Außenministerin Annalena Baerbock hat vor einem Treffen der Gruppe der führenden und aufstrebenden Wirtschaftsmächte (G20) an die Verantwortung von Russlands Präsident Wladimir Putin für die weltweiten Folgen des Angriffskriegs auf die Ukraine erinnert. «Wenn Putin glaubt, dass die Welt nach zwei Jahren irgendwann vergessen würde, wer für den Krieg in der Ukraine und seine dramatischen globalen Folgen die Verantwortung trägt, hat er sich geirrt», erklärte die Grünen-Politikerin vor dem Abflug zu Beratungen der G20-Außenminister im brasilianischen Rio de Janeiro.
«Wir werden die Grundprinzipien der Vereinten Nationen niemals aufgeben und stehen fest an der Seite der Ukraine - so lange wie nötig und bis ihre Menschen wieder in Frieden und Freiheit leben können», ergänzte die Bundesaußenministerin in Richtung Putin.
Kurz vor dem zweiten Jahrestag des russischen Einmarschs in die Ukraine am 24. Februar sollen bei dem G20-Treffen die Ukraine, der Gaza-Krieg sowie der drohende Flächenbrand im Nahen Osten eine wichtige Rolle spielen. Auch die humanitäre Lage der Zivilbevölkerung im Gazastreifen dürfte Thema sein. Aus Russland wird Außenminister Sergej Lawrow in Rio erwartet. Der Gruppe gehören neben Deutschland, Frankreich und den USA unter anderem auch Russland und China an. Die G20 steht für etwa 80 Prozent der weltweiten Wirtschaftskraft und 60 Prozent der Weltbevölkerung. Brasilien hat aktuell den Vorsitz.
Baerbock: Menschlichkeit und Recht gegen Ruchlosigkeit
Baerbock betonte vor dem Treffen: «Der Ruchlosigkeit von Akteuren wie der russischen Regierung, denen es nur um das Recht des Stärkeren geht, setzen wir unsere Menschlichkeit und unseren Einsatz für das internationale Recht entgegen.» Die ganze Welt habe etwas davon, «wenn sich alle an die Regeln halten, die wir gemeinsam vereinbart haben». An diesem Freitag will Baerbock bei den Vereinten Nationen in New York in der UN-Vollversammlung und im Weltsicherheitsrat zu dem Jahrestag des Angriffs Reden halten.
Die G20 seien mit der Zuversicht gegründet worden, «dass gemeinsame Lösungen möglich sind, wenn wir zusammenstehen und unsere Kräfte bündeln», sagte Baerbock. Dazu gehöre, «alt eingefahrene Strukturen endlich zu entstauben und unsere internationalen Institutionen fit zu machen für eine Welt im Umbruch». Zu oft spiegelten sie wie im UN-Sicherheitsrat oder der Weltbank noch eine längst vergangene Zeit wider, während zu viele Länder unter der Schuldenlast erdrückt würden und die Klimakrise die Existenz ganzer Staaten bedrohe.
«Ungleichheiten dramatisch verschärft»
«Besser zuhören und der nötige Respekt für die Anliegen unserer Partner in Lateinamerika, Asien und Afrika müssen sich dabei in konkretem Handeln niederschlagen», sagte Baerbock. Dass das Mandat der Weltbank nun auch den Klimaschutz umfasse und bei den G20 endlich die Afrikanische Union mit am Tisch sitze, seien wichtige überfällige Schritte. Die Covid-Pandemie, extreme Klimaausschläge und Russlands Krieg hätten die Ungleichheiten in der Welt dramatisch verschärft. Jedes sechste Kind lebe in extremer Armut.
Brasilien für Friedensverhandlungen zur Ukraine
Brasilien setzt sich seit langem für Friedensverhandlungen ein, um den russischen Krieg gegen die Ukraine zu beenden. Der brasilianische Präsident Luiz Inácio Lula da Silva hat angekündigt, er werde die G20-Präsidentschaft für weitere Friedensbemühungen nutzen und Putin zum Gipfel nach Rio de Janeiro einladen. Zur Frage des internationalen Haftbefehls gegen den Russen wollte sich Lula nicht positionieren. «Ob er verhaftet wird, wenn er kommt? Kann sein, kann nicht sein. Das wird die Justiz entscheiden», sagte Lula zuletzt. Im Gegensatz zu Russland und den USA gehört Brasilien zu den Vertragsparteien des Rom-Statuts zum Internationalen Strafgerichtshof, der den Haftbefehl erlassen hat.
Präsident Lula wegen Holocaust-Vergleich in der Kritik
Lula tritt für eine Zweistaatenlösung im Nahost-Konflikt ein. Damit ist ein unabhängiger palästinensischer Staat gemeint, der friedlich Seite an Seite mit Israel existiert. Zwar verurteilte er das Massaker, das Terroristen der Hamas sowie anderer extremistischer Palästinenserorganisationen am 7. Oktober in Israel nahe der Grenze zum Gazastreifen verübt haben. Allerdings kritisierte Lula auch die Reaktion Israels im Gazastreifen wegen der zahlreichen zivilen Opfer als übertrieben.
Am vergangenen Wochenende verglich Lula den israelischen Militäreinsatz mit dem Holocaust. «Was im Gazastreifen mit dem palästinensischen Volk geschieht, hat es zu keinem anderen Zeitpunkt in der Geschichte gegeben. Beziehungsweise hat es das schon gegeben: Als Hitler beschloss, die Juden zu töten», sagte er beim Gipfeltreffen der Afrikanischen Union. Israels Außenminister Israel Katz erklärte daraufhin, solange sich Lula nicht entschuldige und seine Äußerung zurückziehe, sei er in Israel nicht willkommen.