Gaza-Krieg

Guterres warnt vor Katastrophe in Nahost

Der UN-Chef fordert von Israel und der Hisbollah im Libanon ein Ende der Feindseligkeiten. Zugleich beklagt er totales Chaos in Gaza. Dort geht das Sterben weiter. Die News im Überblick.

UN-Generalsekretär António Guterres hat im Konflikt zwischen Israel und der proiranischen Hisbollah-Miliz im Libanon eindringlich vor einer Katastrophe gewarnt. «Eine unüberlegte Handlung - eine Fehlkalkulation - könnte eine Katastrophe auslösen, die weit über die Grenze hinausgeht und, offen gesagt, die Vorstellungskraft übersteigt», warnte Guterres in New York.

Die Menschen in der Region und in aller Welt könnten es «sich nicht leisten, dass der Libanon ein weiteres Gaza wird», sagte Guterres unter Verweis auf den Krieg zwischen Israel und der mit der Hisbollah verbündeten islamistischen Hamas im Gazastreifen. Dort starben nun nach palästinensischen Angaben bei einem Israel zugeschriebenen Angriff auf ein Zeltlager mit Binnenflüchtlingen mindestens 24 Menschen.

Das israelische Militär teilte auf Anfrage mit, erste Untersuchungen deuteten darauf hin, dass der Angriff in Al-Mawasi nahe Rafah im Süden Gazas nicht durch israelische Truppen erfolgt sei. Der Vorfall werde noch weiter untersucht.

Laut der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde in Gaza erlitten 47 Palästinenser bei dem Angriff Verletzungen. Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) teilte auf der Plattform X mit, dass das nahe gelegene Feldlazarett 22 Tote und 45 Verletzte aufgenommen habe, wobei es Berichte über weitere Opfer gebe.

X-Beitrag IKRK

Geschosse «schweren Kalibers»

In der Erklärung des Roten Kreuzes wurde nicht gesagt, wer dafür verantwortlich war. Geschosse «schweren Kalibers» seien nur wenige Meter vom Büro des IKRK und seiner Unterkunft in Al-Mawasi entfernt eingeschlagen. Das Bürogebäude, das «von Hunderten von in Zelten lebenden Vertriebenen umgeben» sei, sei beschädigt worden.

Die an Ägypten grenzende Stadt Rafah steht seit Anfang Mai im Mittelpunkt einer israelischen Militäroffensive. Israel will dort die letzten Bataillone der Hamas zerschlagen. Dort hatten etwa eine Million Menschen auf engstem Raum Schutz vor Kämpfen in anderen Teilen des Gazastreifens gesucht. Als die Bodenoffensive der Israelis begann, flohen sie erneut.

Viele kamen nach Al-Mawasi, wo es jedoch nach Angaben von Hilfsorganisationen an Unterkünften, sanitären Einrichtungen, Wasser und Nahrungsmitteln mangelt. Augenzeugen berichteten, dass israelische Panzergranaten völlig überraschend in dem dortigen Zeltlager eingeschlagen seien. Unabhängig ließen sich diese Angaben nicht überprüfen.

Guterres: In Gaza herrscht «totale Gesetzlosigkeit»

UN-Generalsekretär Guterres beklagte, es herrsche «totale Gesetzlosigkeit» im Gazastreifen. Es gebe «extreme Schwierigkeiten bei der Verteilung» von Hilfsgütern in Gaza, Lastwagen würden geplündert. Das Problem bestehe nicht nur darin, Hilfsgüter nach Gaza zu bringen.

«Es muss ein Mechanismus vorhanden sein, der ein Mindestmaß an Recht und Ordnung garantiert, damit die Verteilung stattfinden kann», forderte Guterres. Der UN-Chef drängte daher einmal mehr auf eine sofortige Waffenruhe zwischen Israel und der Hamas.

Katar: Fortschritte bei Verhandlungen

Bei den indirekten Verhandlungen gibt es nach Aussagen des Vermittlerstaats Katar einige Fortschritte. Es gebe allerdings zwischen Israel und der Hamas «noch immer einige Lücken», sagte Katars Ministerpräsident Mohammed bin Abdulrahman Al Thani bei einem Besuch in Spanien.

Katar setze seine Bemühungen fort, sagte er weiter. Es habe einige Treffen mit Vertretern der Hamas gegeben. Seit Monaten laufen Bemühungen der Vermittler USA, Katar und Ägypten, Israel zu einer Waffenruhe und die Hamas zur Freilassung der noch rund 120 aus Israel verschleppten Menschen zu bewegen - bislang jedoch ohne einen Erfolg.

Der Auslandschef der Hamas, Ismail Hanija, bekräftigte nach einem Bericht der israelischen Nachrichtenseite «Ynet» die Position der Islamistenorganisation. Man sei «offen für jede Verhandlungs- und Waffenstillstandsinitiative», sofern diese die Forderungen nach «Beendigung des Krieges» erfülle.

Die Hamas halte an ihren Forderungen wie einem dauerhaften Waffenstillstand und einem vollständigen Rückzug der israelischen Truppen aus dem Gazastreifen fest, hieß es. Israel lehnt ein Ende des Krieges jedoch bisher strikt ab.

Armee: Israel fliegt Angriffe in Südlibanon

Unterdessen kam es an Israels Grenze zum Libanon erneut zu gegenseitigem Beschuss. In Reaktion auf wiederholte Angriffe auf Gebiete im Norden Israels flog die israelische Armee nach eigenen Angaben Luftangriffe gegen mehrere Stellungen der proiranischen Schiitenmiliz Hisbollah im Süden des Libanons, wie das Militär mitteilte.

Zuvor seien Angriffe aus dem Libanon auf Gebiete im Norden Israels erfolgt. Es habe dabei keine Berichte über Verletzte gegeben, hieß es. Die Angaben ließen sich zunächst unabhängig nicht überprüfen. Seit Beginn des Krieges im Gazastreifen kommt es täglich zu militärischen Konfrontationen zwischen der israelischen Armee mit der Hisbollah im Grenzgebiet zwischen Israel und dem Libanon. Auf beiden Seiten gab es dabei Tote.

Gefahr einer Ausweitung «real»

UN-Generalsekretär Guterres drückte seine «tiefe Besorgnis» über die jüngste Eskalation in dem Konflikt aus. Die Gefahr einer Ausweitung sei «real» und müsse vermieden werden. In Ortschaften beiderseits der Grenze hat der gegenseitige Beschuss bereits schwere Zerstörungen angerichtet. Rund 150.000 Menschen wurden evakuiert oder verließen die Kampfzone. Die Hisbollah ist mit der Hamas verbündet, gilt aber als deutlich schlagkräftiger.

Israel will durch militärischen und diplomatischen Druck erreichen, dass sich die Hisbollah wieder hinter den 30 Kilometer von der Grenze entfernten Litani-Fluss zurückzieht - so wie es die UN-Resolution 1701 vorsieht. «Die Parteien müssen dringend zur vollständigen Umsetzung der Resolution 1701 des Sicherheitsrates zurückkehren und unverzüglich zu einer Einstellung der Feindseligkeiten übergehen», forderte Guterres.

Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) reist angesichts der wachsenden Sorgen vor einer Eskalation des Konflikts nächste Woche zu Gesprächen nach Israel und in den Libanon.