Krieg in Nahost

Baerbock dringt auf humanitäre Hilfe für Gazastreifen

Israel kämpft an vielen Fronten. Außenministerin Baerbock lenkt den Fokus zurück auf den Gazastreifen und die dramatische Lage dort. Unterdessen wollen Dutzende Länder in Riad über den Krieg beraten.

Angesichts der weiter dramatischen humanitären Lage im Gazastreifen hat Außenministerin Annalena Baerbock Israel mit deutlichen Worten kritisiert und zum Handeln aufgefordert. «Noch nie in den letzten 12 Monaten kam so wenig Hilfe in den Gazastreifen wie jetzt», sagte die Grünen-Politikerin. Alle Grenzübergänge in das Küstengebiet müssten für Hilfslieferungen geöffnet werden. Israel müsse mehr für die Zivilbevölkerung tun - «ohne Ausreden». 

Bei neuen Angriffen der israelischen Armee im Gazastreifen und im Libanon kamen unterdessen erneut Dutzende Menschen ums Leben. Nach israelischen Angaben wurde ein ranghoher Terrorist des Islamischen Dschihads im Gazastreifen getötet. In Riad wollen heute auf Einladung Saudi-Arabiens unterdessen Dutzende arabische und islamische Länder über den Krieg in Nahost beraten.

Baerbock: Israel hielt Zusagen nicht ein

Mit Blick auf die humanitäre Lage kritisierte Baerbock, Israel habe diesbezüglich immer wieder Zusagen gemacht, die dann aber «nicht eingehalten wurden». «Ein Großteil der über zwei Millionen Menschen leiden an akuter Mangelernährung, lebt in unvorstellbaren Zuständen», erklärte Baerbock weiter. An keinem Ort der Welt gebe es auf so kleinem Raum so viele Kinder mit Amputationen. «Weite Teile Gazas sind ein absolutes Trümmerfeld», sagte die Ministerin.

Angesichts des herannahenden Winters sei nichts dringlicher als die Freilassung der Geiseln in der Gewalt der islamistischen Hamas im Gazastreifen sowie die Lieferung dringend benötigter Hilfsgüter für die Zivilbevölkerung. Israels Recht auf Selbstverteidigung finde seine Grenze im humanitären Völkerrecht und dazu gehöre, dass humanitärer Zugang zu allen Zeiten gewährt werden müsse, mahnte Baerbock. Sie forderte erneut einen Waffenstillstand. 

Israel: Terror-Kommandeur im Gazastreifen getötet

Die israelische Armee tötete nach eigenen Angaben den Militärchef der Terrororganisation Palästinensischer Islamischer Dschihad (PIJ) im Gazastreifen, Mohammed Abu Sachil. Er hatte das Amt erst im Mai übernommen, nachdem auch sein Vorgänger von der israelischen Armee getötet worden war. 

Der Islamische Dschihad bestätigte der Deutschen Presse-Agentur den Tod Abu Sachils. Nach Angaben der Armee kam er bei einem Angriff auf eine ehemalige Schule im Norden des Gazastreifens ums Leben. Dabei seien auch sein Sohn und seine Tochter sowie drei weitere Personen getötet worden. Der PIJ gilt als eine der radikalsten militanten Gruppierungen im Nahen Osten, gilt jedoch als weniger schlagkräftig als die Hamas.

Bei einem israelischen Angriff im nördlichen Gazastreifen starben nach palästinensischen Angaben Dutzende Menschen, laut palästinensischer Nachrichtenagentur Wafa darunter auch viele Minderjährige. 

Erneut viele Tote bei Angriffen im Libanon 

Israel griff erneut auch Ziele im Libanon an. Nach Angaben des libanesischen Gesundheitsministeriums wurden bei israelischen Luftangriffen mindestens 38 Menschen getötet, weitere seien verletzt worden. Allein bei einem Angriff auf den Ort Almat, etwa 15 Kilometer östlich der Hafenstadt Byblos, starben mindestens 23 Menschen - unter ihnen sieben Kinder.

Israels Armee teilte auf Anfrage mit, es seien Waffenlager der Hisbollah angegriffen worden. Zuvor seien Maßnahmen wie Luftaufklärung zur Vermeidung ziviler Opfer ergriffen worden. Die Details des Angriffs würden zurzeit noch untersucht.

Unterdessen schoss Israels Militär eigenen Angaben nach eine Drohne aus dem Libanon ab. Das Flugobjekt sei zunächst beobachtet und dann in der Region Galiläa im Norden Israels abgeschossen worden, hieß es. 

Verteidigungsminister Katz: Hisbollah besiegt

Israels neuer Verteidigungsminister Israel Katz erklärte die libanesische Hisbollah-Miliz einem Medienbericht zufolge indes für besiegt. Israels Schläge hätten die Miliz besiegt, die Eliminierung von Hisbollah-Führer Hassan Nasrallah sei das krönende Juwel, sagte Katz einem Bericht der «Times of Israel» zufolge bei einer Veranstaltung des Außenministeriums. 

Israel will Hisbollah-Tunnel unter Friedhof entdeckt haben

Die israelische Armee entdeckte eigenen Angaben nach im Südlibanon ein mit Waffen gefülltes Tunnelsystem der Hisbollah-Miliz, das teilweise unter einem Friedhof angelegt gewesen sei. In dem Komplex unter den Gräbern seien Kommando- und Wohnräume sowie Lager mit Waffen und Kampfausrüstung gefunden worden, teilte die Armee mit. Weitere Angaben zum Ort gab es zunächst nicht. Normalerweise sprengen israelische Soldaten solche Tunnel. In diesem Fall sei die etwa einen Kilometer lange Anlage jedoch mit etwa 4.500 Kubikmetern Beton versiegelt worden.

Israels Bürger zu Vorsicht bei Events im Ausland aufgerufen

Nach den Angriffen meist propalästinensischer Jugendlicher auf israelische Fußballfans in Amsterdam rief Israels Nationaler Sicherheitsrat die Bürger generell zur Vorsicht bei Veranstaltungen im Ausland auf. Sie sollen Sport- und Kulturveranstaltungen außerhalb Israels meiden, an denen israelische Teams oder Künstler teilnehmen, wie die Zeitung «Haaretz» unter Berufung auf den Sicherheitsrat berichtete. Diese Warnung betreffe auch das Nations League-Spiel zwischen Frankreich und Israel am Donnerstag in Paris. 

In der Nacht von Donnerstag auf Freitag hatte es nach einem Fußballspiel von Ajax Amsterdam gegen Maccabi Tel Aviv gezielte Angriffe auf israelische Fans gegeben. Die Attacken waren als antisemitische Gewalt verurteilt worden. Amsterdam hatte ein Demonstrationsverbot verhängt. Am Sonntag nahm die Polizei dort Dutzende Teilnehmer einer verbotenen propalästinensischen Demonstration fest. 

Gespräche in Riad

Auf Einladung Saudi-Arabiens wollen heute Vertreter aus mehr als 50 arabischen und weiteren islamischen Staaten in Riad über die Lage in Nahost beraten. Bei dem Treffen soll es nach saudischen Angaben um die «sündhafte israelische Aggression gegen die besetzten Palästinensergebiete und deren Erweiterung auf den Libanon» gehen. Vor einem Jahr hatte Saudi-Arabien zu einem ähnlichen Treffen eingeladen. Dabei wurde unter anderem ein Komitee verschiedener Minister ins Leben gerufen, um auf ein Ende des Gazakriegs hinzuwirken. Wirkung zeigte die Initiative bisher nicht.