Im Ringen um eine vorübergehende Waffenruhe im Gaza-Krieg wollen die Vermittlerstaaten kurz vor Beginn des muslimischen Fastenmonats Ramadan mit aller Macht doch noch eine Einigung zwischen Israel und der islamistischen Hamas erzielen. Die USA brachten im Weltsicherheitsrat einen veränderten Resolutionsentwurf mit der Forderung nach einer «sofortigen Waffenruhe» ein. In der Beschlussvorlage für das mächtigste UN-Gremium heißt es, es brauche «zügig und dringend eine Vereinbarung über einen sofortigen Waffenstillstand von etwa sechs Wochen in Gaza und die Freilassung aller Geiseln». Der Text lag der dpa vor.
US-Präsident Joe Biden betonte, eine vorübergehende Waffenruhe vor dem in wenigen Tagen beginnenden Ramadan sei dringend nötig. Um Zeit für Gespräche über eine längere Waffenruhe zu gewinnen, schlugen die Unterhändler der USA, Katars und Ägyptens laut der US-Zeitung «Wall Street Journal» in Kairo eine erst mal kurze Feuerpause vor. Die Gespräche in Ägyptens Hauptstadt sollen am Mittwoch weitergehen.
Biden: Deal ist in den Händen der Hamas
«Wenn wir in Umstände geraten, unter denen das bis Ramadan weitergeht, dann könnte es sehr, sehr gefährlich werden», sagte Biden im US-Bundesstaat Maryland. Der Ramadan beginnt um den 10. März. «Der Geisel-Deal ist im Moment in den Händen der Hamas», ergänzte Biden.
Israel und einige Unterhändler glaubten, dass die Hamas die Kämpfe eskalieren lassen wolle, um die Spannungen in der ganzen Region während des für Muslime heiligen Fastenmonats anzuheizen, schrieb das «Wall Street Journal». Die Hamas verweise ihrerseits auf die Drohung Israels, die geplante Bodenoffensive in Rafah an der Südgrenze Gazas zu starten, falls bis zum Ramadan keine Einigung zustande kommt. Israel will in Rafah die letzten verbliebenen Bataillone der Hamas zerschlagen. In der an Ägypten grenzenden Stadt suchen derzeit rund 1,5 Millionen Palästinenser Schutz vor den Kämpfen in anderen Teilen Gazas.
Israel will Muslimen Zugang zum Tempelberg gewähren
Um eine Eskalation der Spannungen zwischen Israelis und überwiegend muslimischen Palästinensern zu verhindern, will Israels Regierung Muslimen im Ramadan das Beten auf dem Jerusalemer Tempelberg vorerst ermöglichen. Während des Ramadan werde ihnen der Zugang zu den Heiligtümern ähnlich wie in den vergangenen Jahren gewährt, teilte das Büro von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu mit.
Allerdings werde die Sicherheitslage wöchentlich neu bewertet. Rechtsextreme Koalitionspartner von Netanjahu hatten verlangt, den Zugang der Muslime zum Tempelberg im Ramadan massiv einzuschränken. Die Armee und Geheimdienste rieten hingegen davon ab. Derartige Einschränkungen könnten eine explosive Situation heraufbeschwören, argumentierten sie. Der Tempelberg, auch Haram al-Scharif genannt, ist sowohl Juden als auch Muslimen heilig.
Libanon: Indirekte Gespräche mit Israel während Ramadan
Während des Ramadan sollen nach libanesischen Angaben auch indirekte Gespräche im Konflikt zwischen Israel und der Hisbollah-Miliz im Süden Libanons beginnen. Das kündigte der geschäftsführende libanesische Regierungschef Libanons Najib Mikati nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur NNA an.
Libanesische Beamte prüften einen Vorschlag des US-Gesandten Amos Hochstein, eines Beraters von US-Präsident Joe Biden, der am Tag zuvor zu Gesprächen in der libanesischen Hauptstadt Beirut gewesen war. Es gehe um eine diplomatische Lösung zwischen der Hisbollah-Miliz und Israel, hieß es.
Seit Beginn des Gaza-Kriegs nach dem Massaker der mit der Hisbollah verbündeten Hamas und anderer extremistischer Gruppen in Israel am 7. Oktober vergangenen Jahres kommt es in der israelisch-libanesischen Grenzregion immer wieder zu gegenseitigem Beschuss.
Gaza-Verhandlungen sollen fortgesetzt werden
Unterdessen wollen die Vermittler im Gaza-Krieg ihre Gespräche in Kairo über eine Waffenruhe und die Freilassung von Geiseln nach Angaben ägyptischer Sicherheitskreise fortsetzen. Laut dpa-Informationen sollen sie sogar in einem fortgeschrittenen Stadium sein. Sie könnten innerhalb von Tagen eine Waffenruhe sowie den Austausch israelischer Geiseln gegen palästinensische Häftlinge bringen, hieß es.
In den vergangenen beiden Tagen habe die Hamas sich positiv mit Vorschlägen aus Katar und Ägypten auseinandergesetzt, sagte ein ranghoher Hamas-Funktionär in der libanesischen Hauptstadt Beirut. Er betonte die Position der Hamas: «Die Sicherheit unseres Volkes kann nur durch die Beendigung der Aggression, einen Waffenstillstand und den Rückzug der Besatzungstruppen aus Gaza erreicht werden.»
Israel lehnt jedoch einen umfassenden Waffenstillstand bisher ab und strebt weiterhin eine Zerstörung der Hamas an. Aus israelischer Sicht ist daher im Rahmen einer Vereinbarung lediglich eine vorübergehende Feuerpause in Gaza denkbar.
Berichte: Telekommunikationsdienste erneut ausgefallen
Derweil sind die Telekommunikationsdienste im Gazastreifen Berichten zufolge erneut ausgefallen. Betroffen sei besonders der südliche Teil des abgeriegelten Küstengebiets, teilte die Organisation NetBlocks, die für die Beobachtung von Internetsperren bekannt ist, auf der Plattform X (vormals Twitter) mit.
Auch die israelische Nachrichtenseite «Ynet» meldete unter Berufung auf Berichte aus dem Gazastreifen, die Internetverbindungen in weiten Gebieten in Rafah im Süden des Küstenstreifens sowie im zentralen Teil Gazas seien unterbrochen. Seit Beginn des Krieges sind die Kommunikationsnetze in dem abgeriegelten Küstengebiet schon mehrfach ausgefallen.