen Kirche bundesweit einheitlich entschädigt werden. Diese sieht unter anderem vor, dass Missbrauchsopfer in EKD oder Diakonie pauschal 15.000 Euro erhalten, wenn eine strafbare Tat vorliegt - auch, wenn diese strafrechtlich verjährt ist. Die neue Regelung soll ab dem 1. Januar 2026 greifen.
Springhart betonte: «Sexualisierte Gewalt wird sich als Thema nie erledigt haben.» Das gelte nicht nur für Betroffene, sondern auch für die Kirche selbst. Man dürfe nicht der Illusion aufsitzen, als könne man das Kapitel abschließen.