Frankreich

Frankreich rüstet sich für dritte Krawallnacht

Mit einem Großaufgebot an Beamten und Ausgangssperren will Frankreich eine dritte Krawallnacht verhindern. Der Polizist, der den tödlichen Schuss auf einen Jugendlichen abfeuerte, ist in Untersuchungshaft.

Frankreich rüstet sich für dritte Krawallnacht

Zwei Tage nach dem tödlichen Schuss eines Polizisten auf einen Jugendlichen bei einer Verkehrskontrolle bei Paris ist gegen den Beamten ein förmliches Ermittlungsverfahren wegen Totschlags eingeleitet worden. Er kam am Donnerstag in Untersuchungshaft, wie die Staatsanwaltschaft mitteilte. Der Einsatz der Waffe bei der Kontrolle sei nicht gerechtfertigt gewesen.

Um eine dritte Nacht mit Krawallen zu verhindern, mobilisierte Innenminister Gérald Darmanin landesweit 40.000 Polizisten. Premierministerin Élisabeth Borne rief gemeinsam mit anderen Politikern zur Ruhe auf. Legitime Emotionen dürften nicht zu einer Eskalation der Lage führen.

Bereits im Anschluss an einen Trauermarsch in Nanterre für den dort erschossenen Jugendlichen mit rund 6000 Teilnehmern kam es am Donnerstagabend zu Auseinandersetzungen zwischen Protestierenden und der Polizei. Wie die Zeitung «Le Parisien» und der Sender BFMTV berichteten, wurden Beamte mit Molotow-Cocktails beworfen. Die Polizei überwachte die Lage mit Hubschraubern und zog Spezialkräfte in Nanterre zusammen. Der Straßenbahn- und Busverkehr im Großraum Paris sollte aus Sicherheitsgründen ab 21 Uhr eingestellt werden. Einige Orte verhängten nächtliche Ausgangssperren für Jugendliche. Verbote des Verkaufs und Mitführens von Feuerwerk wurden verhängt.

Proteste in ganz Frankreich

Die Krawalle mit brennenden Mülltonnen und Autos, die sich am Dienstagabend noch auf den Großraum Paris beschränkt hatten, griffen in der darauffolgenden Nacht auf Städte in ganz Frankreich über. Dabei kam es zu zahlreichen Angriffen auf Polizeiwachen und Rathäuser, auch Schulen wurden in Brand gesteckt. Präsident Emmanuel Macron hatte gesagt, der Tod des Jugendlichen sei «nicht zu erklären und nicht zu entschuldigen». Am Donnerstag verurteilte er die Gewalt gegen «Institutionen und die Republik». Diese sei absolut nicht zu rechtfertigen.

Eine Motorradstreife hatte den 17-Jährigen am Dienstagmorgen in Nanterre am Steuer eines Autos gestoppt. Als der junge Mann plötzlich anfuhr, fiel der tödliche Schuss aus der Dienstwaffe des Polizisten. Mit Bildern der Videoüberwachung, Amateurvideos und Zeugenaussagen hätten sich die Umstände der Kontrolle rekonstruieren lassen, teilte die Staatsanwaltschaft am Donnerstag mit.

Der 17-Jährige sei demnach mit zwei Beifahrern mit hohem Tempo in Nanterre unterwegs gewesen und dabei über eine Busspur gefahren. Ein erster Versuch der zwei Polizisten, ihn an einer Ampel zu stoppen, sei gescheitert. Der junge Mann sei bei Rot davongefahren und habe seine Flucht auch über Gehwege fortgesetzt. Als die Beamten ihn etwas später einholen und stoppen konnten, richteten demnach beide auf Höhe der Fahrertür ihre Waffen auf den 17-Jährigen und forderten ihn zum Abschalten des Motors auf. Als der Verdächtige plötzlich losfuhr, gab ein Beamter einen Schuss ab, wie es weiter hieß.

Opfer war nur mit Verkehrsdelikten auffällig geworden

Die Staatsanwaltschaft stellte klar: Bei der Polizei aufgefallen war der Fahrer bisher nur mit Verkehrsdelikten, in dem sportlichen Wagen wurden keine Drogen oder anderen verbotenen Gegenstände gefunden.

Nicht nur aus dem linken Spektrum kam der Vorwurf, die Polizei trete repressiv und mit übermäßiger Gewalt auf. Innenminister Darmanin und andere Politiker betonten indes, der Respekt für die Beamten sei in vielen Vierteln miserabel, zugleich setzten die Polizisten bei Kontrollen ihr Leben aufs Spiel.

Eine grundlegende Polizeireform forderte nicht nur der Linkspolitiker Jean-Luc Mélenchon, sondern auch die Polizeigewerkschaft CGT Intérieur, wie die Zeitung «Le Parisien» am Donnerstag berichtete. Der Einsatz der Staatsmacht und das Funktionieren der Polizei müssten reformiert werden, meinte die Gewerkschaft. «Es ist eine andere Polizei, die wir benötigen.»

Dabei war den Beamten der Griff zur Waffe zuletzt noch erleichtert worden. Ein Gesetz von 2017 regelt, dass diese schießen dürfen, wenn Menschen sich einer Verkehrskontrolle widersetzen und die Beamten aus Notwehr zur Waffe greifen. 13 Tote gab es 2022 in solchen Situationen, bei denen allerdings Kriminelle teils direkt auf die Polizisten zurasten.