Inflation in Großbritannien geht nicht zurück
Die hartnäckige Inflation setzt die britische Notenbank unter Zugzwang. Im Mai ging die Teuerung in Großbritannien zur Überraschung von Analysten nicht weiter zurück. Die Kerninflation ohne schwankungsanfällige Preise von Energie, Nahrungs- und Genussmitteln stieg sogar. Gegenüber dem Vorjahresmonat erhöhten sich die Verbraucherpreise insgesamt wie im April um 8,7 Prozent, wie das Statistikamt ONS in London mitteilte. Ökonomen hatten einen Rückgang auf 8,4 Prozent erwartet. Im Monatsvergleich stiegen die Lebenshaltungskosten um 0,7 Prozent. Das ist mehr als erwartet.
Die Kerninflation erhöhte sich überraschend von 6,8 auf 7,1 Prozent. Ökonomen hatten einen unveränderten Wert erwartet. Für Mai ergibt sich die höchste Rate seit März 1992. Die Kernteuerung wird von Fachleuten als die verlässlichere Größe angesehen, wenn es um den grundlegenden Preistrend geht. Viele Notenbanken, so auch die britische Zentralbank, achten derzeit besonders stark auf den Wert.
An diesem Donnerstag gibt die Notenbank nach ihrer geldpolitischen Sitzung neue Entscheidungen bekannt. Erwartet wird zumindest eine zusätzliche Leitzinsanhebung um 0,25 Prozentpunkte. Allerdings wird auch ein größerer Schritt um 0,50 Punkte nicht ausgeschlossen.
Leitzinsen auf höchstem Niveau seit Finanzkrise
Bereits jetzt liegen die Leitzinsen in Großbritannien auf dem höchsten Niveau seit der Finanzkrise 2008. Seit Ende 2021 hat ihn die Notenbank von fast null auf 4,5 Prozent angehoben. Es ist einer der schärfsten Straffungsprozesse, den die britische Wirtschaft je zu verkraften hatte. Hintergrund ist der starke Anstieg der Inflation, der vor allem auf den russischen Krieg gegen die Ukraine zurückgeht.
Das Pfund reagierte auf die Inflationszahlen zunächst mit Kursgewinnen gegenüber Euro und Dollar. Im Handelsverlauf geriet die britische Währung jedoch unter Druck. Am Markt wurden Stagflationsängste als Grund genannt, also die Furcht vor einer stagnierenden Wirtschaft bei zugleich hoher Teuerung. Schon jetzt spürt die Wirtschaft den Gegenwind der kräftigen Zinsanhebungen. Ein großes Thema sind etwa die stark gestiegenen Hypothekenzinsen, die die Baufinanzierung für die Haushalte erheblich verteuern.
Auch die britische Staatsverschuldung ist weiter gestiegen. Ende Mai wurde erstmals seit 62 Jahren eine Schuldenquote von mehr als 100 Prozent der Wirtschaftsleistung (BIP) markiert, wie das Statistikamt bekannt gab. In absoluten Zahlen lag der Schuldenstand laut ONS zuletzt bei fast 2,6 Billionen Pfund (rund 3 Bio Euro).
Die Entwicklung setzt die Regierung von Ministerpräsident Rishi Sunak gleich von zwei Seiten unter Druck: Sunak hat nicht nur versprochen, etwas gegen die stark steigenden Lebenshaltungskosten zu tun. Der Premier will auch die öffentlichen Finanzen in Ordnung bringen.