Analoges Kultobjekt: Die Lavalampe wird 60
Blubberblasen steigen auf, erst langsam, dann immer schneller. Sie prallen aneinander ab, purzeln weiter. Vereinen und teilen sich: Im hypnotisierenden Spiel der Blasen einer Lavalampe kann man sich verlieren.
«Wenn Sie meine Lampe kaufen, brauchen Sie keine Drogen», damit hat Edward Craven Walker (1918-2000) geworben. Er ist der Erfinder der Lavalampe, die vor 60 Jahren - im Jahr 1963 - im englischen Ort Poole auf den Markt kam.
Edward Craven Walkers Firma Mathmos vertreibt die Leuchten bis heute erfolgreich. Auch auf Flohmärkten gehen alte Modelle - Originale wie die vielen Nachahmerprodukte - nach wie vor schnell weg. Vielleicht liegt das auch daran, dass die Leuchten aktuell einen neuen Reiz haben: Sie arbeiten in einem Zeitalter, in dem alles und jeder vernetzt und immer zu in Eile ist, sehr langsam.
«Ich mag, dass Lavalampen einen herunterbringen, während sie sich aufwärmen», sagt Cressida Granger, die heutige Inhaberin von Mathmos, der Deutschen Presse-Agentur. «Man muss auf die vielen Blasen warten. Das ist ein bisschen so wie mit einem Lagerfeuer. Man muss es erst stapeln und anzünden, um in die Flammen schauen zu können.»
Der Anfang: Es war einmal eine Eieruhr
Edward Craven Walker entwickelte die ersten Lavalampen Anfang der 60er Jahre aus dem Design einer Eieruhr, die er laut dem Bundesverband Deutscher Patentanwälte in einem Pub sah. Mithilfe eines Cocktailshakers auf dem Herd und zwei sich darin bewegenden Flüssigkeiten sollte das Eierkochen bemessen werden.
Diese Idee packte Craven Walker. Er tüftelte jahrelang an Prototypen einer Leuchte aus Cocktail- und Orangensaftflaschen. In diesen befanden sich zwei Flüssigkeiten, die sich nicht verbinden.
Laut dem Bundesverband Deutscher Patentanwälte enthalten die diversen Leuchten auf dem Markt heute meist eine Kombination aus Wachs oder Öl mit Isopropanol oder Ethylenglykol. Werden beide Flüssigkeiten im Glas durch die Abwärme etwa einer Glüh- oder Halogenlampe erwärmt, verringert sich die Dichte der Wachs-Öl-Masse stärker als die der zweiten Flüssigkeit. Die Folge: Das Wachs bekommt Auftrieb, Blasen bilden sich und steigen auf. Dort erkalten sie und sinken wieder herab. Und so weiter.
Weltraumdesign für die 60er Jahre
1963 kommt mit «Astro» die erste Lavalampe auf den Markt. Die Optik war neu und passte zugleich zu den Veränderungen der Zeit. Möbel, so spacig wie man sich das künftige Reisen in Raumschiffen durch das Weltall vorstellte, waren beliebt. Sie hatten fließende Formen, die enge Grenzen zu sprengen scheinen.
Dieses Space-Age-Design erreichte bis zur Mondlandung 1969 seinen Höhepunkt. Passenderweise tauchten in dieser Zeit die Lavaleuchten unter anderem in der futuristischen BBC-Kultserie «Doctor Who» auf - in der Raum-Zeit-Maschine «Tardis».
Zugleich fügten sich die wabernden leuchtenden Blubberblasen in die Pop-Art und den Vibe der swingenden 60er Jahre ein - und auch bei der neuen Freizügigkeit in Musik, Mode und mehr in den 70ern.
In den 80ern: Lavalampen als Flohmarkt-Hit
Nach dieser Hochphase waren Lavalampen quasi weg vom Massenmarkt. «Es war damals anders: Man musste alles im Laden kaufen, das Internet gab es nicht», erzählt die heutige Firmeneignerin Cressida Granger. «Dinge waren damals also entweder "in" oder sie waren out. Man fand sie in den Läden oder man fand sie nicht.»
Aber an Grangers Vintage-Stand auf dem Camden Market in London gingen Lavalampe trotzdem «weg wie warme Semmeln - sie waren so beliebt», erzählt sie. «Für die jungen Menschen waren Lavalampen nun etwas sehr Frisches.»
Ahnend, dass es eine große Nachfrage gibt, stieg Cressida Granger 1989 in die Firma des Erfinders ein und kaufte sie nach und nach auf. Und sie gab dem Unternehmen einen neuen Namen: 1992 wurde aus Crestworth Mathmos. Der Begriff stammt aus dem Science-Fiction-Film «Barbarella» (1968) mit Jane Fonda, die eine Astronautin spielt. Mathmos ist darin ein brodelnder See.
Edward Craven Walker ging in Rente, aber blieb Berater für Mathmos. «Er war über 70, als wir uns getroffen haben. Er war also ein alter Mann, aber er hatte noch immer so viel Energie und Enthusiasmus», erzählt Granger. «Er flog Helikopter. Oder er kaufte sich ein Feuerwehrauto für sein Naturistencamp in Dorset.» Der Tüftler galt als Exzentriker. Er machte gar unter Wasser FKK-Filme.
Das Comeback - und die Lavalampe als Zufallsgenerator
In den späten 90ern und in den Nullerjahren erlebte die Lavaleuchte schließlich Grangers erhofftes Comeback - wenn auch geteilt mit unzähligen Nachahmerprodukten auf dem Markt, vor allem aus Fernost. In den Folgejahren wurde auch der Konkurrenzdruck auf der technologischen Seite größer: Mit farblich veränderbaren LEDs kann nun jeder einfach eine Lichtinstallation zu Hause haben.
«Aber es gibt einen Unterschied: das Chaos», sagt Cressida Granger. «Es mag bei LED zwar lange dauern, aber die Muster wiederholen sich irgendwann. Nicht bei Lavalampen.» Deshalb werden auch noch aktuell Wände voller Lavaleuchten zur Verschlüsselung von Daten genutzt, etwa vom IT-Sicherheitsanbieter Cloudflare.
Ihr Erfinder Edward Craven Walker ist im Jahr 2000 gestorben - zu einer Zeit, als LEDs langsam kommerziell nutzbar und damit zur Konkurrenz werden konnten. Aber er hatte schon in den 60ern eine gute Prognose für sein Blubberblasenmuster: «Ich denke, es wird immer beliebt sein. Es ist wie der Zyklus des Lebens. Es wächst, zerbricht, fällt zusammen und fängt dann wieder von vorne an.»