Demonstranten bei AfD-Treffen angefahren: Mann vor Gericht
Weil er mit seinem Auto Demonstranten am Rande einer AfD-Veranstaltung angefahren und verletzt haben soll, muss sich ein 22-Jähriger seit Montag vor dem Kieler Landgericht verantworten. Zu Prozessbeginn bereute der Angeklagte den Vorfall: «Ich kann nur sagen, dass ich mich falsch verhalten habe.» Er habe lange über das Geschehen nachgedacht. «Ich wünsche mir jeden Tag, dass ich die Zeit zurückdrehen und es ungeschehen machen könnte.» Er könne den Betroffenen nur seine Entschuldigung anbieten. «Ich hätte anders reagieren müssen.»
Die Staatsanwaltschaft wirft dem Mann vor, am 17. Oktober 2020 am Rande einer Demonstration gegen eine AfD-Veranstaltung in Henstedt-Ulzburg in Schleswig-Holstein bewusst mit einem Auto auf den Gehweg gefahren zu sein und vier Menschen angefahren und verletzt zu haben. Die Anklage lautet auf versuchten Totschlag in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und gefährlichem Eingriff in den Straßenverkehr. Der Angeklagte habe billigend in Kauf genommen, dass die von ihm angefahrenen Menschen auch tödlich verletzt werden könnten. Vor Prozessbeginn protestierten organisiert vom «Bündnis Tatort Henstedt-Ulzburg» rund 100 Demonstranten vor dem Gericht gegen rechte Gewalt. Auf einem Plakat stand: «Das war kein Unfall».
Da der Angeklagte zur Tatzeit 19 Jahre alt war und damit juristisch als Heranwachsender gilt, läuft der Prozess vor der Jugendkammer des Landgerichts. Der Vorfall ereignete sich am Rande einer Vortrags- und Diskussionsveranstaltung mit dem damaligen AfD-Vorsitzenden Jörg Meuthen über die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise.
Angeklagter bestreitet, Rassist oder Nazi zu sein
Eine politische Motivation schloss der Angeklagte in einer Erklärung über seinen Verteidiger aus. Er sei zusammen mit Gleichgesinnten aus einer Chatgruppe zur AfD-Veranstaltung gefahren, einfach aus Neugier, sagte der 22-Jährige. «Mit dem Ziel “Zecken glotzen”», wie ihm die Vorsitzende Richterin vorhielt. Das räumte der Mann zwar ein, bestritt aber Rassist oder Nationalsozialist zu sein. So würden ihn aber viele im Internet bezeichnen – unter voller Namensnennung. Zum Tatzeitpunkt sei er in der AfD gewesen, danach aber ausgetreten.
Zur Tat selbst sagte er, seine Gruppe sei von der Veranstalterin des Ortes verwiesen worden. Wie die Frau außerhalb des Gerichtssaals sagte, fielen die Männer wegen ihrer für die rechtsextreme Szene typischen Kleidung und Springerstiefeln sowie eines nur im Internet zu bestellenden Getränks namens Reichsbrause auf.
Der Angeklagte schilderte, gemeinsam mit seinen Freunden sei er nach der Aufforderung zu den Wagen zurückgegangen. Dabei habe er sich verfolgt und bedroht gefühlt durch eine Gruppe aus dem schwarzen Block von mindestens acht Personen. Aus dem Wagen habe er gesehen, wie ein Freund von mindestens einem Gegendemonstranten geschlagen wurde. Er habe Panik bekommen, «ich war wie im Tunnelblick». Dann sei er mit dem Wagen – einem großen Pick-up – langsam in dessen Richtung gefahren. Er habe «nur zwei Bumms mitbekommen und plötzlich war ein Mensch auf meiner Motorhaube». Der Mann, der auf die Motorhaube geriet, erklärte am Rande des Prozesses, er müsse als Folge die Frührente beantragen. Nach Angaben des Zentrums für Betroffene rechter Angriffe (Zebra) sind die Opfer allesamt traumatisiert.