Klagenfurt

Bachmann-Preis-Juror: Keine Schieberei hinter den Kulissen

Werden Literaturpreise objektiv vergeben? Beim Bachmann-Preise spielen Geschmack und Emotion durchaus eine Rolle. Doch weil offen darüber diskutiert wird, ist das legitim, sagt der Jury-Vorsitzende.

Angesichts der jüngsten Debatte um Auswahlkriterien für Literaturpreise ist das diesjährige Wettlesen um den Ingeborg-Bachmann-Preis aus Sicht des neuen Jury-Vorsitzenden Klaus Kastberger besonders wichtig. Denn anders als bei den meisten Preisen debattiert seine Jury nicht hinter verschlossenen Türen, sondern vor den Kandidaten, vor Publikum und vor laufenden TV-Kameras. 

«Kultur kann sich überhaupt nur dann legitimieren, wenn man weiß, dass das nicht eine Schieberei hinter Kulissen ist», sagte Kastberger der Deutschen Presse-Agentur.

Ab Donnerstag (27.6.) präsentieren 14 Autorinnen und Autoren ihre Prosatexte während der 48. Tage der deutschsprachigen Literatur im österreichischen Klagenfurt, der Heimatstadt der Literatin Ingeborg Bachmann (1926-1973). Am Sonntag (30.6.) wird der nach ihr benannte, mit 25 000 Euro dotierte, Preis verliehen.

«Der Bachmann-Preis ist nicht objektiv»

Im Mai hatten zwei ehemalige Jurorinnen des Internationalen Literaturpreises mit ihrem Erfahrungsbericht in der Wochenzeitung «Die Zeit» eine Debatte ausgelöst. Sie erhoben darin den Vorwurf, die Auswahl sei 2023 nicht nach literarischen Kriterien erfolgt, sondern unter identitätspolitischen Aspekten wie Hautfarbe oder Herkunft. Das Haus der Kulturen der Welt in Berlin - einer der Preisstifter - hatte dies zurückgewiesen. Die Titel seien wegen ihrer literarischen Qualität ausgewählt worden.

Kastberger wies darauf hin, dass die Jurymitglieder des Bachmann-Preises trotz Fachkompetenz und Wettbewerbsregeln auch subjektiv und emotional urteilten. «Der Bachmann-Preis ist nicht objektiv», sagte er. Es sei deshalb wichtig, «dass das eine öffentliche Debatte ist und dass das vor einer öffentlichen Zuhörerschaft verhandelt wird».

Teilnehmerfeld mit viel Bühnenerfahrung

Auch dieses Jahr wählte jedes Jury-Mitglied jeweils zwei Texte für den Bachmann-Wettbewerb aus. Auf Kastbergers Einladung liest etwa die österreichische Schriftstellerin und Kabarettistin Ulrike Haidacher. Ihren Debütroman «Die Party» entwickelte sie aus einem Bühnenprogramm. 

Überhaupt fällt dieses Jahr auf, dass ein beträchtlicher Teil der Kandidatinnen und Kandidaten mit Bühnenerfahrung nach Klagenfurt kommt. Darunter sind der Schweizer Spoken-Word-Künstler und Musiker Jurczok oder Poetry-Slam-Talent Miedya Mahmod aus Dortmund. 

Die Schweizerin Sarah Elena Müller ist nicht nur Romanautorin, sondern auch Teil des Pop-Duos Cruise Ship Misery. Olivia Wenzel, die es 2020 mit «1000 Serpentinen Angst» auf die Longlist des Deutschen Buchpreises geschafft hatte, hat Bühnenliteratur, Musik und Performance in ihrem Repertoire.

Mit der Mainzer Autorin Sophie Stein ist auch eine Schauspielerin im Teilnehmerfeld vertreten, während die aus Slowenien stammende Tamara Stajner sowohl Poetin als auch klassisch ausgebildete Viola-Spielerin ist. 

Es muss aber nicht immer Bühnenkunst sein: Zu den Teilnehmern zählen dieses Jahr auch der aus der Schweiz stammende Zeichner und Autor Semi Eschmamp sowie der Bonner Denis Pfabe, der drei Tage die Woche in einem Baumarkt als Gabelstapler-Fahrer arbeitet. Die Österreicherin Johanna Sebauer ist Schriftstellerin, doch «im echten Leben arbeitet sie in der Wissenschaftskommunikation», heißt es in ihrem Porträt für den Wettbewerb.

Andere Teilnehmer sind beruflich in Sprache und Literatur verankert, wie etwa der aus Sarajevo stammende Autor und Deutschlehrer Tijan Sila, die in Sachsen-Anhalt lebende Literatin und Literaturagentin Christine Koschmieder oder die polnisch-österreichische Kaska Bryla, die die Zeitschrift «PS – Politisch Schreiben» mitbegründet hat. 

Unter den Kandidatinnen und Kandidaten finden sich auch etliche Gewinner von anderen Literaturpreisen. Eine spezielle Ehrung kann Henrik Szanto vorweisen: Für seinen Band «Es hat 18 Buchstaben und neun davon sind Ypsilons» wurde er 2019 mit dem Preis für den «Ungewöhnlichsten Buchtitel des Jahres» ausgezeichnet.