Florian Illies über Caspar David Friedrich
Goethe konnte mit ihm einfach nichts anfangen. Caspar David Friedrichs Bilder waren ihm viel zu düster und melancholisch, zu «neudeutsch, religiös-patriotisch.» Zwar zeichnete der Dichter den Maler einmal sogar mit einem von ihm selbst ausgelobten Preis aus. Das war es dann aber auch schon. Fortan wimmelte er alle Versuche Friedrichs ab, eines seiner Gemälde anzukaufen. Am Ende war Goethe so genervt von den Anbiederungsversuchen des Malers, dass er seine Wut kaum noch kontrollieren konnte. Angeblich hat er sogar ein Bild von ihm an einer Tischkante zerschlagen.
Diese Anekdote schildert Florian Illies in seinem Buch «Zauber der Stille», das einen wunderbaren Einstieg in das Caspar-David-Friedrich-Jahr 2024 bietet, in dem mit mehreren Ausstellungen der 250. Geburtstag des großen Naturmalers gefeiert wird. Der Bestsellerautor und Kunstexperte hat keine geradlinige chronologische Biografie geschrieben, sondern geht nach dem schon in seinen vorherigen Büchern bewährten Mosaik-Prinzip vor. Die gestörte Beziehung zwischen Goethe und Friedrich wird so an unterschiedlichen Stellen des Buchs skizzenhaft aufgegriffen und beleuchtet.
Bilder verstaubten teils auf alten Herrensitzen
Goethe war mit seiner Abneigung gegenüber dem Maler übrigens lange Zeit nicht allein. Es ist angesichts der heutigen Caspar-David-Friedrich-Verehrung kaum mehr vorstellbar, dass dieser Klassiker der deutschen Romantik in der Kunstwelt einmal völlig abgeschrieben war. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts konnte niemand mehr etwas mit seinem Namen anfangen. Friedrichs Bilder, fast nie signiert, wurden teilweise anderen Romantikern zugerechnet. Sie vergammelten und verstaubten auf alten Herrensitzen oder in verwunschenen Damenstiften. Der größte Teil verblieb im Besitz eines alten Dresdner Freundes, der Friedrichs Einzigartigkeit früh erkannte.
Illies erzählt plastisch, sehr unterhaltsam und voller schöner Anekdoten von den Irrwegen, dem Verschwinden und der wundersamen Wiederentdeckung heutiger Ikonen der Kunstgeschichte. Eines der berühmtesten Werke des Malers, «Der Wanderer über dem Nebelmeer» war über hundert Jahre überhaupt nicht bekannt, bevor es, völlig unterschätzt, eine nebulöse Reise durch allerlei private Sammlungen antrat. Erst in den 1970er begann mit dem Ankauf durch die Hamburger Kunsthalle sein beispielloser Siegeszug.
Unter «Kreidefelsen» aufgewachsen
Noch kurioser ist die Geschichte der «Kreidefelsen auf Rügen». Es wurde 1915 von dem jüdischen Unternehmer und Sammler Julius Freund als ein angebliches Gemälde von Carl Blechen, einem Zeitgenossen Friedrichs, erworben. Freund hängte das Bild in das Zimmer seiner Tochter. Als diese später als Fotografin unter dem Namen Gisèle Freund berühmt wurde, bemerkte sie: «Ich bin unter den Kreidefelsen von Rügen aufgewachsen.» Doch neben diesen oft wundersam bewahrten Bildern stehen leider auch viele zerstörte Werke. Etwa die Hälfte der Bilder Friedrichs gelten als wohl unwiderruflich verloren. Eine große Zahl verbrannte bei verschiedenen Katastrophen.
Illies schildert, wie Friedrich ganz unterschiedliche Künstler beeinflusste, von denen man das gar nicht erwarten würde. Walt Disney etwa war so angetan von dessen Bildern, dass er sein berühmtes Bambi durch mystische Berglandschaften à la Caspar David Friedrich hoppeln ließ. Und wer weiß schon, dass das Theaterstück «Warten auf Godot» von Samuel Beckett von dem Gemälde «Zwei Männer in Betrachtung des Mondes» inspiriert wurde?
Das aufwendig recherchierte, aber sehr leichtfüßig daherkommende Buch hält so manche Überraschung parat. So war Caspar David Friedrich offenbar ein ganz miserabler Figurenzeichner. Illies meint, dass er genau deshalb Menschen meist von hinten malte. Auf jeden Fall entstanden so einige der schönsten Rückenbilder der Kunstgeschichte.