Diplomatie

Bisschen Frieden - Biden und Xi sprechen wieder miteinander

Nach einem Jahr der Funkstille zwischen Joe Biden und Xi Jinping setzen sich die beiden Präsidenten zu einem langen Gespräch zusammen. Sie bemühen sich um ein Signal der Entspannung. Doch die Idylle trügt.

Bisschen Frieden - Biden und Xi sprechen wieder miteinander

Idyllischer geht es kaum. Akribisch getrimmte Buchsbäume säumen den Kiesweg neben einem Pool, Wasser plätschert im Springbrunnen, bunte Lampions baumeln über Rosenbüschen, neben einem Teich quakt ein Frosch, Rehe hüpfen über die Wiese nebenan. Joe Biden hat sich einen besonderen Ort ausgesucht, um Xi Jinping zum Gespräch zu empfangen.

Der US-Präsident und der chinesische Staatschef ziehen sich in ein schickes Anwesen mit üppigen Gärten in den Hügeln südlich von San Francisco zurück, um in Ruhe miteinander zu reden. Ein Jahr lang haben sie sich nicht gesehen, nicht miteinander gesprochen. Kein Telefonat, keine Videoschalte, nichts. Nun, ein Jahr und einen Tag nach ihrem jüngsten Treffen am Rande des G20-Gipfels im November 2022 in Bali, kommen sie am Rande des Apec-Gipfels in Kalifornien zusammen. Aber nicht in einem Konferenzraum auf dem Gipfelgelände, sondern 45 Kilometer von San Francisco entfernt, im Gartenidyll. Weit weg vom Lärm der Stadt, vom Gipfeltrubel, von Demonstranten.

Ein Spaziergang im Grünen

In dem Filoli-Anwesen in Woodside sitzen Biden und Xi über mehrere Stunden zusammen, abgeschirmt von der Außenwelt durch ein Großaufgebot von Polizisten. Mit Beratern diskutieren sie in größeren und kleineren Runden. Zum Mittag gibt es Ravioli, Artischocken und Hühnchen. Nach dem Essen flanieren die beiden Präsidenten durch den Garten. Diese Bilder von den zwei Männern, die an der Spitze der zwei größten Militär- und Wirtschaftsmächte stehen, sollen auch ein Signal an die Welt aussenden: Die USA und China sind nicht kurz davor, den nächsten internationalen Großkonflikt zu starten.

In den vergangenen Monaten der kompletten Funkstille zwischen den beiden mächtigen Männern machten sich Sorgen breit, dass die Beziehungen zwischen beiden Staaten in einen echten Konflikt abrutschen könnten. Potenzial dafür bietet vor allem das Thema Taiwan. China sieht die Inselrepublik als Teil seines Territoriums. Befürchtet wird, dass China sich Taiwan mit militärischer Gewalt einverleiben könnte. Biden hat Taipeh für einen solchen Fall militärischen Beistand versprochen. Im Raum steht also das Horrorszenario einer direkten militärischen Konfrontation zwischen den USA und China. In dem Gebiet rund um Taiwan kommt es immer wieder zu militärischen Machtdemonstrationen.

Signale der Entspannung

Biden und Xi bemühen sich in Kalifornien, Ängste vor einer Konfrontation zu zerstreuen - zumindest nach außen hin. Der US-Präsident tritt nach dem Gespräch ohne seinen Gast vor die Presse, spricht von einem konstruktiven Treffen, von «wichtigem Fortschritt» und «positiven Schritten». Ja, beide Länder stünden im Wettbewerb, sagt er. Es liege in der Verantwortung beider Seiten, die Beziehungen so zu managen, dass es nicht zum Konflikt komme. Es gehe um globale Stabilität.

Auf Taiwan geht Biden bei seinem Auftritt kaum ein. Stattdessen berichtet der Demokrat, Xi und er hätten vereinbart, künftig einfach zum Telefonhörer zu greifen bei Sorgen oder Gesprächsbedarf - und der andere werde rangehen. Auch die direkte Kommunikation zwischen den Streitkräften beider Länder werde wieder aufgenommen. In den vergangenen Monaten hatte Peking einen Austausch zwischen den Verteidigungsministern und Militärs beider Länder mehrfach verweigert - trotz diverser militärischer Zwischenfälle, über die die Amerikaner sprechen wollten.

Auch Xi schlägt in der kalifornischen Idylle versöhnliche Töne an. Für zwei große Länder wie die USA und China sei es keine Option, sich gegenseitig den Rücken zuzukehren, sagt er zu Beginn des Treffens. Es sei unrealistisch, dass die eine Seite die andere umkrempeln könne, und ein Konflikt oder eine Konfrontation hätten «unerträgliche Folgen» für beide Seiten. Die USA und China seien unterschiedlich auf vielen Ebenen, doch «solange sie sich respektieren, in Frieden koexistieren», könnten sie ihre Differenzen überwinden. Die Erde sei groß genug dafür, dass beide Länder Erfolg haben könnten.

Hinter verschlossenen Türen

Doch hinter den Kulissen ging es nicht nur harmonisch zu. Ein hochrangiger US-Regierungsbeamter berichtet, Xi habe dort zum Thema Taiwan anhaltende Bedenken geäußert und angemerkt, dies sei das größte und potenziell gefährlichste Konfliktfeld der Beziehungen zu den USA. Xi habe zwar gesagt, er plane keine militärische Aktion und China wolle eine «friedliche Wiedervereinigung». Der chinesische Präsident sei allerdings schnell dazu übergegangen, Bedingungen durchzugehen, unter denen Gewalt zum Einsatz kommen könnte.

An konkreten Ergebnissen haben die beiden Präsidenten nur wenig vorzuweisen: Eine Vereinbarung zum Kampf gegen die Einfuhr der Droge Fentanyl aus China in die USA, was Biden vor allem innenpolitisch im Wahlkampf helfen dürfte. Daneben die Wiederbelebung der direkten Kommunikation zwischen den Präsidenten und den Streitkräften beider Länder, was beim Abbau von Spannungen helfen dürfte, in anderen Beziehungen aber eine reine Selbstverständlichkeit ist. Mit viel mehr hatten die Amerikaner nach eigenem Bekunden allerdings auch nicht gerechnet und vorab offensiv die Erwartungen an das Treffen gedämpft.

Konkurrenten - keine Freunde

Beide Seiten machen keinen Hehl daraus, dass sie Konkurrenten sind - und nicht Freunde. Ein Moment zum Abschluss von Bidens Pressekonferenz macht das auf besondere Weise deutlich. Auf die Frage einer Reporterin, ob er Xi nach dem Treffen an diesem Tag weiter als einen «Diktator» bezeichnen würde, sagt Biden: «Schauen Sie, das ist er.» Umständlich schiebt Biden nach, Xi sei ein Diktator in dem Sinne, dass er ein kommunistisches Land führe, «das auf einer Regierungsform basiert, die sich komplett von unserer unterscheidet». Nach diesem Kommentar dürfte Bidens Telefon bald klingeln.