Die Lage im Überblick

Israel: Millionen Dollar für Geiseln - Ringen um Waffenruhe

Netanjahu reist in den umkämpften Gazastreifen - und lobt eine Belohnung in Millionenhöhe für jede befreite Geisel aus. Derweil scheinen die Chancen auf eine Waffenruhe im Libanon zu steigen.

Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu setzt eine Belohnung von fünf Millionen Dollar (4,7 Millionen Euro) für die Freiheit jeder der noch etwa 100 verbliebenen Geiseln im Gazastreifen aus. Bei einem Besuch in dem umkämpften Küstengebiet versprach er am Dienstag den an einer Freilassung oder Befreiung Beteiligten und deren Familien freies Geleit ins Ausland. Der UN-Sicherheitsrat beschäftigt sich heute (16 Uhr MEZ) ebenfalls mit den Geiseln: Das Gremium soll erneut über eine Resolution abstimmen, die die Geisel-Freilassung und einen sofortigen Waffenstillstand im Krieg zwischen Israel und der islamistischen Hamas verlangt. 

Diplomaten äußerten allerdings die Erwartung, dass die USA die Beschlussvorlage mit einem Veto blockieren würden. Derweil steigt die Hoffnung auf eine Waffenruhe im Libanon: Der US-Vermittler für den Nahen Osten, Amos Hochstein, könnte Medienberichten zufolge heute zu weiteren Gesprächen nach Israel reisen. Am Dienstag hatte er sich nach ersten Gesprächen in der libanesischen Hauptstadt Beirut optimistisch gezeigt und gesagt, ein Waffenstillstandsabkommen zwischen Israel und der proiranischen Hisbollah-Miliz im Libanon sei «in greifbarer Nähe». 

Israel führt neben dem Krieg gegen die Hamas im Gazastreifen auch einen Krieg mit der Hisbollah im Libanon. Diese beschießt Israel nach eigenen Angaben zur Unterstützung der Hamas, die am 7. Oktober 2023 ein Massaker mit rund 1.200 Toten in Israel verübt hatte. Israel reagierte mit Luftangriffen und einer Bodenoffensive.

Netanjahu im umkämpften Gazastreifen

Bei seinem Besuch im umkämpften Gazastreifen warnte Netanjahu einer Mitteilung seines Büros zufolge zudem, jeder, der den Geiseln Schaden zufüge, werde einen «hohen Preis» zahlen. «Wir werden euch verfolgen und wir werden euch finden.» Auf keinen Fall werde die Hamas den Gazastreifen in Zukunft noch beherrschen. «Wir sind dabei, ihre militärischen Fähigkeiten auf sehr beeindruckende Weise zu beseitigen.»  

Ein früheres Angebot, die Geiseln durch die Zahlung einer Belohnung frei zu bekommen, hatte die islamistische Hamas als Farce zurückgewiesen. Eine Freilassung der Geiseln werde es nur geben, wenn es ein Abkommen gebe, das ein Ende des Kriegs und der Blockade vorsehe und den Wiederaufbau des Küstenstreifens ermögliche. 

Von den während des Hamas-Massakers am 7. Oktober 2023 aus Israel verschleppten rund 250 Menschen werden noch etwa 100 im Gazastreifen festgehalten, von denen jedoch viele nicht mehr am Leben sein dürften. Angehörige bezichtigen Netanjahu, eine Einigung über die Freilassung verhindert zu haben, um den Krieg am Laufen und sich selbst an der Macht zu halten.

US-Vermittler: Waffenruhe in kommenden Tagen möglich

Im Kampf zwischen Israels Militär und der Hisbollah zeichnet sich dagegen Entspannung ab. US-Vermittler Hochstein hatte am Dienstag gesagt, es gebe jetzt eine «wichtige Gelegenheit», eine Waffenruhe zwischen den Konfliktparteien zu erreichen - hoffentlich «in den kommenden Tagen». Bis zu einer Einigung seien allerdings noch «Lücken zu schließen». 

Seit Wochen zirkulieren in Medien Details über einen vermeintlichen US-Vorschlag. Libanesischen Sicherheitskreisen zufolge sollen Israel und die Hisbollah ihre Angriffe demnach zunächst 60 Tage lang aussetzen. Die israelische Armee soll den Libanon verlassen, und Soldaten der libanesischen Armee sollen an der Grenze stationiert werden. Israel und der Libanon sollen nach 60 Tagen zudem Verhandlungen über die vollständige Umsetzung der UN-Resolution 1701 zum vollständigen Ende der Feindseligkeiten führen. Die Hisbollah soll den US-Entwurf als Basis für weitere Verhandlungen sehen.

Israel setzt Angriffe im Libanon fort

Ungeachtet der Vermittlungsversuche setzt Israel seine Angriffe im Libanon fort. Berichten zufolge bombardierte Israels Militär Ziele nahe der libanesischen Hafenstadt Tyrus. Mehr als sechs Luftschläge trafen Häuser und Gebäude im Ort Husch rund vier Kilometer von der Küstenstadt entfernt, wie die Zeitung «L'Orient Le Jour» berichtete. 

Die staatliche Nachrichtenagentur NNA meldete mit Einbruch der Dunkelheit schweren Artilleriebeschuss auf das libanesische Dorf Dschamark etwa elf Kilometer entfernt von der Demarkationslinie im Süden des Landes. Es sei das erste Mal seit Beginn des Kriegs, dass Israel das Gebiet mit Artillerie beschossen habe.

Darüber hinaus wurden bei einem israelischen Luftangriff nach libanesischen Angaben drei Soldaten getötet. Der Angriff erfolgte auf eine Militäreinrichtung im südlichen Ort Sarafand, wie die libanesischen Streitkräfte mitteilten. Das israelische Militär teilte auf Anfrage mit, der Vorfall werde geprüft.

Nach einer Mitteilung des Gesundheitsministeriums stieg die Opferzahl seit Ausbruch der kriegerischen Auseinandersetzung zwischen dem israelischen Militär und der proiranischen Hisbollah-Miliz auf 3.544 Tote und 15.036 Verletzte. Unter den Todesopfern sind den Angaben zufolge auch 671 Frauen und 231 Minderjährige. 

Zudem wurden im Libanon vier Soldaten der UN-Friedenstruppe Unifil verletzt. Blauhelmsoldaten aus dem westafrikanischen Ghana erlitten Verletzungen, als eine Rakete ihren Stützpunkt traf, wie die Mission mitteilte. Nach Einschätzung von Unifil ging der Beschuss «höchstwahrscheinlich» von einer nichtstaatlichen Gruppe aus. Gemeint damit sind Milizen wie die Hisbollah. 

Rund 540.000 Menschen flohen aus dem Libanon nach Syrien

Seit der Zuspitzung des Kriegs zwischen Israel und der Hisbollah im Libanon flohen nach UN-Angaben rund 540.000 Menschen ins benachbarte Bürgerkriegsland Syrien. Wie das UN-Nothilfebüro OCHA berichtete, waren etwa zwei Drittel der aus dem Libanon kommenden Flüchtlinge Syrer und etwa ein Drittel libanesische Staatsbürger. 

Im Libanon lebten nach Regierungsangaben vor der jüngsten Eskalation im Konflikt mit Israel etwa 1,5 Millionen syrische Flüchtlinge. Die meisten von ihnen waren seit 2011 infolge des Bürgerkriegs in ihrem Heimatland in den Libanon gekommen. Im Libanon leben rund sechs Millionen Menschen.