Europäische Volkspartei

EVP-Chef Weber sieht Europa in einer neuen Migrationskrise

Auf Lampedusa kommen Tausende Boots-Migranten aus Nordafrika an. Auch hierzulande werden so viele Asylbewerber registriert wie seit sieben Jahren nicht. Die Politik streitet über Auswege.

EVP-Chef Weber sieht Europa in einer neuen Migrationskrise

Angesichts des stark gestiegenen Zuzugs von Migranten fordert der Vorsitzende der Europäischen Volkspartei, Manfred Weber, ein Umsteuern der Bundesregierung. «Europa ist de facto in einer neuen Migrationskrise», sagte der CSU-Politiker dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND, Dienstag). Diese könne aber nicht durch Nichtstun bewältigt werden. Kanzler Olaf Scholz und Innenministerin Nancy Faeser (beide SPD) müssten ihre «Verweigerungshaltung» aufgeben. «Neben Humanität braucht es endlich strikte Steuerung und Begrenzung.»

Auch der Generalsekretär der Koalitionspartei FDP, Bijan Djir-Sarai, machte Druck. «Ich hoffe, dass jeder in dieser Regierung auch inzwischen verstanden hat, wie gefährlich und wie problematisch diese Lage ist», sagte er am Montagabend in den ARD-«Tagesthemen». «Die Migration, die wir derzeit in Deutschland erleben, überfordert die Menschen in unserem Land.»

FDP: «Wir müssen handeln»

Die FDP hatte zuvor in einem Positionspapier ihre Forderung bekräftigt, Marokko, Tunesien und Algerien zu sogenannten sicheren Herkunftsstaaten zu erklären, um die Asylverfahren von Staatsbürgern dieser nordafrikanischen Staaten zu beschleunigen. Dies hatten die Grünen wiederholt zurückgewiesen. «Das ist jetzt eine Sachdebatte, wo alle auch ein Stück innerhalb der Koalition über ihren Schatten springen müssen», sagte Djir-Sarai. «Wir müssen handeln.»

Der Parlamentarische Geschäftsführer der Union im Bundestag, Thorsten Frei, verwies auf die Nöte bei der Unterbringung. «Viele Städte und Gemeinden wissen nicht mehr ein noch aus», sagte der CDU-Politiker der «Rheinischen Post». Er reagierte damit auf Klagen vieler Kommunen über zu wenig Wohnraum sowie mangelnde Schul- und Kitaplätze.

Union: Deutschland trägt die Hauptlast

«Deutschland trägt seit Jahren die Hauptlast in dieser Migrationskrise», sagte Frei weiter. So seien etwa in Italien bis Juni rund 62.000 Asylanträge gestellt worden, in Deutschland dagegen 162.000. Italien stand zuletzt im Fokus, weil auf der Insel Lampedusa vergangene Woche innerhalb weniger Tage Tausende Migranten mit Booten aus Nordafrika angelandet sind.

Tatsächlich wurden nach Daten der Europäischen Asyl-Agentur im ersten Halbjahr in Deutschland mit Abstand die meisten Asylanträge gestellt: Es waren 30 Prozent aller Anträge - und damit fast doppelt so viel wie in den nächstplatzierten Staaten Spanien (17 Prozent) and Frankreich (16 Prozent). Dahinter rangierte Österreich, dann Italien.

Asylanträge im Verhältnis zu Einwohnern

Im Verhältnis zur Bevölkerung wurden von Januar bis Juni die meisten Asylanträge pro tausend Einwohner in folgenden Ländern gestellt: Zypern (4,5), Österreich (2,5), Estland (2), Deutschland (1,9), Luxemburg (1,8).

Der Präsident des Deutschen Landkreistages, Reinhard Sager, warnte, in der Bevölkerung könne die Zustimmung zur Aufnahme von Flüchtlingen sinken. «Der Bund muss deshalb das Signal senden, dass die Zuwanderung, so gut es geht, begrenzt wird und in geordneten Bahnen verläuft. Wichtig ist darüber hinaus, dass die Bundesländer nur Menschen auf die Kommunen weiterverteilen, die eine Bleibeperspektive haben», sagte er dem RND.

CDU-Generalsekretär fordert Sofortmaßnahmen

CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann hatte am Montag nach Sitzungen der Spitzengremien seiner Partei als Sofortmaßnahme gefordert, nach dem Vorbild der deutsch-österreichischen Grenze auch an den Grenzen zu Polen, Tschechien und der Schweiz Grenzkontrollen einzuführen. Dies lehnte SPD-Fraktionsvize Dirk Wiese als wenig effektiv ab. Nach seinen Worten binden stationäre Grenzkontrollen vor allem Personal, «das wir bei der Intensivierung der effektiven Schleierfahndung viel dringender benötigen», wie er der Mediengruppe Bayern sagte.

Diskutiert wurde zudem weiter über die Forderung von Bayerns Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU) nach einer Obergrenze für Asylbewerber - konkret 200.000 pro Jahr «als Richtwert». Dazu sagte Wiebke Judith von Pro Asyl der «Stuttgarter Zeitung» und den «Stuttgarter Nachrichten» (Dienstag), Söders Vorschlag sei unrealistisch und menschenrechtswidrig. «Wer eine Obergrenze einführen will, blendet völlig aus, was passiert, wenn die 200.001. Person kommt, um Asyl zu beantragen - zum Beispiel jemand, der aus Syrien geflohen ist und in Deutschland Familie hat. Diese Person hat ein Recht auf Schutz.»

Strack-Zimmermann: Müssen das Problem europäisch lösen

Die Spitzenkandidatin der FDP bei der Europawahl, Marie-Agnes Strack-Zimmermann, forderte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU) zum Handeln auf. «Es wird Zeit, dass die Kommissionspräsidentin endlich reagiert, weil wir das Problem europäisch lösen müssen», sagte sie dem RND. «Die europäischen Außengrenzen gehören geschützt.» In den Herkunftsländern müsse bereits geklärt werden, ob die Frage auf Asyl positiv beschieden werden könne oder ob ein Schutzgrund nach der Genfer Flüchtlingskonvention im Einzelfall vorliege. «Wir müssen dagegen Flüchtlinge, die aus sicheren Herkunftsländern stammen, sofort zurückschicken. All das muss jetzt und sofort passieren.»