Frankreich sucht nach Messerattacke Antworten
Nach dem Messerangriff auf vier kleine Kinder und zwei Erwachsene auf einem Spielplatz in Ostfrankreich sucht das Land nach Antworten. Der festgenommene Täter soll nun psychologisch begutachtet und von der Polizei verhört werden. Regierungssprecher Olivier Véran sagte im Sender France Info, zwei der Kinder schwebten seines Wissens nach noch immer in Lebensgefahr.
Der Angreifer hatte am Donnerstagmorgen in der ostfranzösischen Stadt Annecy vier Kinder zwischen 22 Monaten und drei Jahren mit einem Messer angegriffen. Die Kinder aus Frankreich, den Niederlanden und Großbritannien kamen in Kliniken in Genf und Grenoble. Auch zwei Erwachsene verletzte der Mann, bevor Sicherheitskräfte ihn übermannten und festnahmen.
Suche nach dem Motiv
Die Justiz ermittelt gegen den Mann wegen versuchten Mordes. Seine Beweggründe sind noch unbekannt. «Wir versuchen, sein Motiv zu begreifen», sagte Staatsanwältin Line Bonnet-Mathis. Ein terroristisches Motiv sehen die Ermittler demnach bisher nicht. Auch habe der Mann wohl nicht unter dem Einfluss von Alkohol oder Drogen gestanden.
Premierministerin Élisabeth Borne zufolge war der Mann für die europäischen Sicherheitsbehörden ein Unbekannter gewesen, es liege nichts zu ihm vor. Es gebe auch keine Hinweise auf psychiatrische Behandlungen in der Vergangenheit. Eine Polizeisprecherin sagte im Sender BFMTV, der Mann sei am Donnerstag in Gewahrsam «besonders unruhig» gewesen. Nach dem psychologischen Gutachten werde man wohl etwas mehr wissen.
Macron besucht verletzte Kinder
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron besuchte einige der schwer verletzten Kinder in der Universitätsklinik in Grenoble. Macron traf am Freitagvormittag gemeinsam mit seiner Frau Brigitte in der Klinik in der südostfranzösischen Großstadt ein. Beide wurden von Verantwortlichen der Klinik empfangen.
«Ich verfolge permanent den Gesundheitszustand dieser kleinen Kinder, die alle operiert werden konnten», sagte Ministerpräsidentin Borne. «Sie stehen natürlich unter permanenter medizinischer Aufsicht, heute ist ihr Zustand stabil.»
Täter hatte Asyl in Schweden erhalten
Den Angaben der Behörden zufolge ist der Täter Syrer. Er lebte demnach jahrelang in Schweden und kam erst vor wenigen Monaten nach Frankreich, wo er ohne festen Wohnsitz war. Französische Medien berichteten, der Angreifer sei in Schweden mit einer Frau verheiratet gewesen und habe eine dreijährige Tochter. Seine Frau und er hätten sich kürzlich getrennt.
Obwohl der Mann bereits in Schweden Asyl erhielt, beantragte er dies auch in Frankreich. Frankreichs Innenminister Gérald Darmanin sagte, am vergangenen Sonntag sei dem Mann mitgeteilt worden, dass sein Asylgesuch in Frankreich abgelehnt worden sei, da er bereits in Schweden Asyl erhalten habe.
Frankreich unter Schock
Der Angriff hat Frankreich tief getroffen. Innenminister Darmanin sprach im Sender TF1 vom «schlimmsten Tag für die Franzosen», seit er vor knapp drei Jahren ins Amt kam. Regierungssprecher Véran sagte: «Wir suchen alle nach Antworten.» Er fügte hinzu: «Es gibt nichts, was jemals rechtfertigen oder erklären könnte, warum Kinder zum Ziel eines Mannes werden.» Wirtschaftsminister Bruno Le Maire sagte im Sender BFMTV: «Es gibt nichts Unmenschlicheres, nichts Unsinnigeres, nichts, was so verletzt, wie Kinder anzugreifen.» Auf Bildern war zu sehen, wie Menschen in der Nähe des Tatorts Blumen und Kuscheltiere ablegten und der Opfer gedachten.
Unterdessen versuchten Frankreichs bürgerliche Rechte und die Rechtsnationale, die Diskussion um die Tat auf das im Land derzeit ohnehin umstrittene Thema Immigration zu lenken. Rechtsextrem anmutende Kundgebungen in Annecy hatte die Präfektur für Donnerstagabend verbieten lassen.
Frankreich feiert «Held mit Rucksack»
Zugleich feiert Frankreich einen Mann, der sich dem Täter in den Weg gestellt und ihn verfolgt hat. Französische Medien berichteten unter Verweis auf Videos von dem Angriff, dass der Mann den Täter von dem Spielplatz wegtrieb. Online sei der mit zwei Rucksäcken beladene Held schnell gefunden worden: Er heiße Henri, sei 24 Jahre alt und auf einer Tour von Kathedrale zu Kathedrale. Auf seinem Facebook-Profil häuften sich Kommentare voller Anerkennung und Dankbarkeit für sein Einschreiten.
«Ich habe wirklich instinktiv gehandelt», sagte der junge Mann dem Sender CNews am Freitag. «Es war für mich undenkbar, nichts zu tun.» Er glaube, dass er nicht zufällig vor Ort gewesen sei. «Ich habe alles gemacht, um die Schwächsten zu beschützen.» Der Angreifer habe versucht, auch ihn mit dem Messer zu verletzen. «Ich hatte Angst um mein Leben, aber ich hatte vor allem Angst um das Leben der anderen. Ich wollte nicht, dass er andere verletzt.» Erst als der Stress später nachgelassen habe, sei ihm klar geworden, dass die Situation sehr gefährlich hätte sein können.