Israels Armee greift Krankenwagen in Gaza an
Israels Armee hat bei ihrem Vormarsch im Norden des Gazastreifens nach eigenen Angaben einen angeblich von der islamistischen Hamas benutzten Krankenwagen angegriffen. Dabei seien mehrere Terroristen getötet worden, teilte das Militär am Freitag mit.
Das von der Hamas kontrollierte Gesundheitsministerium behauptete dagegen, es seien Verwundete zum Grenzübergang transportiert worden, damit diese in Ägypten behandelt werden können. Der Angriff geschah demnach vor dem Eingang des Schifa-Krankenhauses in der Stadt Gaza. 13 Menschen seien dabei getötet und 26 weitere verletzt worden. Die Angaben beider Seiten ließen sich zunächst nicht unabhängig prüfen.
Israel wirft der Hamas seit langem vor, ihre Kommandozentren, Waffenlager und Raketenabschussrampen gezielt in zivilen Einrichtungen wie Krankenhäusern und Schulen zu platzieren oder in Tunneln darunter - damit sie nicht aus der Luft bombardiert werden.
WHO-Chef «schockiert» nach Beschuss von Krankenwagen
«Wir sind zutiefst schockiert über die Berichte über Angriffe auf Krankenwagen, die Patienten in der Nähe des Al-Shifa-Krankenhauses in Gaza evakuieren, die zu Todesfällen, Verletzungen und Schäden geführt haben», schrieb der Chef der Weltgesundheitsorganisation WHO, Tedros Adhanom Ghebreyesus, auf der Plattform X (vormals Twitter). «Wir wiederholen: Patienten, medizinisches Personal, Einrichtungen und Krankenwagen müssen jederzeit geschützt werden. Immer.» Der WHO-Chef forderte einen sofortigen Waffenstillstand.
Israel spricht von «Kampfzone»
Von Israels Armee hieß es indes, bei dem beschossenen Gebiet handele es sich um eine «Kampfzone». Das Schifa-Krankenhaus dient nach israelischer Darstellung auch als Hamas-Kommandozentrum. Man habe Informationen, die belegten, dass die «Vorgehensweise der Hamas darin besteht, Terroristen und Waffen in Krankenwagen zu transportieren», hieß es.
Israelische Medien berichteten unter Berufung auf Sicherheitskreise, die Hamas habe rund 30.000 Menschen im Umkreis der Klinik als «menschliche Schutzschilde» konzentriert. Israels Militär hat die Stadt laut Medien umstellt. Es hatte alle Zivilisten mehrfach aufgefordert, zu ihrer eigenen Sicherheit in den Süden des dicht besiedelten Küstengebiets zu fliehen.
Erneute Zwischenfälle an Israels Nordgrenze
Unterdessen wehrte die israelische Armee nach eigenen Angaben Attacken von Terroristen aus dem Libanon ab. Wie die Armee in der Nacht zum Samstag auf Telegram bekanntgab, soll eine «Terrorzelle» am Vortag versucht haben, Panzerabwehrraketen auf das Gebiet des Kibbuz Yiftah im Norden Israels abzuschießen. Ein Panzer der israelischen Armee habe die Terrorzelle getroffen. Zudem habe sich ein Terrorist aus dem Libanon dem Grenzgebiet in der Nähe der Gemeinde Schelomi genähert und sei von einem israelischen Kampfflugzeug getötet worden.
Seit Beginn des Gaza-Kriegs am 7. Oktober kommt es an der Grenze zwischen Israel und dem Libanon immer wieder zu Konfrontationen zwischen der israelischen Armee und der proiranischen Schiitenmiliz Hisbollah. Auf beiden Seiten gab es bereits Tote. Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah warnte Israel am Freitag vor einer militärischen Eskalation. Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu reagierte darauf ebenfalls mit einer Warnung: «Ein solcher Fehler wird sehr kostspielig sein. Sie zahlen einen unvorstellbaren Preis.»
US-Außenminister nach Israel in Jordanien
US-Außenminister Antony Blinken will laut jordanischen Angaben am Samstag in der dortigen Hauptstadt Amman mit Amtskollegen aus Saudi-Arabien, Ägypten und anderen Ländern der Region über den Gaza-Krieg beraten. Jordanien wolle sich vor dem Treffen mit arabischen Staaten abstimmen, um «den israelischen Krieg gegen Gaza und die dadurch verursachte humanitäre Katastrophe zu beenden», meldete die jordanische Nachrichtenagentur Petra am Freitagabend unter Berufung auf einen Sprecher des jordanischen Außenministeriums.
Blinken hatte zuvor in Israel einen besseren Schutz für Zivilisten im Gazastreifen angemahnt. «Wir müssen mehr tun, um die palästinensische Zivilbevölkerung zu schützen», sagte er nach einem Treffen mit Netanjahu in Tel Aviv. Der israelische Regierungschef betonte wiederum, er lehne Feuerpausen im Gaza-Krieg ab, solange die Hamas nicht die im Gazastreifen festgehaltenen Geiseln freilasse.
Bericht: Israel will Bodenoperation intensivieren
Die US-Regierung rechnet einem Medienbericht zufolge in den nächsten Tagen mit dem Beginn einer neuen Phase des israelischen Feldzugs gegen die Hamas. Der Sender CNN berichtete in der Nacht unter Berufung auf einen ranghohen Regierungsbeamten in Washington, die Regierung von Präsident Joe Biden rechne mit einer Reduzierung der Luftangriffe und einem fortan stärkeren «taktischen Fokus auf die Bodenkampagne». Demnach dürfte es darum gehen, das riesige Netz unterirdischer Tunnelkomplexe zu räumen, von denen aus die Hamas operiere.
Israels Armee: Einsatzpläne der Hamas gefunden
Nach den jüngsten Luftangriffen im Flüchtlingslager Dschabalia, die nach israelischer Darstellung einem Drahtzieher des Massakers vom 7. Oktober galten, will Israels Infanterie nach Militärangaben vom Freitag Einsatzpläne, Kartenmaterial und Kommunikationsausrüstung der Hamas sowie persönliche Daten von Hamas-Kommandeuren und Terroristen gefunden haben. Diese Informationen würden vom Nachrichtendienst ausgewertet und der Armee für künftige Kämpfe zur Verfügung gestellt.
50 Terroristen seien bei dem Einsatz in Dschabalia getötet worden, erklärte die Armee. Unter den Opfern waren nach palästinensischen Schilderungen viele Zivilisten. Israels Armee kann nach eigener Darstellung noch immer nicht sagen, wie viele Zivilisten getötet wurden. Die Angaben beider Seiten sind unabhängig kaum zu überprüfen.
Was heute wichtig wird
US-Außenminister Blinken wird sich jordanischen Angaben zufolge mit Amtskollegen aus Saudi-Arabien, Ägypten und anderen Ländern der Region für ein Gespräch über den Gaza-Krieg in Amman treffen.