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Griechenland: Streit wegen Verantwortung für Bootsunglück

In Griechenland entbrennt eine politische Debatte über die Rolle der Regierung und der Küstenwache. Die Hintergründe des schweren Bootsunglücks sind weiterhin noch unklar.

Griechenland: Streit wegen Verantwortung für Bootsunglück

In Griechenland ist nach dem schweren Bootsunglück mit vermutlich Hunderten ertrunkenen Migranten ein Streit rund um die Verantwortung für den Vorfall entbrannt. «Es ist ein Verbrechen – wo sind die Schuldigen?», titelte etwa die linke Zeitung «Efimerida ton Syntakton».

Politiker vor allem linker Parteien sehen die konservative Regierung der vergangenen vier Jahre in der Verantwortung. Aufgrund von ihr eingeführten strengen Kontrollen auf dem Meer wählten Schleuser nun gefährlichere, längere Routen an Griechenland vorbei direkt nach Italien, lautet der Vorwurf.

Das Unglück und die Debatte fallen in eine innenpolitisch unruhige Phase in Griechenland. Am 25. Juni finden erneut Parlamentswahlen statt, nachdem bei den Wahlen im Mai keine Regierung zustande kam. Im Amt ist deshalb aktuell eine Interimsregierung aus hohen Beamten und Akademikern. Sie ordnete nach dem Unglück eine dreitägige Staatstrauer an. Die Interimsminister müssen sich nun auch mit Vorwürfen rund um das Unglück auseinandersetzen.

Gestern hatte Alexis Tsipras, Chef der größten Oppositionspartei, der linken Syriza, eine Mitschuld bei der Küstenwache gesehen. In einem Streitgespräch fragte er den Interimsminister für Bürgerschutz, Evangelos Tournas, warum diese nicht eingegriffen habe. Tournas erklärte, ein Eingreifen in internationalen Gewässern sei nicht möglich, wenn der Kapitän des Bootes dies ablehne. Hilfe sei der Besatzung mehrfach angeboten, diese aber konsequent ausgeschlagen worden.

Beobachtern zufolge hätte eine ungebetene Annäherung an das Boot aber auch zu einer gefährlichen Massenpanik an Bord und zum Kentern führen können, da die Menschen nicht nach Griechenland wollten. Experten vermuten, dass es solch eine Panik unter den Passagieren war, die das übervolle Schiff kentern und sinken ließ.

Neun Verdächtige in festgenommen

Unterdessen ist bekannt geworden, dass es praktisch keine Hoffnung mehr gibt, noch Überlebende zu finden. Das Suchgebiet in den Gewässern südwestlich von Griechenland wurde nochmals ausgeweitet, wie die Küstenwache mitteilte.

Nach Medienberichten soll die Suche im Lauf des Tages aber eingestellt werden. Gestern Abend waren von den 104 Überlebenden neun Verdächtige in der Hafenstadt Kalamata festgenommen worden. Die Ägypter gelten als mutmaßliche Schleuser und Organisatoren der Unglücksfahrt.

Der mit schätzungsweise 500 bis 700 Menschen besetzte Fischkutter war in der Nacht zum Mittwoch rund 50 Seemeilen südwestlich der Halbinsel Peloponnes in internationalen Gewässern gesunken. Zuvor soll an Bord eine Massenpanik ausgebrochen sein, die das übervolle Schiff zum Kentern brachte. Seither wurden 78 Todesopfer geborgen. Die Behörden vermuten, dass das Boot sehr schnell sank. Deshalb sei es den Menschen unter Deck vermutlich nicht gelungen, sich ins Freie zu retten.

Unglücksort an tiefster Stelle

Am Freitag begannen die Behörden, die Überlebenden in ein Auffanglager nördlich von Athen zu bringen, wo die Migranten registriert werden und Asylanträge stellen können. Lediglich die neun mutmaßlichen Schleuser blieben in Kalamata in Polizeigewahrsam. Dabei handelt sich nach Angaben der Küstenwache um Ägypter im Alter zwischen 20 und 40 Jahren. Ihnen werden fahrlässige Tötung, Menschenhandel und die Bildung einer kriminellen Vereinigung vorgeworfen.

Der Unglücksort befindet sich in der Region der tiefsten Stelle des Mittelmeers, dem bis zu 5267 Meter tiefen Calypsotief. Eine Bergung des Wracks ist deshalb kaum wahrscheinlich. Experten halten einen solchen Versuch für sehr aufwendig und teuer.