Volkswagen bringt mit seinen Sparplänen die eigenen Mitarbeiter immer mehr gegen sich auf. «Der Vorstand will in Deutschland mindestens drei VW-Werke dichtmachen», sagte Konzernbetriebsratschefin Daniela Cavallo bei einer Informationsveranstaltung für die Belegschaft in Wolfsburg. Zudem seien ein massiver Personalabbau und Lohnkürzungen geplant. «Mit diesen Vorhaben des Vorstandes stehen bei Volkswagen in Deutschland Zehntausende Arbeitsplätze auf dem Spiel», sagte Cavallo. Über diese Pläne habe der Konzern kürzlich die Arbeitnehmerseite informiert.
Von den Beschäftigten wurde das bei der Versammlung im Stammwerk, die unter freiem Himmel stattfand, mit lautstarkem Protest quittiert. Laut Betriebsrat nahmen allein in Wolfsburg 25.000 Mitarbeiter teil. Zeitgleich fanden Informationsveranstaltung auch an allen anderen neun Produktionsstandorten in Niedersachsen, Hessen und Sachsen statt. «Alle deutschen VW-Werke sind von diesen Plänen betroffen. Keines ist sicher!», sagte Cavallo. Nähere Angaben macht sie nicht.
Volkswagen: «Die Lage ist ernst»
Europas größter Autobauer wollte die Maßnahmen auf Anfrage nicht bestätigen. Man halte sich an den Grundsatz, darüber zunächst intern mit der Arbeitnehmerseite zu sprechen. Zugleich bekräftigte der Konzern aber die jüngst verschärften Sparpläne für die schwächende Kernmarke VW. «Die Lage ist ernst und die Verantwortung der Verhandlungspartner ist enorm», sagte Personalvorstand Gunnar Kilian laut Mitteilung. «Ohne umfassende Maßnahmen zur Wiedererlangung der Wettbewerbsfähigkeit werden wir uns wesentliche Zukunftsinvestitionen nicht leisten können.»
Kanzler: VW muss Arbeitsplätze erhalten
Die Bundesregierung forderte den VW-Konzern auf, Jobs zu erhalten. Man müsse noch abwarten, was Volkswagen selbst dazu erklärt, sagte ein Regierungssprecher in Berlin. Die Haltung von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) dazu sei aber klar - «nämlich, dass mögliche falsche Managemententscheidungen aus der Vergangenheit nicht zulasten der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gehen dürfen». Es gehe darum, Arbeitsplätze zu erhalten und zu sichern.
Betriebsrat und Gewerkschaft kündigten Widerstand gegen die Pläne an. «Ich kann nur alle Vorstände und alle an der Unternehmensspitze warnen: Legt Euch nicht mit uns, mit der VW-Belegschaft an», sagte Cavallo unter dem Beifall der Mitarbeiter. «Ihr steht ganz kurz vor der Eskalation!» Statt «Kahlschlagfantasien» erwarte man von VW tragfähige Zukunftskonzepte, erklärte Niedersachsens IG-Metall-Bezirksleiter Thorsten Gröger - und warnte: «Wenn die Chefetage den Abgesang Deutschlands einläuten will, müssen sie mit Widerstand rechnen, den sie sich so nicht ausmalen kann!»
Arbeitnehmervertreter warnen vor «heißem Winter»
Ab Dezember wären bei VW auch Warnstreiks möglich. VW-Sachsen-Betriebsratschef Uwe Kunstmann kündigt in Zwickau bereits einen «heißer Winter» an. Wenn sich an der VW-Linie nichts ändere, würden die Beschäftigten spätestens am 1. Dezember bundesweit vor die Werkstore ziehen und den Konzern lahmlegen, sagte er.
Laut Cavallo plant VW neben den Werkschließungen auch einen Kapazitätsabbau an allen verbleibenden Standorten. Früheren Konzernangaben zufolge fehlen VW rund 500.000 Fahrzeuge pro Jahr, um alle Standorte auszulasten. Zudem plane der Vorstand betriebsbedingte Kündigungen, so Cavallo weiter. Ganze Abteilungen sollten geschlossen oder ins Ausland verlagert werden. Für die verbleibenden Mitarbeiter wolle VW den Haustarif pauschal um zehn Prozent kürzen und fordere 2025 und 2026 jeweils Nullrunden. Am Mittwoch kommen Konzern und die Gewerkschaft IG Metall zu ihrer zweiten Verhandlungsrunde über den VW-Haustarif zusammen.
VW beschäftigt in Deutschland rund 120.000 Mitarbeiter, davon rund die Hälfte in Wolfsburg. Insgesamt betreibt die Marke VW in Deutschland zehn Werke, davon sechs in Niedersachsen, drei in Sachsen und eins im nordhessischen Baunatal. VW hatte im September die seit mehr als 30 Jahren geltende Beschäftigungssicherung aufgekündigt. Ab Mitte 2025 wären betriebsbedingte Kündigungen möglich. Auch Werkschließungen hatte VW in den Raum gestellt, bisher aber keine Zahl oder Standorte genannt. Als gefährdet gilt etwa das Werk in Osnabrück, das kürzlich einen erhofften Folgeauftrag von Porsche verloren hat.