Hitze als Todesursache: Probleme bei Erfassung
Sonnenstich, Hitzschlag und andere gesundheitliche Probleme: Das Robert Koch-Institut (RKI) und auch Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) gehen von Tausenden Toten infolge extremer Hitze jedes Jahr aus. Das Problem dürfte sich mit zunehmender Klimaerwärmung verschärfen.
Doch geht es um Hitze als direkte Todesursache, liegen die offiziellen Zahlen deutlich darunter, wie aus einer Mitteilung des Statistischen Bundesamts von Mittwoch hervorgeht. Für eine Wissenschaftlerin ist das ein Grundproblem bei der Erfassung.
Die Statistiker sehen für die Jahre 2001 bis 2021 durchschnittlich knapp 1500 Krankenhausbehandlungen durch extreme Hitze und Sonne im Jahr. «Als direkte Todesursache lässt sich Hitze bei durchschnittlich 19 Fällen pro Jahr allerdings selten feststellen», schreibt das Bundesamt. In vielen Fällen erhöhe sich durch die Kombination aus Hitze und Vorerkrankungen jedoch die Sterblichkeit. «So stiegen in von Hitzeperioden geprägten Wochen die Sterbefallzahlen auch in den vergangenen Sommern an», heißt es in einer Mitteilung.
«Das zeigt das Grundproblem, das wir haben», sagte Umweltmedizinerin Claudia Traidl-Hoffmann von der Universität Augsburg der Deutschen Presse-Agentur. Die vom Statistikamt genannten 19 Fälle pro Jahr seien sehr wahrscheinlich Menschen, die draußen gearbeitet hätten, kerngesund waren und an einem Hitzschlag gestorben sind.
Hitze als Todesursache häufig nicht erfasst
«Das Grundproblem ist für mich, dass Hitze als Todesursache meistens gar nicht in Erwägung gezogen wird, weil da ein Mensch mit Herzinfarkt auf dem Reanimationstisch liegt, verstirbt und dann eben einfach an dem Infarkt gestorben ist.» Dass aber gleichzeitig seit Tagen 35 Grad draußen waren, werde nirgends erfasst.
Dabei werde zwar nicht die falsche Todesursache angeben. «Die ist ja im Körper tatsächlich der Herzinfarkt», sagte Traidl-Hoffmann. Die Frage sei aber, wodurch dieser ausgelöst beziehungsweise getriggert worden sei, und hier habe die Hitze mit großer Wahrscheinlichkeit einen großen Anteil.
«Wir haben selbst bei uns in der Notaufnahme schon Menschen gehabt, die den ganzen Tag draußen in der Sonne gearbeitet haben und dann mit einer Kerntemperatur von 43 Grad zu uns kamen», sagte die Wissenschaftlerin über die eindeutigeren Fälle bei Hitzetoten. Ein Patient sei am Ende dann an einer Gerinnungsstörung gestorben.
«Die Übersterblichkeit ist die bessere Methode, wirklich hitzebedingte, hitzeverbundene Erkrankungen und Todesfälle zu registrieren.» Das sei wie eine Gleichung mit mehreren Variablen. «Die Variable Hitze und Umweltfaktoren generell sind in dieser Gleichung etwas, was in den Köpfen vieler Medizinerinnen und Mediziner noch gar nicht gedacht wird, aber einen großen Anteil hat.»
Überdurchschnittlich viele hitzebedingte Behandlungen in Krankenhäusern und Todesfälle habe es in Deutschland in den Jahren mit vielen Hitzetagen über 30 Grad gegeben, hieß es auch bei den Statistikern.
Womöglich tausende hitzebedingte Todesfälle
Bei den Beratungen mit Vertretern von Pflegebranche, Ärzteschaft, Kommunen und weiteren Experten über einen nationalen Hitzeschutzplan sprach Lauterbach kürzlich von Tausenden Toten durch Hitze jedes Jahr. Laut einem jetzt online gegangenem Informationsportal haben neun der zehn wärmsten Jahre zwischen 1881 und 2022 in Deutschland seit dem Jahr 2000 stattgefunden. Auch das RKI schätzt die Zahl hitzebedingter Todesfälle auf Tausende im Jahr, alleine für das Jahr 2018 mehr als 8000.
In dem Informationsportal sieht Traidl-Hoffmann einen ersten guten Schritt. Aber: «Es muss auf alle Fälle noch mehr kommen.» Ein nationaler Hitzeschutzplan müsse Menschen früh warnen. «Wir müssen unsere Städte so bauen, dass wir überhaupt noch Hitzeschutzpläne schmieden können.» Das im Pariser Abkommen angepeilte Ziel einer Erwärmung von maximal 1,5 Grad habe Deutschland schon überschritten. «Unsere Städte werden während Hitzeperioden zu Krankheitsfallen.» Und auch in der Arbeitswelt werde es Veränderungen geben müssen. «Eine Siesta ist etwas, was wir wohl einführen müssen, wir brauchen flexiblere Arbeitszeiten.»